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Fall des Monats August 2010

Husten durch falsch eingestellte Lüftung
Dr. Reinhold Heggemann, Praxis für tierärztliche Bestandsbetreuung und Qualitätssicherung im Erzeugerbetrieb Schwein, 25782 Tellingstedt 

Der Bestand 

Diesmal geht es um einen Ferkelerzeuger, der als Familienbetrieb ca. 300 Sauen bewirtschaftet. Die Produktion läuft seit Jahren auf konstant hohem Niveau und in der letzten Zeit gab es keine größeren Probleme oder Vorkommnisse. Die Ferkel werden routinemäßig gegen PRRS, Circovirus und Mycoplasmen geimpft.
  
  
Der Fall 
Der Landwirt rief an und teilte mit, dass die verkaufsfähigen Ferkel, die übermorgen geliefert werden sollten, an Husten erkrankt seien und fast nicht mehr fressen würden. Auch Flankenschlagen mit hochfrequenter Atmung sei zu beobachten. Es sei nicht klar, ob die Tiere tatsächlich krank seien oder die extreme Wetterlage der letzten Tage mit Temperaturen von über 30° C am Tage und bis zu 17° in der Nacht dafür verantwortlich seien.
 
Es wurde noch für den gleichen Tag ein Besuchstermin vereinbart. 
 

Die Untersuchung 
Bei dem durchgeführten Besuch wurden die Ferkel in allen Flatdeckabteilen zunächst durch vorhandene Fensterscheiben vom Gang aus beobachtet, anschließend begangen und bei einigen Tieren stichprobenartig Temperatur gemessen.
Ergänzend wurde die Lüftungstechnik und die Steuerung der Lüftungsanlage einer Überprüfung unterzogen.
 

Die Ergebnisse   
Bereits in Ruhe zeigten viele Tiere eine stark beschleunigte Atmung, vereinzelt war Husten zu hören, der sich nach Auftreiben deutlich verstärkte und teilweise den Charakter eines Brüllhustens hatte. Die ältesten Ferkel wiesen die höchste Hustenhäufigkeit auf, die mit jüngerem Alter der Tiere abnahm. Temperaturmessungen ergaben Werte von 39,5° – 39,8° C und waren damit mittelmäßig, aber eindeutig erhöht. Insgesamt machten die Ferkel einen lustlosen Eindruck und die Futteraufnahme war deutlich reduziert.
 
Die Lüftungsanlage ist älteren Datums und technisch nicht auf dem neuesten Stand. So werden alle Flatdeckabteile zentral über einen Lüftungscomputer gesteuert. Dieser zeigte eine Vollauslastung der Lüfterkapazität an. Die Überprüfung der einzelnen Parameter ergab eine Solltemperatur von 20° C, max. Luftrate 100%, min. Luftrate 20%, die Spreizung (1-12) war auf 2 eingestellt.
             




Links: Steuergerät vor der Umstellung: Lüfter läuft auf Stufe 10 (max. Luftrate), rote Kontrollleuchte oben rechts.


Rechts: Steuergerät nach Umstellung: Lüfter läuft auf Stufe 5, rote Kontrollleuchte oben rechts.




Weiteres Vorgehen 
Zunächst musste der vorgesehene Verkauf der ältesten Mastferkel wegen akuter Erkrankung storniert und eine antibiotische Behandlung eingeleitet werden.. Dabei erfolgte die Initialbehandlung mittels Injektion und weiterführend 7 Tage oral über das Futter. Insgesamt mussten 900 Ferkel behandelt werden.
 
Die Einstellung der Lüftungssteuerung wurde entsprechend der Jahreszeit und der aktuellen Wettersituation wie folgt geändert:
 
- Erhöhung der Solltemperatur auf 24° C
- Erhöhung der Spreizung auf 6
- Begrenzung der max. Luftrate auf 80%
  
 








Problematisch ist die Zuführung relativ kalter Zuluft insbesondere über solche Elemente im sog. "Freistrahl-Verfahren".


   

Weiterer Verlauf
 
Die kombinierte antibiotische Behandlung brachte die Ferkel innerhalb von 7 Tagen wieder zur Genesung. Bereits am Folgetag zeigten die Tiere nach der Injektionsbehandlung ein deutlich verbessertes Allgemeinbefinden und eine deutlich gesteigerte Fresslust.
 
Die Veränderungen an der Lüftungssteuerung bewirkten in der Summe das ganz wesentliche Ziel die Temperaturschwankungen im Stall zu begrenzen und die Übergänge „weicher“ zu gestalten.
 
  
Diskussion  
Jedes Jahr kommt es immer wieder im Sommer bei extrem hohen Temperaturen und/oder Temperaturschwankungen zu Atemwegserkrankungen insbesondere bei jüngeren Aufzuchttieren oder in der Mast.
 
Um diese Schwankungen abzupuffern muss die Lüftungssteuerung entsprechend- wie oben beschrieben- geändert werden. Neuere Lüftungsanlagen führen diese Schritte häufig schon automatisch aus, wenn die Tag-Nachttemperaturen erheblich voneinander abweichen.
 
Höhere Temperaturen werden von den Tieren wesentlich besser vertragen als große Temperaturschwankungen. Durch Erhöhung der Solltemperatur, der Spreizung (K-Wert) und Begrenzung der max. Luftrate auf 80% können extreme Schwankungen wirkungsvoll abgefangen werden. Die Abfederung solcher Schwankungen sind unter Umständen für den Preis einer etwas schlechteren Luftqualität, insbesondere in den Morgenstunden, in Kauf zu nehmen.
 
Ein generelles Problem der Lüftungssteuerung besteht in der Tatsache, dass sich die Luftrate immer indirekt aus dem Abgleich Soll- und Isttemperatur ergibt. Bei einer Einstellung der Solltemperatur z.B. auf 21° C und einer Außentemperatur von über 25° C macht es keinen Sinn mehr, sich diese zu warme Luft auch noch mit einer Luftrate von 100% in den Stallbereich zu holen.
 
Unverständlich wirkt auch die Tatsache, dass viele Landwirte erstaunt sind, dass man die Spreizung zumindest im Sommer und Winter unterschiedlich einstellen muss (und kann!). Die Spreizung wird über den K-Wert eingestellt und 1 K entspricht in aller Regel 0,5° C. Bei einem kleinen K-Wert (geringe Spreizung) orientiert sich die Lüftung sehr eng an der vorgegebenen Soll- Temperatur und schaltet entsprechend schnell in die nächst höhere oder niedrigere Lüftungsstufe oder die Heizung wird zugeschaltet.
 
Bei einem hohem K-Wert (hohe Spreizung) reagiert die Lüftung entsprechend träger und toleriert größere Abweichungen vom Sollwert, bevor sie reagiert. Dadurch werden extreme Temperaturunterschiede abgefedert. Eine Anpassung der Lüftung zum „Sommerbetrieb“ senkt ganz nebenbei auch noch die Stromkosten. 

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