Header-Grafik

Aktueller Fall März 2014

Husten im ganzen Stall
Jens Jungbloot, Praxis für tierärztliche Bestandsbetreuung und Qualitätssicherung
im Erzeugerbetrieb Schwein Dr. Reinhold Heggemann, 25782 Tellingstedt

Der Betrieb
In dieser Fallbeschreibung möchten wir ihnen einen mittelgroßen Kombibetrieb mit 280 Sauen vorstellen. Es handelt sich um einen in mehreren Entwicklungsschritten gewachsenen Betrieb mit viel Altbausubstanz. Die Sauen, Ferkel und ein Teil der Mast befinden sich auf einem Standort. Zwei weitere Mastställe sind auf zwei verschiedenen Standorten zu finden. Der Betrieb betreibt Eigenremontierung. Da die Herde PRRS positiv ist, werden die Sauen und Eber alle vier Monate gegen PRRS komplett geimpft. Die Leistung der Sauenherde ist als gut zu bezeichnen. Hier gab es in der Vergangenheit keine nennenswerten  Gesundheitsprobleme.


Der Fall
Der Landwirt berichtete, dass seit geraumer Zeit immer mal wieder Atemwegsprobleme in den Mastställen auftraten, wobei die verschiedenen Standorte wechselweise betroffen waren. Im Vordergrund stehe vor allem Husten; die Futteraufnahme sei aber dennoch gut. Vereinzelt verende ein Endmasttier. Bei diesen konnten katharrhalisch-eitrige Bronchopneumonien, hervorgerufen durch  Pasteurella multocida und weiteren Sekundärerregern, nachgewiesen werden. Durch Einzeltierbehandlungen seien die erkrankten Tiere beherrschbar und auch die Verluste insgesamt mit 1,5 % im normalen Bereich.

Da kein deutlicher Leistungseinbruch feststellbar war, tolerierte der Landwirt dieses Phänomen über einen längeren Zeitraum. Im letzten Jahr entwickelte sich das Hustenproblem dann allerdings zu einem Dauerzustand und betraf auch mehr und mehr jüngere Tiere. So waren auch die abgesetzten Ferkel auf dem Flatdeck mittlerweile betroffen. Durchgeführte Behandlungen brachten hier nur eine zeitlich begrenzte Besserung.

Um die möglichen Ursachen des Atemweggeschehens und die Auswirkungen am Tier besser eingrenzen und beurteilen zu können, wurde zunächst in einer kleineren Schlachterei eine Untersuchung von Schlachtlungen durchgeführt. Um weiterführende, bakteriologische Untersuchungen aus den Lungen zu ermöglichen, durchliefen diese Tiere nicht den üblichen Brühkessel, sondern wurden hängend enthaart.


Die Untersuchung
Die begutachteten Lungen erschienen auf den ersten Blick relativ gesund. Lediglich einzelne Lungen wiesen geringgradige Spitzenlappenveränderungen von weniger als zehn Prozent und bei einem Tier von etwa zwanzig Prozent auf.






Bild: Schlachtlunge mit geringgradigen Veränderungen am Spitzenlappen und interstitieller Pneumonie



Die weiterführenden Untersuchungen ergaben folgende Ergebnisse:

1- Bakteriologischer Befund:

Probe 1 kein Nachweis
Probe 2 Pasteurella multocida +++
Bacillus spec. +
Probe 3 kein Nachweis
Probe 4 kein Nachweis
Probe 5 alpha-häm. Streptokokken +
Probe 6 Actinobacillus spec. + /
Bacillus spec. +

2- Molekularbiologischer Befund von 3 Proben:

Erreger negativ positiv verdächtig
PCV-2 1 1 1
Influenza 3    
PRRS-EU 3    
PRRS-US 3    

Somit ergaben sowohl die Schlachttieruntersuchung als auch die weiterführenden Untersuchungen aus den Lungen keine sichere Diagnose.

Bei einem erneuten Bestandsbesuch zeigten die Masttiere aber mittlerweile klinisch deutliche respiratorische Erkrankungen. Der komplette Mastbestand hustete und teilweise war trockner Brüllhusten zu hören. Besonders auffällig waren die Tiere in der Mittelmast. Diese zeigten geschwollene Augen mit serösen, teilweise eitrigen Augenausflüssen. Erhöhungen von Körpertemperaturen konnte nur vereinzelt festgestellt werden. Um die Diagnose weiter einzugrenzen, wurden von jeweils fünf Tieren Ende Flatdeck, Mitte Mast und Ende Mast Blutproben gezogen.


