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Fall des Monats April 2006

Alle Jahre wieder
Dr. Reinhold Heggemann, Bahnhofstr. 69 in 25782 Tellingstedt 

Die Bestände 
Diesen Monat stellen wir Ihnen zwei Fälle aus der Praxis vor, die im Verlauf ganz unterschiedlich waren, aber dennoch die gleiche Ursache hatten. Der erste Fall betraf einen Sauenbetrieb, der zweite einen Mastbetrieb. Diese Fälle treten nur in den Wintermonaten auf.  


Die beiden Fälle 
Der Sauenbetrieb beschrieb bei einem Bestandsbesuch, dass in letzter Zeit mehrere Aborte kurz vor dem Abferkeltermin stattgefunden hätten. Es traten auch vermehrt totgeborene Ferkel auf, die normal entwickelt waren. Außerdem erschienen dem Besitzer die Ferkel insgesamt häufiger lustlos und träge. 
Der Mastbetrieb hatte in ein leeres Abteil am Nachmittag 120 Ferkel eingestallt, von denen am nächsten Morgen 117 verendet waren. 


Die Untersuchung 
Im weiteren Gespräch mit dem Sauenhalter und Besichtigung des Stalles, stellte sich heraus, dass es momentan aufgrund der kalten Witterung teilweise schwierig sei, die entsprechende Temperatur in den Ställen zu halten. Insbesondere die Abferkelabteile bereiteten Probleme, zumal die Ferkelnester nicht mit einer Fußbodenheizung ausgestattet waren. Die entsprechenden Abferkelgruppen wurden so früh wie möglich in die Abferkelabteile verbracht, die dann zusätzlich mit den für die Ferkelnester vorhandenen Gasstrahlern aufgeheizt wurden. Bei der Besichtigung der Strahler fiel auf, dass bei etlichen Geräten die Luftfilter nicht mehr vorhanden waren. Viele brannten mit einer bläulichen Flamme. An die letzte Reinigung und Inspektion der Gasstrahler konnte sich der Besitzer nicht erinnern. 
Fehlende oder verdreckte Luftfilter können zu unsauberer Verbrennung und erhöhter Kohlenmonoxidbelastung führen

Die Sauen zeigten sich relativ unauffällig; lediglich bei 3 von 10 Sauen war eine erhöhte Atemfrequenz von ca. 40 Atemzügen/Minute festzustellen (normal ca. 15-20). Die vorhandenen Saugferkel wirkten insgesamt schläfrig und träge. Totgeborene Ferkel waren zu diesem Zeitpunkt nicht vorhanden. 
  
Die Situation im Mastbetrieb war eine ganz andere. Diese war von einer hohen Dramatik gekennzeichnet. Von den 120 am Vortag eingestallten Ferkeln lagen 117 verendet in den Buchten. Bei vielen Tieren fiel die blasse, bläuliche Hautfarbe auf. Die überlebenden Schweine fielen beim Vortreiben durch einen unsicheren, tastenden Gang auf. Die noch verbliebenen 3 Tiere wurden getötet und zur Untersuchung gebracht; auch um etwaige Tierseuchen ausschließen zu können. Eine Kontrolle der Wasserversorgung ergab keine Mängel. Des weiteren wurde in Absprache mit dem Futterlieferanten eine Futterprobe gezogen. Auf Befragen gab der Besitzer an, dass Abteil bereits 2 Tage vor Einstallung der Tiere mit einem dieselbetriebenen Aggregat aufgeheizt zu haben und die Heizung auch in der letzten Nacht betrieben zu haben. Dazu wurde die Dieselheizung unmittelbar vor dem Abteil installiert. Die Überprüfung der Lüftung ergab, dass diese aufgrund der extrem kalten Witterungslage kurzfristig außer Betrieb genommen worden war. 
 









Gaskanonen und -strahler müssen beim Einsatz im Tierbereich regelmäßig gewartet werden



Die Untersuchung der 3 Mastferkel ergab keinerlei Hinweis auf eine infektiöse Krankheit oder gar Tierseuche. Bei der Sektion fiel eine kirschrote, helle Farbe des Blutes auf. Ebenfalls fanden sich in der Unterhaut, im Muskelgewebe und in der Leber hellrote Verfärbungen. Bei zwei Tieren konnten in der Brusthöhle ca. 400 ml einer hellroten, wässrigen Flüssigkeit gefunden werden. 
  
