Aktueller Fall Dezember
Plötzliche Todesfälle in einem Mastbestand
Jens Jungbloot und Dr. Linus Eichhorn, Vet-Team-Schleswig-Holstein, 25782 Tellingstedt
Der Bestand
In diesem Monat stellen wir Ihnen einen Mastbestand mit 2400 Mastplätzen vor. Der Betrieb hat 12 Mastabteile zu je 200 Tierplätzen, die im Rein-Raus-Verfahren bewirtschaftet werden. Der Zukauf der Mastläufer, von denen wir berichten, erfolgte in 600er Partien von einem dänischen Ferkelerzeuger. Die Läufer wurden gegen Circovirus geimpft und mit dem Status „frei von PRRS, Enzootische Pneumonie (Mycoplasma hyopneumoniae) und App“ gekauft.
Der Fall
Der Betrieb lief mehrere Jahre problemlos mit durchschnittlichen Mastleistungen. Es traten keine nennenswerten gesundheitlichen Probleme in dieser Zeit auf. Die Verluste überstiegen die 2 Prozent nicht. Plötzlich traten in einem Mastabteil, in dem Läufer drei Wochen eingestallt waren, sieben plötzliche Todesfälle auf. In allen anderen Abteilen gab es zu diesem Zeitpunkt keine Todesfälle.
Die Untersuchung
Anlässlich eines sofortigen Betriebsbesuches waren in dem betroffenen Abteil mehrere Tiere auffällig, die einen apathischen Eindruck machten und angestrengte Atmung hatten. Allerdings hatten sie keine erhöhte Körpertemperatur. Auch waren keine anderen Symptome, wie Husten, feststellbar. Die Wasserversorgung und Lüftung funktionierten störungsfrei. Die verendeten Tiere waren blau angelaufen und hatten Blutaustritt aus der Nase. Der Fall erschien zunächst rätselhaft, da vieles für einen App-Verdacht sprach aber die apathischen Tiere kein Fieber hatten, welches bei App bis zu 41°C und darüber auftritt. Bei nochmaliger Befragung des Landwirtes stellte sich heraus, dass er diese Tiere mit einer Restmenge Enrofloxacin behandelt hatte. Dies war ein wichtiger Hinweis dafür, warum die erkrankten Tiere fieberfrei waren. Das betroffene Abteil wurde ein zweites Mal gründlich untersucht. Bei mehreren Tieren, die offensichtlich gesund waren, wurde die Körpertemperatur gemessen. Diese war bei allen Tieren im Normalbereich. Nur ein Tier, welches mobil war, aber erhöhte Atemfrequenz aufwies, hatte eine Körpertemperatur von 41,2°C. Um den App-Verdacht abzuklären wurden zwei verendete Tiere zur Sektion gebracht.
Ergebnis
Beide untersuchten Tiere waren an einer hochgradigen fibrinösen und teilweise hämolytisch - nekrotisierenden Pleuropneumonie erkrankt und in der Bakteriologie konnte aus beiden Lungen der Erreger Actinobacillus pleuropneumoniae isoliert werden. Bei der Apx-Typisierung mittels Multiplex-PCR konnten die zwei Stämme dem Serotyp 6 zugeordnet werden. 10 Blutproben von Tieren aus dem erkrankten Abteil waren im ApxII-Elisa positiv. Ein Serotypen “full Screening“ bestätigte den Serotyp 6. Es konnte kein PRRS-Virus und kein Circo-Virus in den untersuchten Blutproben und in den beiden verendeten Schweinen nachgewiesen werden.
Weiterer Verlauf
Im Resistogramm waren die Tetracycline voll wirksam, deshalb wurde zur Behandlung Doxycyclin eingesetzt. Die Medizinierung erfolgte oral über die Flüssigfütterung mit anschließender Reinigung der Futteranlage. Die Behandlung schlug rasch an, sodass eine Behandlungsdauer von 5 Tagen ausreichte.
Inzwischen erkrankten Tiere auch in anderen Abteilen. Immer wieder waren perakute (plötzliche) Verlaufsformen vorhanden. Behandlungen mit Doxycyclin führten immer zur sofortigen Besserung des Allgemeinbefindens. Die Infektion sprang zwischen den Abteilen hin und her. Manche Abteile waren auch mehrmals betroffen.
