Aktueller Fall August / September 2015
PEDV- Ausbruch in einem Sauenbestand mit hoher Biosecurity
Dr. Heinrich Wilkes1, Svenja Lösken²
1 Vet-Team-Reken GbR, Reken
2 Tierärztliche Hochschule Hannover, Außenstelle für Epidemiologie, Bakum
Der Betrieb
Es handelt sich in diesem Fall um einen Betrieb mit 1000 Sauen im geschlossenen System. Der Betrieb wird an 3 örtlich voneinander getrennten Standorten bewirtschaftet, wovon an einem Standort die Babyferkelproduktion, an dem zweiten die Ferkelaufzucht- und Mast und an dem 3. Standort die Zuchtläufer- und Jungsauenaufzucht für die eigene Remontierung stattfinden. Der Betrieb wird im 3-Wochen-Rhythmus betrieben, so dass aus infektionsdynamischer Sicht bereits hierdurch gute Voraussetzungen geschaffen sind. Zum Betreten jedes einzelnen Standortes muss eine 36 – stündige Schweinefreiheit beurkundet werden. Die Arbeitskräfte sind auf die jeweiligen Standorte aufgeteilt. Zum Betreten der Standorte muss jeweils eingeduscht werden. Neben betriebseigener Kleidung, Overalls und Kopfbedeckungen werden vor Betreten der einzelnen Produktionsabschnitte (jede der beiden Abferkelgruppen, Deckzentrum, Wartebereiche, Flatdeck, Mast, Zuchtläufer, Jungsauenaufzucht, Eberbereich) die Stiefel gewechselt, welche farblich den einzelnen Produktionsbereichen zugeordnet sind. In jedem Bereich ist das Tragen von Einmalhandschuhen vorgesehen. Durch die eigene Jungauenaufzucht und die Eigenbestandsbesamung läuft der Betrieb vollkommen autark. Ebenso wird das gesamte Futter als Eigenmischung in einer eigenen Mühle hergestellt. Die Transportfahrzeuge, die zwischen den Betrieben verkehren, werden ausschließlich nur zu diesem Zwecke genutzt. Nur zu Abholung der Schlachtsauen oder der Mastschweine kommen Fremdfahrzeuge auf den Betrieb.
Bestandsuntersuchung und Klinik
Im Abferkelbereich konnte bei Sauen mit knapp 3 Wochen alten Saugferkeln folgende Klinik beobachtet werden:
-von 160 Sauen zeigten innerhalb von 2 Tagen ca. 20 Sauen Fressunlust. Es bestand kein Fieber. Sechs Sauen entwickelten innerhalb von 2 Tagen eine hochgradige Durchfallsymptomatik mit grünlich-wässrigem Kotabsatz.
- Die Saugferkel dieser Sauen zeigten fast gleichzeitig ebenfalls Krankheitssymptome, die sich durch Erbrechen von geronnenen Milchbestandteilen , gelblich-grünlichem Durchfall und starker Dehydrierung äußerten. Durch den akuten Flüssigkeitsverlust mit nachfolgender Dehydrierung kam es trotz Bereitstellung von Elektrolytlösung und symptomatischer Behandlung zu ca. 20 % Saugferkelverlusten. Die Erkrankungsrate stieg in den nächsten 2 Tagen weiter, sodass fast die gesamte Abferkelgruppe (100 von 160 Sauen und deren Saugferkel) die gleiche Klinik zeigten.
Erste Maßnahmen und Diagnostik
Zunächst bestand der Verdacht einer Futterintoxikation. Auf Grund dieses Verdachtes und der hochgradigen Symptomatik wurden die Ferkel von den Sauen abgesetzt und die Sauen ins Deckzentrum verbracht. Die Ferkel verblieben zunächst noch für eine Woche in ihren Abferkelbuchten. Bereits 2 Tage nach dem Absetzen der Sauen war der Durchfall bei den Saugferkeln verschwunden. Die Ferkel erholten sich in dieser Woche und konnten zwar mit deutlichen reduzierten Gewichten, aber symptomfrei ins Flatdeck verbracht werden. Auch die Sauen, die ins Deckzentrum verbracht worden waren, zeigten 2 Tage später bis auf 3 Sauen keine Krankheitssymptome mehr.
Bei der Untersuchung von Kotproben sowohl von Sauen als auch von Saugferkeln wurde mittels PCR in allen Proben PED-Virus nachgewiesen.
