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Fall des Monats April 2005

Komplexe Probleme in einem Mastbetrieb
J. Jungbloot, Praxis Dr. Heggemann, Bahnhofstr.69, 25782 Tellingstedt 

Der Bestand
Hier soll ein Mastbetrieb mit mehreren Altbauställen, der Atemwegsprobleme hat, vorgestellt werden. Die Ställe werden im Rein- Raus- Verfahren abteilweise belegt. Die Läufer werden
ausschließlich von einem Sauenhalter direkt bezogen. Die Ferkel wurden bei dem Sauenhalter gegen PRRS mit einem Lebendimpfstoff (amerikanischer Stamm/ 1ml!) in der zweiten Lebenswoche, gegen Mycoplasmen mit einem One- Shot- Impfstoff beim Absetzen und gegen App Serotyp 2+6 mit einem bestandsspezifischen Impfstoff, zweimalig im Abstand von 2 Wochen, auf dem Flatdeck geimpft. 
Die Einstallung in den Mastbestand verlief bisher problemlos. Bei vereinzelten Partien kam es Mitte Mast zu Hustenproblemen, die auf eine Bordetellen/Streptokokken- Infektion zurückzuführen war. Diese lies sich gut mit einem Trimethoprim/Sulfonamid- Präparat (TMS) behandeln.


Der klinische Fall
In einem Abteil traten während der Mittelmast ungewöhnlich schwere Pneumonien auf. Die Tiere lagen apathisch in den Buchten mit Fressverweigerung, zeigten starkes Flankenschlagen und trockenen Husten. Der erster Verdacht, Influenza, wurde nach dem Erfassen der Rektaltemperaturen, die zwischen 39,2 und 40,2 °C lagen, nicht bestätigt. Die sonst übliche Behandlung mit TMS blieb ohne Wirkung. Deshalb wurde nach umfassender Probenentnahme die Behandlung auf Tetracyclin-HCL (in früheren Resistogrammen wirksam) umgestellt, aber auch damit trat eine Besserung nur allmählich ein.
Vierzehn Tage später erkrankten frisch aufgestallte Läufer. Sie bekamen Durchfall unterschiedlicher Qualität und zeigten vereinzelt klinische Symtome, wie sie für eine Circovirus-Infektion typisch sind (PDNS/PMWS). Spätere Ferkellieferungen bekamen in der Vormast neben den Durchfällen massive Circovirusprobleme.
 

Diagnostik


Sektion

  • aus dem an Lungenentzündung erkrankten Abteil:
    hochgradig haemorrhagisch nekrotisierende Pleuropneumonie infolge einer Infektion mit Actinobacillus pleuropneumoniae (App), Serotyp 2 (s. Bild rechts)
  • jüngere Tiere aus der Vormast:
    hochgradige Spitzenlappenpneumonie und fokale Hauptlappenpneumonie Erreger: Haemophilus sp., Streptococcus suis, Actinobacillus pleuropneumoniae (App)
    molekularbiologische Untersuchung: Mycoplasma hyopneumoniae, PRRSV (europäischer Genotyp), PCV 2 (Circovirus)

Kotproben

  • hämolysierende E. coli und Salmonellen nicht nachgewiesen
  • Lawsonia intracellularis (PIA) geringgradig
  • Brachyspira hyodysenteriae nicht nachgewiesen, Brachyspira murdochii hochgradig nachgewiesen

PRRS- Blutproben ELISA
  • frisch eingestallte Läufer: Titer von: 6+ / 2+ / 3+ / 5+ / 6+ (6= höchster Titer) 
  • Ende Vormast: Titer von: 6+ / 6+ / 3+ / 1+ / 6+
  • Mittelmast: Titer von: 5+ / 6+ / 2+ / 6+ / 6+
  • Endmast: Titer von: 3+ / 4+ / 6+ / 6+ / 3+

PRRS- Blutproben PCR
  • Läufer: PRRS-EU 5x pos. / PRRS-US 1x pos. und 4x neg. 
  • Mittelmast: PRRS-EU 5x neg. / PRRS-US 1x pos. und 4x neg.

Blutprobendiagnostik ist eine notwendige Untersuchung bei Bestandsproblemen.


