Aktueller Fall April 2013
Zusammenbruch der Bestandsimmunität nach Aufstockung
Dr. Reinhold Heggemann Praxis für tierärztliche Bestandsbetreuung und Qualitätssicherung im Erzeugerbetrieb Schwein, 25782 Tellingstedt
Der Bestand
Heute berichten wir von einem spezialisierten Sauenbetrieb, der seit Jahren eine spezielle Genetik züchtet und einen hohen Gesundheitsstatus besitzt. Neben der PRRS-Freiheit ist der Bestand auch frei von Mycoplasma hyopneumoniae. Selbstverständlich spielen APP, Dysenterie, PIA, toxinbildende Pasteurellen und Räude ebenfalls keine Rolle. Aufgrund des speziellen Zuchtprogrammes remontierte der Bestand sich seit Jahren ausschließlich aus eigenen Nachzuchttieren.
Der Betrieb mit 250 Sauen wollte zum Jahreswechsel 2012/2013 eigentlich die Produktion aufgeben und der Bestand war schon entsprechend abgebaut, als sich Ende 2012 dann doch noch ein neuer Pächter für den Betrieb fand. Das noch vorhandene Tiermaterial sollte weiter genutzt werden.
Der Fall
Um den Sauenbestand möglichst schnell wieder auf Sollstärke zu bringen, war es notwendig, eine größere Menge an Zuchttieren in verschiedenen Altersstufen in den Bestand zu integrieren. Somit sollten einmalig 150 Tiere aus einem anderen Betrieb mit vergleichbarem Gesundheitsstatus und gleicher Genetik nach einer 4-wöchigen Quarantäne in den bestehenden Betrieb eingegliedert werden. Als Quarantäneeinheit wurde ein leerstehendes Aufzuchtabteil am Stallende eingerichtet. Dieses wurde provisorisch vom übrigen Stall getrennt und über einen separaten Zugang versorgt.
Die Untersuchung
Die in der Quarantäne aufgestallten Tiere wurden mit einer Stichprobe von 30 Tieren zwei und vier Wochen nach Ankunft mittels Blutprobe serologisch auf PRRS, APP, Mycoplasmen und per Nasentupfer auf toxinbildende Pasteurellen untersucht. Klinisch ergaben sich keinerlei Hinweise auf Dysenterie oder PIA.
Als beide Beprobungen das Freisein der Tiere von den oben genannten Erregern bestätigte wurde die Quarantäne aufgelöst und die ersten Tiere zur Belegung ins Deckzentrum überführt.
Die Eingliederung der Tiere erschien damit erfolgreich abgeschlossen.
Plötzlich tote und kranke Tiere
Circa 4 Wochen nachdem die Quarantäne aufgelöst wurde, verendeten plötzlich innerhalb von 24 Stunden 2 Tiere und 3 weitere waren erkrankt. Alle Schweine wiesen einen charakteristischen, hochgradig blutigen, teerfarbigen Durchfall auf. Die betroffenen Tiere stammten alle aus dem Zulieferbetrieb. Aufgrund der Klinik wurde die Verdachtsdiagnose PHE (Proliferative hämorrhagische Enteropathie), verursacht durch Lawsonia intracellularis, gestellt und eine sofortige, 7-tägige Behandlung mit Tylosin über das Trinkwasser in den entsprechenden Abteilen eingeleitet.
Durch eine sofortige, gezielte Behandlung einzelner Abteile über das Tränkewasser konnte die Infektion wirksam eingedämmt werden
Blasse oder apathische Einzeltiere wurden per Injektion mit Tylosin behandelt. Dennoch verendeten 2 weitere Tiere, diesmal aus dem Altbestand. Die Trinkwassermedikation wurde daraufhin entsprechend ausgeweitet.
Parallel zur Medikation eingeleitete Kotuntersuchungen ergaben zweifelsfrei eine Infektion mit Lawsonia intracellularis. Erreger der Dysenterie oder andere, pathogene Brachyspirenarten konnten ausgeschlossen werden.
Die Kotuntersuchung brachte Gewissheit: Auslöser des dramatischen Geschehens war ein Infektion mit Lawsonien
Weiterer Verlauf
Nach insgesamt ca. 14 Tagen hatte sich die Erkrankung unter der Medikation „totgelaufen“. Es traten weder weitere Todesfälle, noch eine Ausweitung der Krankheitsfälle auf. Die Medikation wurde in den entsprechenden Abteilen nach jeweils 7 Tagen eingestellt.
Diskussion
Der Erreger „Lawsonia intracellularis“ ist Schweinehaltern und insbesondere Mästern wahrscheinlich eher im Zusammenhang mit der sogenannten PIA (Porcine intestinal adenomatosis) bekannt. Die Verlaufsformen einer Lawsonien Infektion können klinisch sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Die Varianz reicht von klinisch völlig unauffällig über Auseinanderwachsen, blasse Tiere, blutigen Durchfall bis hin zu perakut verendenden Tieren oder auch sogar Aborte, wenn sich tragende Sauen infizieren.
Die Kotbeschaffenheit kann bei einer Lawsonien- Infektion von hellrot bis teerfarben variieren und auch Schleimhautbestandteile beinhalten
Kritische Situationen entstehen regelmäßig dann, wenn laufende Bestände einen Zukaufwechsel durchführen, größere Tiergruppen remontieren, Herkünfte mit unterschiedlichem „Lawsonien Status“ zusammengeführt werden oder durch bestimmte betriebsbedingte Umstände voll empfängliche Untergruppen von Tieren entstehen, die dann in aller Regel auch heftig klinisch erkranken. Dieses scheint umso ausgeprägter zu sein, wenn es sich um Altersgruppen mit älteren Tieren von 4-12 Monaten handelt.
In Betrieben auf einem Standort und mit kontinuierlichem Tierfluss erfolgt die Infektion in aller Regel relativ früh im Alter von 7-10 Wochen, fortwährend und klinisch wesentlich unauffälliger.
Bemerkenswert an diesem Ausbruch einer PHE ist die Tatsache, dass weder im Lieferbetrieb noch im Empfängerbetrieb jemals eine Infektion mit Lawsonien vermutet worden ist. Zu keiner Zeit wurden Tiere gegen Lawsonien geimpft, mediziniert oder klinische Anzeichen gesehen.
Neben der Akutbehandlung mit verschiedenen antibiotischen Wirkstoffen ist seit ein paar Jahren auch eine Impfung gegen Lawsonien mit einem Lebendimpfstoff der Fa. Boehringer möglich. Dieser wird oral mittels Drench, Trinkwasser oder aber über die Flüssigfütterung verabreicht. Entscheidend für den Impfzeitpunkt und damit die Verabreichungsmethode ist immer der Infektionszeitpunkt. Gerade im Zusammenhang mit der Reduzierung von Antibiotika sollte immer dort wo möglich einer vorbeugenden Impfung der Vorzug gegeben werden.