3- Serologischer Befund:

Tiergruppe APP Glässer PRRS Influenza
Ende FD - - + -
Ende FD - + + -
Ende FD - - + -
Ende FD - - + -
Ende FD - - + -
Mitte Mast fraglich - - -
Mitte Mast - + + -
Mitte Mast + - + -
Mitte Mast fraglich - + -
Mitte Mast + - + -
Ende Mast + - + -
Ende Mast + - + -
Ende Mast fraglich - + -
Ende Mast fraglich - + -
Ende Mast fraglich + + -

Dieses Untersuchungsergebnis ergab einen Hinweis in Richtung APP und PRRS.
Um die Bedeutung der APP Titer vollständig abzuklären, wurden drei positive Proben serotypisiert. Dabei konnte der vorhandene Stamm den Serotypen 4 und 7 zugeordnet werden. Diese beiden Gruppen sind als schwach virulent einzuschätzen und schieden somit als Primärerreger des vorhandenen Problems aus.

Die gefundenen PRRS-Titer waren nicht nur durchgängig positiv, sondern auch sehr hoch und stiegen im Laufe der Mast mit zunehmendem Alter der Tiere auch noch an. 

Ein nochmaliger Lungencheck beim Schlachter zeigte wie bei der ersten Untersuchung mit vereinzelten Spitzenlappenveränderungen ein ganz ähnliches Bild. Eine histologische Untersuchung dieser Lungen ergab eine sogenannte interstitielle Pneumonie.


Diagnose und weiteres Vorgehen
Die Veränderungen an den Spitzenlappen ließ zuerst den Schluss einer Mycoplasmen Infektion zu. Die Mycoplasmen sind aber in keiner Untersuchung nachgewiesen worden und die Tiere sind auch als Ferkel gegen die Enzootische Pneumonie (Mycoplasma hyopneumoniae) geimpft. Deshalb ist davon auszugehen, dass die Veränderungen an den Schlachtlungen mit großer Wahrscheinlichkeit auf Pasteurella multocida zurückzuführen sind.
Allerdings wäre ein solcher Lungenbefund auch bei Mycoplasmen geimpften Tieren durchaus als normal zu bezeichnen!

Die bei 4 Tieren nachgewiesene APP scheint auch nicht ursächlich für das Geschehen zu sein. Es handelte sich hier um einen schwach virulenten Stamm und an den Schlachtlungen waren keinerlei APP-typischen Veränderungen zu finden.

Auf Grund der hohen PRRS-Titer und der dazu passenden nachgewiesenen interstitiellen Pneumonie lautet die Diagnose daher PRRS-Infektion der Absatzferkel. Dem Landwirt wurde eine PRRS-Impfung der Ferkel empfohlen. Da der Beginn der  Infektion schon auf dem Flatdeck stattfindet (Ende FD sind bereits alle Tiere serologisch positiv!), muss die Impfung bereits bei den Saugferkeln erfolgen.


Diskussion
Bei Atemwegserkrankungen in der Mast denkt man häufig zuerst nur an spezifische Atemwegserreger wie z.B. Mycoplasmen, App, Pasteurellen/Bordetellen, Glässersche Krankheit, usw. Wie letzte Fälle aus der Praxis aber zeigen, ist die PRRS häufig bei Atemwegserkrankungen beteiligt (siehe auch den letzten aktuellen Fall von 02/2014).
Ein Hinweis auf eine Beteiligung von PRRS-Virus kann das ständige Aufflackern von Pneumoniewellen sein. Antibiotische Behandlungen bringen keine dauerhafte Besserung. Oft beobachtet man gerötete, geschwollene Augen mit Tränenfluss. Viele Verläufe zeigen keine vordergründige Störung der Tiere, aber bei detaillierten Leistungsauswertungen lassen sich Verschlechterungen nachweisen.
Untersuchte Tiere haben oft eine Mischflora von Erregern. PRRS verursacht eine typische interstitielle Pneumonie. Das pathologische Bild kann aber auch variieren; je nach dem, welche Begleiterreger beteiligt sind. Gerade unter Mitbeteiligung der PRRS können Erreger, die nicht hochpathogen sind, zu schweren Lungenschäden führen.

In solchen Fällen ist immer eine PRRS Infektion diagnostisch abzuklären und gegebenenfalls zu einer Impfung gegen die PRRS zu raten. Spätester Impfzeitpunkt sollte vier Wochen vor Infektionsbeginn sein, um eine rechtzeitige Ausbildung der Immunität vor Felderregerkontakt zu gewährleisten. Grundsätzlich ist auch zu kontrollieren, ob eine sichere Impfdecke in der Sauenherde besteht.

zurück zur Übersicht