Besprechung der Befunde
Es zeigte sich, dass die Läufer auf dem Flatdeck eine PRRS-Infektion mit EU-Stamm durchlaufen haben. Bis sechs Wochen nach einer PRRS-Infektion ist Virus nachweisbar. Der Nachweis erfolgt durch die PCR. Durch die Infektion gebildete Antikörper sind frühestens 3-5 Wochen nach der Infektion vorhanden und können 5-6 Monate bestehen. Der Nachweis geschieht durch den sog. ELISA-Test. In unserem Fall waren die Läufer bei Ankunft Virusträger und Antikörper positiv. In der Mittelmast waren nur noch Antikörper vorhanden. Daraus läßt sich die Schlußfolgerung ziehen, dass die Infektion Anfang Flatdeck stattgefunden hat. 
Die nachgewiesenen US-PRRS-Viren müssen der Impfung zugeordnet werden.
Vermuten lässt sich, dass die PRRS- Infektion zusammen mit einer Circovirus- Infektion abläuft. Das Circovirus wurde bei der Sektion gefunden.
Die beim Sauenhalter durchgeführten Impfungen führten zu keinen belastbaren Immunitäten. Vielmehr mußten sich die Tiere durch Mycoplasma hyopneumoniae und App Serotyp 2 mit schweren Lungenentzündungen auseinandersetzen.
Die schlechte Tiergesundheit führte dazu, dass Brachyspira murdochii, eigentlich nur ein fakultativ pathogener Keim, zu massiven Durchfällen führen konnte.
 

Weitere Vorgehensweise

Die Befunde wurden dem Sauenhalter vorgestellt und um eine gemeinsame Strategie gebeten. Sauenhalter und sein betreuender Tierarzt bestätigten beide, dass auf dem Flatdeck offensichtlich keine klinischen Probleme vorliegen würden. Doch nach durchgeführter Diagnostik auf dem Flatdeck zeigte sich, dass dort eine massive PRRS- und Circovirusinfektion ohne Klinik vorhanden war.
Bei einem gemeinsamen Gesprächstermin wurden alle erfassten Befunde besprochen und folgende Änderungen in der Immunprophylaxe vorgenommen:

  1. Die Dosiserhöhung von 1ml auf 2ml bei der PRRS- Impfung 
  2. Die Mycoplasmenimpfung mit einem sog. Two- Shot- Impfstoff in der 1.und 3. Lebenswoche 
  3. Eine dritte App- Impfung noch einmal vor Ausstallung aus dem Flatdeck
  4. Weiterhin wurden zusätzliche Flatdeckplätze geschaffen, so dass eine geringere Belegedichte möglich wurde. Weiterhin benutzten Ferkelerzeuger und Mäster das gleiche Ferkelfutter in der Umstallungsphase.


Ergebnis
Die Situation bei dem Mäster hat sich relativ schnell entspannt. Durchfälle treten nicht mehr auf. PMWS- bzw. PDNS- Ferkel sind heute die große Ausnahme.
Die in der Mittelmast vorhandenen Lungenprobleme sind massiv zurückgegangen. Eine antibiotische Bestandsbehandlung ist nicht mehr notwendig.
Nach dieser erfreulichen Entwicklung wurde die dritte App- Impfung eingestellt.
 

Diskussion

Mehrere Faktoren führten zu der Problematik:
  1. Eine halbierte PRRS- Impfdosis von 1ml brachte keine belastbare Immunität; das PRRS- Virus konnte sich nahezu ungehindert vermehren.
  2. Die One- Shot- Impfung gegen Mycoplasma hyopneumoniae war hier unbefriedigend. Möglicherweise fördert die Impfung zum Zeitpunkt des Absetzens das Circovirus bei der Ausbreitung. Bewiesen ist diese Theorie nicht, aber es scheint doch einige Hinweise aus der Praxis zu geben. Nachdem diese Impfung vor 6 Monaten von Two- Shot auf One- Shot umgestellt wurde, wird jetzt wieder zweimal gegen M.hyo. geimpft.
  3. Die gemeinsame Infektion von PRRS- und Circovirus führte zum Zusammenbruch des Immunsystems; deshalb konnte die App- Impfung nicht die gewünschte Schutzwirkung entfalten.

Dass auf dem Flatdeck keine sichtlichen Probleme auftraten, spricht dafür, dass neben PRRS und PCV 2 keine weiteren pathogenen Erreger auf die Ferkel einwirkten. Kamen weitere Belastungssituationen wie Transport, Futterumstellung und Umstallung in die Mast dazu, zeigte sich eine massive Immunsuppression. Die Tiere erkrankten an Sekundärinfektionen und später auch an PDNS und PMWS.
Bei der PDNS (Porcine Dermatitis and Nephropathy Syndrome) sind massive Hautblutungen, die erst punktförmig und später immer flächiger werden, zu sehen. PMWS (Postweaning Multisystemic andWasting Syndrome) zeigt sich durch Kümmern, Blässe, Gelbfärbung und Durchfall, sowie generell durch erhöhte Verluste.
Bemerkenswert erscheint mir, wie hier durch kooperative Zusammenarbeit zwischen Ferkelerzeuger, Mäster und den Tierärzten das Problem gelöst wurde. Damit konnte wieder ein besserer Gesundheitsstatus und damit eine profitable Mast hergestellt werden.

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