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Aktueller Fall Februar 2013

Todesfälle bei großen Mastschweinen
Jens Jungbloot, Praxis für tierärztliche Bestandsbetreuung und Qualitätssicherung im Erzeugerbetrieb Schwein Dr. Reinhold Heggemann, 25782 Tellingstedt



Der Bestand
In dem heutigen Praxisfall stellen wir Ihnen einen Mastbetrieb mit 2300 Mastplätzen vor. Der Betrieb ist über mehrere Jahre gewachsen und besteht heute aus verschiedenen Gebäudekomplexen mit unterschiedlichen Buchtengrößen. Die einzelnen Gebäudeabschnitte werden im  Rein – Raus - Verfahren belegt. Der Zukauf der Mastläufer erfolgt aus Dänemark aus einer Herkunft. Als Eigenmischbetrieb erfolgt die Fütterung über Breiautomaten. Der Betrieb hat eine gute, isolierte Lage; Wildschweine sind allerdings ständig in der Region.

Der Gesundheitsstatus ist als gut zu bezeichnen. Lediglich leichte Durchfälle, verursacht durch Lawsonia intracellularis (PIA) und Brachyspira pilosicoli  waren in der Vergangenheit aufgetreten.


Der Fall
Ende Oktober bekam der Landwirt eine Mastferkellieferung, die sich bereits bei Ankunft inhomogen zeigte und nicht die gewohnt hohe Qualität aufwies. Diese Tiere hatten stärkeren Durchfall, so dass eine Behandlung notwendig wurde. Die Startschwierigkeiten der Gruppe konnten schnell behoben werden und die Tiere zeigten im weiteren Mastverlauf eine normale Entwicklung.

Mitte Januar traten am Wochenende 8 akute Todesfälle von Schweinen auf, die bereits ca. 90 kg aufwiesen und alle aus 2 benachbarten Buchten stammten und über einen gemeinsamen Futterautomaten verfügten. Der Landwirt befürchtete einen Zusammenhang mit der Erkrankung zu Beginn der Mast und aufgrund des perakuten Verlaufes und der hohen Anzahl an toten Tieren benachrichtigte er sofort unsere Praxis.


Die Untersuchung
Bei einer sofortigen Betriebsbesichtigung waren keine Auffälligkeiten feststellbar. Selbst die verendeten Tiere  zeigten keine äußerlich auffälligen Symptome. Der Landwirt berichtete, dass er bei einzelnen Tieren vor deren Verenden Körpertemperaturen um die 40°C gemessen hätte; gab allerdings zu bedenken, ob dies nicht auch durch die Erregung der Tiere beim Messen verursacht worden sein könne.

Da keine klinischen Anzeichen einer Erkrankung vorhanden waren, war es zwingend notwendig Tiere zur Sektion zwecks weiterführender Untersuchung zu bringen. Diese Maßnahme ist nicht nur sinnvoll, sondern auch gesetzlich vorgeschrieben, unter anderem, um anzeigepflichtige Seuchen ausschließen zu können oder deren Verbreitung zu unterbinden.


Der Sektionsbefund
Material: 2 Mastschweine über 80kg

Pathologischer Befund: Ernährungs-/Pflegezustand gut, typische Veränderungen durch den Tod, Organe unauffällig

Bakteriologischer Befund: 
Lunge: E. coli, Erysipelothrix rhusiopathiae, Proteus spec., 1 Tier Pasteurella multocida
Organe: Erysipelothrix rhusiopathiae, Protheus spec.
Darm: E. coli, Proteus spec., Clostridium perfringens, Erysipelothrix rhusiopathiae

Molekularpathologischer Befund: Brachyspira pilosicoli im Darm

Beurteilung und Diagnose: Infektion mit Erysipelothrix rhusiopathiae / septikämischer Rotlauf















links: Ferkel mit Septikämie (hier durch Streptokokken verursacht)

rechts: Beschlagnahmte Schlachtkörper mit Backsteinblattern





                                        

Diagnose und Behandlung
Durch den Nachweis des Bakteriums „Erysipelothrix rhusiopathiae“ in allen Organen war die Diagnose „Rotlauf“ eindeutig und ein aus tierärztlicher Sicht „schöner Befund“. Augenscheinlich handelte es sich hier um die septikämische Verlaufsform des Rotlaufs (Blutvergiftung), was den schnellen Verlauf und die fehlenden Hautveränderungen erklärte.