Durch weitere Recherchen stellte sich heraus, dass im Sauenbetrieb bei routinemäßigen Screenings App Serotyp 6 schon länger nachgewiesen wurde; weil aber keine Klinik im Betrieb auftrat, wurden die Läufer als „APP-negativ“ vermarktet.
Der Mäster wollte aus diesem Betrieb keine Läufer mehr beziehen. Vor dem Zukauf aus einem anderen Betrieb wurde der Mastbestand komplett leer gefahren, gereinigt und desinfiziert. Erst dann wurden Tiere aus der neuen Herkunft aufgestallt. Es traten seitdem keine Erkrankungen mehr auf.
Diskussion
Die App- Infektion gehört mit zu den wichtigsten Lungenerkrankungen des Schweines, die zu enormen Einbußen in der Mast führen und in den schweinedichten Regionen weit verbreitet ist. Der Verlauf dieser Erkrankung kann sehr unterschiedlich sein: Von chronisch, wo Husten im Vordergrund steht, bis zu perakut, wie in diesem Fall. Es gibt mittlerweile 15 Serotypen, die unterschiedliche Apx-Toxine oder Kombinationen von diesen ausweisen. Diese sind für die krankmachenden Eigenschaften des Erregers (Pathogenität) verantwortlich. Die höchste Pathogenität weisen die Serotypen 1, 5, 9 und 11 auf. Der nachgewiesene Serotyp 6 nimmt eine Mittelstufe ein. Zu dieser Gruppe gehören auch die Serotypen 2, 4 und 8. Die schwächste Virulenz hat der Serotyp 3. Für den Nachweis von App über Blutproben gibt es unterschiedliche ELISA-Tests, die aber alle häufig falsch positive Ergebnisse ergeben, da Kreuzreaktionen zu apathogenen Actinobacillen auftreten. Darum sollte bei positivem Befund eine Serotypisierung durchgeführt werden. Um eine Diagnose abzusichern, müssen unbedingt Krankheitsbild, die Sektionsbefunde und die Ergebnisse der Bakteriologie zusammen beurteilt werden.
Die Toxine des Erregers zerstören Abwehrzellen (Lungenmakropagen) und rote Blutkörperchen, die zu den blutigen Einschmelzungen von Lungengewebe führen. Oft verkleben solche geschädigten Lungen mit dem Brustfell. Bei einer ausgeprägten Klinik können Körpertemperaturen bis 42,5 °C gemessen werden. Die Tiere zeigen eine hochfrequente Atmung, teilweise als Maulatmung. Dazu treten zyanotische (blaue) Verfärbungen als Zeichen des Sauerstoffmangels auf. Bei perakuten Verlaufsformen verenden die Tiere ohne vorherige Klinik.
Die App wird aerogen (über die Luft) übertragen. Sehr häufig erfolgt die Übertragung auch über den Zukauf von infizierten Tieren. Deshalb sollte man hier große Vorsicht walten lassen. Dänische Schweine werden oft als SPF-Tiere angeboten, aber bei dem dänischen SPF-System gibt es unterschiedliche Stufen, so dass auch SPF-Tiere App positiv sein können. Problematisch wird es, wenn ein Bestand als App-frei deklariert wird. Denn auch schwach pathogene Stämme können bei geschwächtem Immunsystem zu schweren Krankheitsbildern führen. Eine solche Schwächung des Immunsystems kann durch Koinfektionen, wie PRRS oder Circovirus, die in unserem Fall nicht gefunden wurden, hervorgerufen werden, aber auch viele andere Ursachen haben.
Eine Sanierung ist nur durch Repopulation möglich. Sollte dies aus ökonomischen Gründen nicht möglich sein, kann eine Impfung versucht werden. Auf dem Markt sind zwei Vakzinen, eine speziell gegen den Serotyp 2 und eine serotypübergreifende. Auch die Herstellung einer stallspezifischen Vakzine kann ein gangbarer Weg sein. Allerdings stimulieren Impfstoffe nur die humorale Abwehr (Antikörper), nicht die Abwehrzellen. Dies führt bei der App manchmal zu Impfdurchbrüchen. Die antibiotische Behandlung ist bei Klinik angezeigt und sollte durch ein Antibiogramm gesichert werden.