Letztendlich lautete in beiden Betrieben die Diagnose: Kohlenmonoxidvergiftung. Im Sauenbetrieb in einer latent vorhandenen Form und im Mastbetrieb in der hoch dramatischen, akuten Variante.   


Diskussion 
In der kalten Jahreszeit kommt es immer wieder zu Kohlenmonoxidvergiftungen beim Schwein. Die Häufigkeit nimmt dabei proportional zur sinkenden Temperatur und den steigenden Energiepreisen zu. Auf der einen Seite wird vermehrt geheizt und auf der anderen weniger oder im Extremfall gar nicht gelüftet. Kohlenmonoxidvergiftungen können bei der Verbrennung von fossilen Brennstoffen wie Koks, Öl, Diesel, Benzin oder Gas entstehen. Die häufig geäußerte Meinung, dass Gas doch ungefährlich sei und quasi rückstandslos verbrennt, ist so nicht richtig und gilt erst recht dann nicht, wenn Gasstrahler nicht gewartet oder gereinigt sind und es zu einer unsauberen Verbrennung kommt. Auch ein zu niedriger Gasdruck kann eine unsaubere Verbrennung verursachen. Diese ist an einem blauen Flammenbild zu erkennen. Die Konzentration von Kohlenmonoxid (CO) wird in drei verschiedenen Versionen angegeben. Entweder als ml/m³ Luft oder in ppm (parts per million), also Anteile CO pro 1 Million Teile Luft. Eine andere Angabe ist in Volumen-% CO möglich. Um die Werte vergleichen zu können, hier eine kurze Übersicht: 1000 ml CO/m³ Luft = 1000 ppm oder 0,1 Vol.-% CO. Die zulässige maximale Arbeitsplatzkonzentration (MAK) beträgt für den Menschen lediglich 30 ppm. 
  
Beim Schwein kann es bereits ab 100-200 ppm CO zu Auswirkungen kommen. Diese latente, nicht dramatisch verlaufende CO- Einwirkung, wird gerade in Sauenbetrieben, die mit Gasstrahlern arbeiten, immer wieder unterschätzt! Bereits bei dieser relativ niedrigen Konzentration treten vermehrt Totgeburten normal ausgebildeter Ferkel auf. Ebenfalls sind Frühgeburten (nicht Spätaborte!) zu beobachten, die häufig mit verlängerter Geburtsdauer und einem erhöhten Anteil lebensschwacher, träge wirkender Ferkel verbunden sind. Das Saugbedürfnis dieser Ferkel kann zudem deutlich herabgesetzt sein. Bei Konzentrationen über 200 ppm kann auch bei den Muttersauen eine direkte Wirkung in Form von Benommenheit, Schläfrigkeit, Laufstörungen, Gleichgewichtsstörungen bis hin zu Koma und Tod (ab ca. 1000 ppm) beobachtet werden. 
  
Die Konzentration von Kohlenmonoxid kann über verschiedenen Methoden nachgewiesen werden. Bei lebenden Tieren ist ein indirekter Nachweis über die Bestimmung von Carboxyhämoglobin aus dem Blut möglich. Dieser Wert fällt allerdings nach Beendigung der CO-Exposition rapide ab, so dass die Probenentnahme möglichst innerhalb von 60 Minuten erfolgen sollte. Dazu sind Lithium-Heparin Röhrchen zu verwenden, die nach der Blutentnahme luftleer und luftdicht zu verschließen sind. Werte über 10% CO-Hämoglobin sind als kritisch zu bewerten. 
Eine direkter Nachweis von CO ist über die Untersuchung der Stallluft mittels Gasspührröhrchen möglich. Die Untersuchung sollte an verschiedenen Orten und in Tierhöhe durchgeführt werden. Konzentrationen von mehr als 30 ppm CO in der Luft sind als kritisch anzusehen. 


Pigpool-Fazit 
In der kalten Jahreszeit kommt es immer wieder zu Havarien durch Kohlenmonoxidvergiftungen. Insbesondere die latente, relativ niedrige Exposition mit CO ist aber viel häufiger und wird gerade in Sauenbetrieben häufig unterschätzt. Hier entstehen große wirtschaftliche Schäden durch totgeborene und lebensschwache Ferkel etc. Daher sollten Gastrahler vor der Wintersaison von einem Fachmann gewartet werden. Die Luftfilter müssen regelmäßig gereinigt und das Flammenbild häufiger kontrolliert werden. Andere fossile Brennstoffe wie z.B. Diesel oder gar Koks sollten im Tierbereich niemals eingesetzt werden.   

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