Weiterer Verlauf
Auf Grund des untypischen Verlaufes und des vollständigen Verschwindens der Symptome nach dem Absetzen der Ferkel wurden außer einer radikalen Umstellung der Futterrationen der Sauen keine zusätzlichen Maßnahmen eingeleitet. Die ins Deckzentrum verbrachten Sauen infizierten auch keine weiteren Sauen im Bestand. Die ins Flatdeck umgestallten Saugferkel entwickelten sich dort den Umständen entsprechend gut und auch dort kam es zu keiner weiteren Infektion älterer Ferkelgruppen.
Genau 3 Wochen später bei der nächsten Abferkelgruppe mit knapp 3 Wochen alten Saugferkeln zeigten sich hier genau die gleichen Symptome wie drei Wochen zuvor. Dieses Mal war das klinische Erscheinungsbild sowohl bei den Sauen als auch bei den Ferkeln deutlich ausgeprägter, so dass innerhalb kürzester Zeit alle Sauen erkrankten und die Sterblichkeit bei den Saugferkeln bis auf 25 % anstieg. In diesem Fall wurden die Sauen sofort von den Ferkeln getrennt. Die Infektion der Sauen lief aber im Deckzentrum weiter und auch dort stehende Umrauschersauen wurden innerhalb kürzester Zeit infiziert und klinisch krank. Die klinischen Symptome (Durchfall, reduzierte Futteraufnahme) hielten ca. 4 bis 5 Tage an, anschließend erholten sich die Sauen vollständig. Bei den abgesetzten Ferkeln beruhigte sich das Krankheitsgeschehen innerhalb von 4 Tagen. Neben den erhöhten Verlustraten traten eine deutlich erhöhte Anzahl von Kümmerern auf. Im Flatdeck entwickelten sich diese Tiere sehr langsam. Andere Altersgruppen erkrankten nicht.
Auch in diesem Fall wurde in Kotproben und im Darmgewebe von sezierten Ferkeln mittels PCR in allen Proben PED-Virus nachgewiesen.
Diagnose
Aufgrund der Klinik, der Untersuchungen im Bestand und des direkten Erreger-Nachweises mittels PCR ergaben sich Hinweise einer epidemischen Infektion mit dem PED (PorcineEpidemicDiarrhoea)-Virus in der Herde. Die Infektion ging mit einer hohen Erkrankungshäufigkeit (Morbidität) und relativ moderaten Sterblichkeitsrate (Letalität) bei den Saugferkeln einher.
Empfehlungen
In Deutschland gibt es derzeit keine kommerzielle Vakzine zur Immunisierung der Sauen gegen Coronaviren. Um die Erkrankungsrate zu reduzieren kann man eine Immunisierung durch das Verfüttern von Darminhalt erkrankter Ferkel erreichen. In dem beschriebenen Fall wurde der Kot gesammelt und mit warmem Wasser versetzt. Nach einem Tag wurde dieses Gemisch den Sauen im Wartestall (bis 14 Tage vor der Geburt) und den Sauen im Deckzentrum über 4 Tage vorgelegt. In der Jungsaueneingliederung wurde dasselbe Verfahren angewendet. Dies führte zu einer klinischen Infektion der tragenden Sauen, die sich nach einer 3 bis 5 tägigen Infektion zu 100 % erholten. Ausfälle traten nicht auf. Bei der nächsten Abferkelgruppe, die direkt vor der Abferkelung stand, wurde dieses aus Sicherheitsgründen nicht gemacht. In dieser Gruppe wiederholte sich das Krankheitsbild wieder mit gleicher klinischer Ausprägung und Verlustrate bei den Saugferkeln
Nach der Immunisierung traten bis heute keine klinischen Symptome mehr auf.
Die Ferkel, die nach der klinischen Infektion zunächst durchs Flatdeck gingen und sich jetzt in der Mast befinden, entwickeln sich unbefriedigend. Sie zeigen eine deutlich höhere Infektanfälligkeit, eine geringere Gewichtsentwicklung und starkes Auseinanderwachsen innerhalb einer Altersgruppe. Bis heute gab es aber in der Mast keine Klinik bei älteren Mastgruppen.
Der wirtschaftliche Schaden in der Gesamtproduktion bis zum Mastende ist enorm, da gerade neben den Totalausfällen im Saugferkelbereich die erhöhte Infektanfälligkeit und das ungleichmäßige Wachstum zu deutlich erhöhten Medikamentenaufwendungen bei gleichzeitig geringerer Mastleistung führen.