Da nach den geschilderten 8 Todesfällen vom Wochenende keine neuen Tiere erkrankten, wurde auf eine Bestandsbehandlung verzichtet. Der Landwirt führte die restlichen Tiere des betroffenen Abteils der vorzeitigen Schlachtung z. Bei der fleischbeschaulichen Untersuchung der Schlachttiere gab es keine Hinweise auf eine Rotlauferkrankung. Sollte eine Behandlung notwendig werden, ist diese mit Penicillin oder Amoxicillinpräparaten durchzuführen.


Diskussion
Insgesamt hat Rotlauf  heute in der modernen Schweinehaltung an Dramatik verloren und die Diagnose „Rotlauf“ wird nur noch eher selten gestellt. Die Gründe dafür sind vielfältig. Sauenbestände stehen in aller Regel unter Impfschutz, so dass hier kaum noch ein Erregerreservoir vorhanden ist. Eine wichtige Eintragsquelle war früher die häufig praktizierte Verfütterung von nicht erhitzten Speiseabfällen, die heute so nicht mehr stattfindet und zudem mit nicht erhitzten Abfällen generell untersagt ist. Auch die verbesserten Haltungsbedingungen insgesamt haben dazu beigetragen, dass die früher insbesondere in den Sommermonaten seuchenhafte Verlaufsform heute nur noch sehr sporadisch auftritt, dann aber doch zu hohen ökonomischen Verlusten führen kann.

Der Begriff „Rotlauf“ lässt sich von der akuten Verlaufsform des Rotlaufs in Form der sogenannten Backsteinblattern ableiten. Diese Blattern stellen sich als erhabene, rote Hautbezirke dar, die häufig die Größe einer Streichholzschachtel aufweisen und eine rechteckige, backsteinförmige Form haben.

Die septikämische, perakute Verlaufsform wie in unserem Fall, zeigt oft vor dem Tod außer Fieber keine Symptome.
Häufig sogar unerkannt bleiben die chronischen Verlaufsformen wie der Herzrotlauf mit typischen Entzündungen der Herzklappen und der Gelenkrotlauf. Diese Erkrankungen und auch Todesfälle können leicht mit anderen Erkrankungen, wie z.B. mit einer Streptokokkeninfektion, verwechselt werden und werden oft nicht konsequent diagnostisch abgeklärt.

Gehäufte Todesfälle mit unklarer Genese sind aber in jedem Fall(!) bis zur eindeutigen Diagnose abzuklären. Laut Schweinehaltungshygieneverordnung ist der Landwirt bei gehäuften Todesfällen gesetzlich verpflichtet einen Tierarzt zu informieren.

Neben Erregern einiger anzeigepflichtiger Seuchen können auch eine Vielzahl anderer Erreger, wie z.B. Streptokokken, E.coli, Pasteurellen, Actinobacillen oder Salmonellen zu Septikämien führen.

Empfänglich sind Schweine in der Regel nach dem 3. Lebensmonat. Das Schwein infiziert sich hauptsächlich oral. Eingeschleppt wird der Erreger durch gesunde Schweine, die den Erreger symptomlos auf den Tonsillen tragen oder durch andere Tiere wie Schadnager, Vögel, Kühe oder auch Wildschweine. Infizierte Schweine scheiden die Erreger dann massenhaft mit dem Speichel, Kot und Harn aus; diese sind im Boden, Wasser oder Einstreu bis ca. 30 Tage überlebensfähig.

Verschiedene Verfahren bei der Lebensmittelherstellung wie Pökeln oder Räuchern übersteht er schadlos. Desinfektionsmitteln gegenüber reagiert er allerdings sehr empfindlich.

Für Schweine stehen sowohl Kombiimpfstoffe mit Parvoviren als auch Monoimpfstoffe nur gegen Rotlauf zur Verfügung.

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