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Fall des Monats Dezember 2001

Absatzferkel mit Durchfall 

Der Betrieb
Ein ferkelerzeugender Betrieb mit 150 Zuchtsauen aus Niedersachsen bat im folgendem Fall um die Hilfe des Hoftierarztes. Auf diesem Betrieb werden die Ferkel im Alter von 3 Wochen in einen separaten Flatdeckstall verbracht. Ein Bereich des Flatdecks war in einem Altgebäude erst neu eingerichtet und ausgebaut worden. In diesem neu ausgebauten Stallabschnitt kam es im ersten Durchgang zu massiven Problemen.


Der Tierarztbesuch
Der klinische Gesamteindruck der 60 Ferkel im beschriebenen Flatdeck war äußerst schlecht. Ein hoher Prozentsatz litt an hochgradigem, wäßrig-gelben, schaumigen Durchfall, war apathisch, verweigerte die Futteraufnahme und wies erhöhte Körpertemperaturen auf. Drei Ferkel waren bereits verendet. Im Abferkelstall wurden keinerlei Krankheitssymptome festgestellt. Die Absetzgewichte bewegten sich auf hohem Niveau. 

Auf Grund des klinischen Erscheinungsbildes wurde die Verdachtsdiagnose "Durchfall durch eine E.coli-Infektion" gestellt. Es wurde sofort mit der Behandlung der erkrankten Tiere per Injektion begonnen, als Mittel wurde Colistin eingesetzt. Darüber hinaus wurde das Trinkwasser mit dem selben Wirkstoff mediziniert, um die Ausbreitung der Erkrankung einzudämmen. 

Zur Absicherung der Verdachtsdiagnose wurden vor Behandlungsbeginn Kottupfer von akut erkrankten Tieren entnommen und 2 Ferkel zur Sektion eingeschickt.


Untersuchungsergebnisse (1)
Die Untersuchungsergebnisse deckten sich mit der klinischen Diagnose in soweit, dass E.coli in großer Anzahl (hochgradig) nachgewiesen wurde. Daneben wurde eine mittelgradige Infektion mit Salmonella typhimurium var. kopenhagen festgestellt. Laut dem Resistenztest war Colistin bei beiden Keimen als Mittel der Wahl hoch wirksam.



Kontrolluntersuchung (1) 
Trotz der abgesicherten Diagnose und der Empfindlichkeit der Keime gegenüber dem eingesetzten Antibiotikum konnte kein durchschlagender Erfolg der Behandlung festgestellt werden. Es war lediglich eine Besserung der Durchfallsymptome feststellbar, doch die Ferkel nahmen viel zu wenig Futter auf, waren weiterhin apathisch und kümmerten.

Wiederum wurden Kotproben und Ferkel zur Untersuchung gebracht. Es wurde eine Untersuchung auf den Erreger der PIA (Porcine Intestinale Adenomatose), Lawsonia intracellularis, angeordnet.
 


Untersuchungsergebnisse (2)
L. intracellularis konnte in keiner der Proben nachgewiesen werden. Es wurden wiederum E. coli und Salmonellen gefunden, darüber hinaus wurde auch Clostridium perfringens nachgewiesen. 

Eine Behandlungsumstellung erfolgte auf eine anderes Antibiotikum, nämlich auf Apramycin. Auch dieses Mittel war im Resistenztest als wirksam gegen die gefundenen Erreger getestet. 


Kontrolluntersuchung (2)
Auch bei der 2. Kontrolluntersuchung konnte kein durchschlagender Erfolg der Behandlung festgestellt werden, das Bild im Stall war nach wie vor nicht zufriedenstellend: magere Ferkel, die einen apathischen Eindruck erweckten. Auch der Durchfall war bei vielen Tieren noch immer vorhanden, die Futteraufnahme nicht altersentsprechend. Die Tiere waren struppig und legten sich nach dem Auftreiben schnell wieder hin. Es war ein starkes "Auseinanderwachsen" in den Buchten zu beobachten.

Bei jedem Besuch des Betriebes wurden auch die Tiere im Abferkelstall klinisch untersucht. Weder bei den Sauen noch bei den Ferkeln waren bei den ersten beiden Besuchen Krankheitssymptome feststellbar.

Bei der 3. Untersuchung fielen Ferkel im Alter von knapp 3 Wochen auf, die eine sehr blasse, teilweise gelbliche Hautfarbe besaßen. Von diesen Ferkeln wurden 4 Blutproben entnommen und zur Untersuchung eingeschickt. 

 

Untersuchungsergebnisse (3)Bei allen 4 Blutproben wurde Eperythrozoonose, eine Infektion mit Eperythrozoon suis festgestellt.

Eperythrozoonose ist eine Erkrankung, die mit einer Anämie (Blutarmut) einhergeht. Die Symptome sind relativ unspezifisch, es werden Apathie, Fieber und in einigen Fällen Verfärbungen der Ohrränder beobachtet. Sie tritt meist nur nach Belastungen (Absetzen, Kastrationen, Umstallungen, Geburten, gleichzeitige Virusinfektionen) in Erscheinung.

Der Nachweis gelingt nur während eines akuten Fieberschubes, wenn sich der Erreger in den roten Blutkörperchen (Erythrozyten) vermehrt. Das führt zu einem Absterben der Erythrozyten und zur Anämie. Die Übertragung erfolgt durch direkten Blutkontakt, z.B. beim Besaugen von Kupierwunden, bei der oralen Aufnahme blutigen Urins oder durch Kannibalismus. Auch eine Verschleppung durch Instrumente wie Injektionskanülen oder OP-Instrumente, beispielsweise beim Kastrieren ist möglich, ebenso wie die Übertragung mittels Oberkieferschlinge.


Behandlungsumstellung
Für die an diesem Tag neu eingestallten Ferkel wurde eine erweiterte Medikation eingesetzt. Gegen die Eperythrozoonose ist Chlortetrazyklin das Mittel der Wahl. Zusätzlich wurde bei dieser Gruppe Apramycin eingesetzt um die Tiere vor den im Stall vorkommenden E. coli und Salmonellen zu schützen. Bei kontinuierlicher Aufstallung fungieren die älteren, bereits infizierten Tiere als Erregerreservoir. Der Keimdruck ist dann so hoch, dass die frisch abgesetzten Ferkel in der Regel erkranken. Eine gründliche Reinigung und Desinfektion war zu diesem Zeitpunkt nicht möglich, da der Stall nicht leer geräumt werden konnte. Dies wurde aber so schnell als möglich nachgeholt um den Infektionsdruck zu senken.


Kontrolluntersuchung (3)
Beim Kontrollbesuch konnte ein völlig verändertes Bild dieses Bestandes beobachtet werden. Die behandelten Ferkel im Flatdeck entsprachen in Größe und Entwicklung ihrer Altersstruktur, sie machten einen gesunden Eindruck. Die Futteraufnahme entsprach der Norm, Durchfälle oder Husten konnte nicht beobachtet werden. 

Es wird nichts desto trotz noch einige Zeit dauern, bis die Eperythrozoonose aus diesem Bestand "getilgt" ist. Die Erkrankung lässt sich mit antibiotischer Behandlung nicht heilen, der Erreger zieht sich nur zurück und verursacht keine Symptome mehr. Nur durch ein strenges Hygienemanagement (vor allem beim Kastrieren und Impfen der Ferkel) und der Vermeidung von zusätzlichen Stressfaktoren (sehr gute Haltungsbedingung um den Absetzzeitpunkt und möglichst niedriger Keimdruck) kann dauerhaft ein Erfolg erzielt werden.
  

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