Der Erreger
PED (Procine Epidemic Diarrhea) wird durch ein Coronavirus verursacht. Die hochansteckende Erkrankung ist durch eine schwere Darmentzündung gekennzeichnet, die zu Erbrechen und wässrigem Durchfall führt. Alle Altersgruppen können sich infizieren, wobei die Sterblichkeitsrate mit zunehmendem Alter abnimmt. Früher wurde dieser Erkrankungskomplex als EVD (Epizootische Virus Diarrhoe) bezeichnet. Die heute in Deutschland gefundenen PEDV-Stämme unterscheiden sich aber deutlich von diesen „alten“ EVD-Stämmen. Seit Anfang 2013 trat in den USA eine besonders schwere Form der PED auf, die zu gravierenden Verlusten bei Saugferkeln führte. In älteren Altersklassen waren die Verluste moderat. Auch in Asien und der Ukraine traten Ausbrüche mit sehr hohen Verlusten auf. Auch in Deutschland sind erste Fälle einer milderen Verlaufsform seit Mai 2014 bekannt. Eine zunehmend wichtige Frage ist, ob wir die hochvirulenten PEDV-Stämme in Deutschland haben? Inzwischen ist bekannt, dass es sich bei den in Deutschland gefundenen Stämmen um einen eng verwandten Stamm aus den USA handelt, der in Fällen mit einer milderen Klinik beschrieben wurde. Zunächst gab es in Deutschland Berichte aus Mastbeständen mit leichten Durchfallerscheinungen und fast ohne Totalverluste. Aber bis heute hat sich der Erreger auch auf ferkelerzeugende Betriebe ausgeweitet und führt dort teils zu enormen Verlusten im Saugferkelbereich. Die Ansteckung der Tiere erfolgt ausschließlich über virushaltigen Kot. Bereits die Aufnahme einer sehr geringen Virusmenge führt nach 4- 5 Tagen zu ersten typischen Symptomen. Über verschleppten infizierten Kot sind demnach viele Übertragungswege möglich, wie z.B. kontaminiertes Futter (in den USA wird die Übertragung über Blutplasma diskutiert), Fahrzeuge, organischer Dünger, Gegenstände. Für den direkten Erregernachweis mittels PCR eignet sich Kot oder Darmgewebe von sezierten Tieren. Differentialdiagnostisch sollten weitere darmpathogene virale Erreger (TGEV, Rotaviren, PCV-2, KSP, ASP) und bakterielle Erreger (wie z.B. Clostridium perfringens, Escherichia coli und Salmonellen) abgeklärt werden. In den USA gibt es bereits mehrere Impfstoffe auf dem Markt. Über die Wirksamkeit dieser Impfstoffe in Bezug auf europäische Stämme liegen keine Angaben vor. Bei Auftreten der Erkrankung in einem Betrieb verbleibt als einzig praktikable Maßnahme derzeit nur die schnelle Durchseuchung über „back-feeding“ von Kot infizierter Tiere . Da der Erreger eine geringe Tenazität aufweist, ist eine intensive Desinfektion anzustreben. Darüber hinaus ist auf die Einhaltung strenger Biosecurity und Hygienemaßnahmen zu achten.
Fazit
Der Betrieb hatte sich trotz hoher Biosecurity mit dem PED-Virus infiziert. Bei der Suche nach der Eintragsquelle wurde als wahrscheinlichste Möglichkeit der Eintrag über ein infiziertes Fremdfahrzeug angesehen, da nur die Schlachtsauen von einem Spediteur abgeholt werden. Beim Verladen kam es gelegentlich zu einem Zurücklaufen der Sauen vom Fahrzeug auf den Treibgang. Da dieser Treibgang auch von Sauen auf dem Weg zum Abferkelabteil genutzt wird, könnte es hier zu einer Erregerübertragung gekommen sein. Durch eine Trennung der Verladestelle vom Treibgang sollte in Zukunft diese Gefahr deutlich reduziert sein. Das verzögerte Auftreten der Infektion auf dem Betrieb im 3 Wochen Abstand ist ebenfalls sowohl durch den 3 Wochen-Rhythmus als auch durch die bereits hohe Biosecurity zu erklären. Die Verschleppung hat nur verzögert stattgefunden, da das Personal durch den ständigen Schuh- ,Overallwechsel und Instrumentenwechsel eine fast optimale Trennung herbeigeführt hat. Das weitere Geschehen bleibt abzuwarten. In Zukunft ist mit dem Auftreten weiterer Fälle in Deutschland zu rechnen.