Fall des Monats April 2007
Vermehrte Todesfälle bei Sauen
Christin Lehmann, Jens Jungbloot, Praxis Dr. Heggemann in 25782 Tellingstedt
Der Bestand
Es handelt sich um einen Ferkelerzeuger mit ca. 300 Sauen. Jungsauen und Sperma werden zugekauft. Ein geringer Teil der Ferkel wird auf einem Außenstandort selbst gemästet, der größte Teil mit 28 kg Lebendgewicht verkauft.
Die Sauen werden regelmäßig gegen Parvovirose und Rotlauf, sowie gegen Influenza geimpft.
Der Bestand ist frei von PRRS und PCV 2 (Circovirus) positiv.
Der Fall
Der Landwirt informierte per Telefon den Tierarzt, dass in den vergangenen 5 Tagen 4 Sauen verendet sind. Weitere Angaben konnten nicht gemacht werden, da der Landwirt derzeit den Stall mit Hilfspersonal betreute und nicht selber vor Ort war.
Die Untersuchung
Der Tierarzt veranlasste die Verbringung von 2 frisch verendeten Sauen zur Untersuchung ins Labor.
Beim sofort durchgeführten Bestandsbesuch konnten vom Tierarzt keinerlei Auffälligkeiten festgestellt werden. Die Körpertemperaturen lagen im Normbereich, Veränderungen in den Leistungsdaten (Aborte, Umrauscher, Verluste) waren nicht nachweisbar.
Weil als mögliche Ursache für die Verendungen auch das Futter nicht ausgeschlossen werden konnte, wurde vorsorglich eine repräsentative Futterprobe entnommen und zur Untersuchung in ein Labor geschickt.
Das Ergebnis
Bei beiden Sauen wurde als Todesursache eine Einzeltiererkrankung festgestellt. Eine Sau verstarb infolge eines Milzrisses mit anschließender innerer Verblutung, die andere an den Folgen einer Leberlappendrehung. Ein Hinweis auf eine infektiöse Todesursache wurde nicht gefunden, allerdings ergab die bakteriologische Untersuchung bei einer Sau einen hochgradigen Gehalt an Clostridium perfringens im Darm. Dies wurde in der Sektionsbeurteilung aber nicht als Grund für die Verendung angesehen.
Der Verlauf
Da der Befund keinen eindeutigen Hinweis bzw. keine gemeinsame Ursache auf die Verendungen ergeben hatte und das Ergebnis der Futteruntersuchung noch nicht vorlag, ließ der Landwirt als Vorsichtsmaßnahme das Silo mit dem Sauenfutter leeren und reinigen. Über einen Zeitraum von 2 Wochen traten keine weiteren Todesfälle bei den Sauen auf, womit die Möglichkeit immer wahrscheinlicher wurde, dass das Futter ursächlich mit den Verendungen in Zusammenhang gestanden haben könnte.
Allerdings „enttäuschte“ das mittlerweile eingetroffene Ergebnis der Futteruntersuchung:
Die auf Ochratoxin A und DON (Desoxynivalenol, früher Vomitoxin) untersuchte Futterprobe war unauffällig und die Toxingehalte lagen unterhalb der Nachweisgrenze.
Dann erfolgte erneut ein Anruf des Landwirts, dass 3 Jungsauen innerhalb einer Woche verendet seien. Zwei dieser Sauen waren nach Angaben des Mitarbeiters unmittelbar nach dem Verenden stark aufgegast.
Aufgrund der Tatsache, dass bei der bakteriologischen Untersuchung der vorher verendeten Altsauen eine hohe Kontamination mit Clostridien festgestellt worden war, vermutete der Tierarzt doch einen möglicherweise ursächlichen Zusammenhang zwischen den Todesfällen und einer Clostridieninfektion. Allerdings passte die Tatsache, dass Clostridium perfringens bei den ersten Verendungen gefunden wurde, nicht so recht ins Bild. Diese Clostridienart wird eigentlich nicht mit plötzlichen, perakuten Verendungen bei Sauen in Verbindung gebracht.
Weiteres Vorgehen
Da das übermäßig schnelle Aufgasen von verendeten Tieren als nahezu beweisend für eine Clostridium novyi Infektion ist, wurde als Sofortmaßnahme der Sauenbestand eine Woche mit Chlortetrazyklin behandelt. Bislang traten keine weitere Todesfälle auf.
Da Clostridien zu den Sporenbildnern gehören und extrem lange in der Umwelt überleben können, wurde vom Tierarzt als langfristige, vorbeugende Maßnahme die Bestandsimpfung der Sauen gegen Clostridium novyi mit einer handelsüblichen Vaccine eingeführt. Nach einer zweimaligen Grundimmunisierung im Abstand von 4 Wochen ist die Impfung unabhängig vom Produktionszyklus alle 5 Monate als Bestandsimpfung zu wiederholen.
Diskussion und Bewertung
Clostridieninfektionen stellen in der modernen Schweinehaltung ein permanent vorhandenes Risiko dar. Clostridien verursachen je nach Typ sehr vielfältige Krankheitsbilder und sind gerade unter nicht optimalen Umweltbedingungen extrem lange überlebensfähig.
So wird unter anderem auch der bekannte Wundstarrkrampf beim Menschen durch Clostridium tetani verursacht.
Clostridium novyi tritt immer wieder bei perakuten Todesfällen von Sauen in Erscheinung, wobei das äußerst schnelle Aufgasen der toten Tiere (innerhalb von 2 Stunden) einen wichtigen Hinweis auf diesen Erreger liefert. Häufig verenden Sauen an Cl. novyi auch im Abferkelstall ca. in der zweiten Laktationswoche. Dies wird ursächlich mit der hohen Futteraufnahme in Zusammenhang gebracht.
Clostridium perfringens hingegen verursacht in erster Linie Durchfälle und Verluste bei Saugferkeln. Hier spielen die sogenannten Typen C und A die Hauptrolle. Während die krankmachende Wirkung von Clostridium perfringens Typ C schon lange bekannt ist und mit handelsüblichen Impfstoffen bekämpft werden kann, war die schädigende Wirkung von Typ A lange umstritten, bzw. wurde sogar verneint. Mittlerweile hat sich aber allgemein durchgesetzt, dass auch Cl. perfringens Typ A sehr wohl Saugferkelverluste verursachen kann. Die Tiere verenden teilweise so perakut, dass äußerlich noch kein Durchfall aufgetreten ist. Um Ferkel gegen diesen Clostridientyp zu schützen, bedarf es der Herstellung eines bestandsspezifischen Impfstoffes, mit dem dann die Sauen vor dem Abferkeln zu impfen sind. Ganz wichtig bei der Diagnostik bzw. vor der Herstellung des Impfstoffes ist es, dass über einen längeren Zeitraum (unter Umständen mehrere Wochen) von verendeten Ferkeln Tupferproben untersucht und gefundenen Stämme gesammelt werden. Häufig werden dabei auch Coli-Stämme gefunden, die dann in den Impfstoff mit hinein gearbeitet werden können. So ist dann eine effektive und breit angelegte Bekämpfung von Ferkelverlusten – auch ohne Antibiotikaeinsatz- möglich.
Abschließend sei noch erwähnt, dass in der Pharmaindustrie an der Entwicklung eines Cl. perfringens Typ A Impfstoffes gearbeitet wird und somit wahrscheinlich ab 2008 zur Verfügung steht, was dann die Herstellung von stallspezifischen Impfstoffen überflüssig macht.