Aktueller Fall Juni 2013
Durchfall 2 Wochen nach dem Absetzen- alles Coli oder was?
Dr. Reinhold Heggemann Praxis für tierärztliche Bestandsbetreuung und Qualitätssicherung im Erzeugerbetrieb Schwein, 25782 Tellingstedt
Der Bestand
Diesmal geht es um einen Ferkelerzeuger, der 350 Sauen mit dänischer Genetik im Vierwochenrhythmus bewirtschaftet. Die Fruchtbarkeitsparameter sind durchgängig als sehr gut zu bezeichnen und auch die Entwicklung der Ferkel auf dem Flatdeck war bislang zufriedenstellend. Die Haltung nach dem Absetzen erfolgt in Großgruppen mit ca. 400 Ferkeln.
Der Fall
Der Landwirt kontaktierte uns telefonisch und berichtete von seinen Flatdeckferkeln, die vor 2 Wochen abgesetzt worden waren. Sie seien nicht wirklich krank, würden sich aber nicht so recht entwickeln und auseinanderwachsen. Dabei hätten sie einen enormen Appetit und jetzt nach 10 Tagen bereits die Futtermenge gefressen, die sie sonst üblicherweise in 14 Tagen nach dem Absetzen fressen würden.
Die Untersuchung
Bei dem durchgeführten Besuch ergab die Inspektion der entsprechenden Tiergruppen folgendes Bild: Die Ferkel machten im Überblick bis auf Einzeltiere einen ungestörten Allgemeineindruck. Die Entwicklung der Ferkel war allerdings sehr unterschiedlich. „Spitze Ferkel“ mit dünnen Bäuchen liefen zusammen mit sehr gut entwickelten Ferkeln. Der geschätzte Anteil von „spitzen Ferkeln“ lag bei ca. 40% der Tiere. Insgesamt fehlte allerdings auch bei den gut entwickelten Ferkeln Gewicht. Ferkelverluste waren bis dato noch nicht in vermehrtem Maße zu verzeichnen.
Bei der weiteren Untersuchung fiel dünnbreiiger Kot in den Buchtenecken auf, ebenso wie unterschwelliges Anstoßen (Husten) einzelner Ferkel.
Die nähere Untersuchung einzelner Ferkel ergab teils profusen Durchfall, der sich bei Druck auf den Bauch im Strahl entleerte. Dies erschien zunächst etwas ungewöhnlich, da die Ferkel bereits mit Colistin behandelt wurden.
Da aufgrund des klinischen Bildes keine eindeutige Diagnose ausgesprochen werden konnte, wurden 5 Tiere aus der Ferkelgruppe 2 Wochen nach dem Absetzen (Wo2) und zwei weitere Ferkel aus der Gruppe 6 Wochen nach dem Absetzen (Wo6) für eine Sektion am nächsten Tag und weiterführende Untersuchungen ausgesucht und markiert.
Des Weiteren wurden zwei Futterproben des Ferkelstarterfutters entnommen und der Futterlieferant von den bestehenden Problemen informiert. Dieser veranlasste daraufhin eine eigene Untersuchung des Ferkelstarterfutters.
Die Ergebnisse
Bei der Sektion der 5 Ferkel aus der Gruppe Wo2 konnten bei 4 Tieren Entzündungssymptome im Darm gesehen und darüber hinaus bei 2 Ferkeln E.coli (Typ O8:K87) isoliert werden. Rota- / Coronavirus konnte als möglicher Auslöser des Durchfallgeschehens ausgeschlossen werden. Ebenso Salmonellen; diese waren selbst in der Anreicherung nicht nachweisbar.
Bei zwei der fünf Ferkel aus der Wo2-Gruppe wurde darüber hinaus noch eine eitrige Bauchfellentzündung mit dem Erregernachweis Hämophilus parasuis- den Erreger der Glässerschen Krankheit- nachgewiesen.
Dieser Befund der Glässerschen Krankheit zeigte sich auch bei den beiden untersuchten Tieren aus der Gruppe Wo6.
Glässersche Krankheit: Komplett verwachsener Herzbeutel mit eitrig, fibrinösen Auflagerungen
Die Untersuchung der Futterprobe durch den Lieferanten ergänzte die Sektionsbefunde mit folgenden Ergebnissen:
Soll | Ist |
Abweichung in % |
|
Energie MJME/kg | 14,4 | 14,18 | - 1,5 |
Rohasche % | 5,2 | 4,8 | - 8 |
Roheiweiß % | 18,5 | 17,1 | - 8 |
Rohfett % | 6,4 | 5,6 | - 12 |
Rohfaser % | 2,8 | 2,1 | - 25 |
Stärke % | - | 39,1 |
Somit wies das Ferkelfutter teilweise gravierende Abweichungen gegenüber der Deklaration auf.
Weiteres Vorgehen
Zwischenzeitlich hatte der Futterlieferant noch am Tag des Erstbesuches neues Ferkelfutter geliefert, wonach sich der Zustand der Ferkel innerhalb von 2 Tagen deutlich positiv veränderte. Die Tiere wirkten ruhiger, hatten wieder volle Bäuche und die spitzen Rücken waren lange nicht mehr so ausgeprägt. An der Medizinierung mit Colistin wurde zwischenzeitlich nichts geändert.
Diskussion
Die Interpretation der verschiedenen Ergebnisse und die Gewichtung erscheint in diesem Fall etwas komplexer als üblich und zeigt auch, dass nicht immer spezifische Erreger allein ein Krankheitsgeschehen auslösen. Vielmehr zeigt dieser Fall das komplexe Zusammenwirken verschiedener Faktoren und auch die immense Bedeutung adäquaten Futters auf. In diesem Fall scheint es so zu sein, dass das offensichtlich hochverdauliche Futter den Durchfall auslöste und zudem die Tiere nicht nachhaltig satt machte. Die Tatsache, dass der deklarierte Energiegehalt trotz deutlich reduzierter Protein- und Fettgehalte noch halbwegs im Normbereich war, kann nur durch einen erhöhten Gehalt an Einfachzuckern erklärt werden, zumal in der Futtermischung auch Teig- und Backwarenmehl als Futterkomponente deklariert war. Dieser führt allerdings, insbesondere auch bei einem deutlich reduzierten Rohfasergehalt wie hier von 25%, nicht zu einer nachhaltigen Sättigung und adäquatem Fleischansatz. Ein erhöhter Gehalt an Einfachzuckern würde auch die beobachtete erhöhte Futteraufnahme der Tiere erklären. Stärke hingegen ist ein Mehrfachzucker (Polysaccharid), der wesentlich komplexer aufgebaut ist, langsamer verstoffwechselt wird und bei Überschuss in verschiedene Zellen als Energiereserve eingelagert wird.
Die Sektion der Ferkel (5 aus Wo2 und 2 aus Wo6) erbrachte zusätzlich das Vorliegen der Glässcherschen Krankheit und das Vorliegen von E. coli Typ O8:K87. Den Nachweis von E. coli muss man in diesem Zusammenhang, insbesondere auch unter dem Aspekt der Futterfehlmischung, als Nebenbefund bewerten. Dies wird auch durch die Tatsache gestützt, dass nach dem Futterwechsel ohne Änderung der Medizinierung eine deutliche Verbesserung bei den Ferkeln zu sehen war.
Im Hinblick auf das Vorliegen von Hämophilus parasuis und die Ausprägung als Glässersche Krankheit bei insgesamt 4 von 7 Tieren (2 Ferkel aus Wo2 und beide Ferkel aus Wo6) sahen wir uns veranlasst, vorläufig für die nächsten 3 Monate eine entsprechende Medikation nach dem vorliegenden Resistenztest durchzuführen.
Nach Abstimmung mit den Mastbetrieben wäre auch eine Impfung gegen den Erreger der Glässerschen Krankheit denkbar.