Fall des Monats Dezember 2005
Plötzliche, gehäufte Todesfälle in einer Sauenherde
Dr. Harald Grunert, 23996 Bad Kleinen und Dr. Reinhold Heggemann, 25782 TellingstedtDer Bestand:
Heute wollen wir Ihnen einen nicht alltäglichen Fall aus der Praxis vorstellen. Es handelt sich hier um einen relativ großen Betrieb mit 550 Sauen und 880 eigenen Mastplätzen, der in der Vergangenheit immer einen sehr guten Gesundheitsstatus hatte und ein sog. geschlossener Bestand ist. Die Remontierungssauen werden im eigenen Betrieb herangezogen; lediglich Sperma wird zugekauft. Die Tiere sind Mycoplasmen-, PRRS-, PIA- und PCV2- (Circo) frei. APP, Rh. athr. (Schnüffel) spielen selbstverständlich ebenfalls keine Rolle.
Der Fall:
Zunächst verendete eine Sau im Eroscenter, was als singuläres Ereignis bewertet wurde. Eine Woche später verendeten dann plötzlich 25 Sauen innerhalb der nächsten 14 Tage. Beobachtet wurden dabei vorhergehende Appetitlosigkeit, Absetzen von blutigem bis teerartigem Kot und Blässe (Anämie).
Weiteres Vorgehen:
Aufgrund des rasanten Fortschreitens der Erkrankung innerhalb des Bestandes wurde eine Notfalltherapie mit Tylosinphosphat eingeleitet, da der Verdacht auf eine akute Lawsonieninfektion (PIA) bestand.
Verlauf:
Selbst unter der Medizinierung verendeten in der Gruppenhaltung noch 25 Sauen, während bei den in Kastenständen gehaltenen Sauen das Krankheitsgeschehen unter der Medikation sofort zum Erliegen kam. Letztendlich konnte das Krankheitsgeschehen in der Gruppenhaltung deutlich später und nur mit relativ hohen Tylosindosen zum Erliegen gebracht werden.
Die Untersuchung:
Parallel zu der Notfalltherapie wurden verendete Sauen zur Untersuchung gebracht.
In der Sektion konnte eine hochgradige hämorrhagische, proliferative Ileitis („blutige Darmentzündung“) diagnostiziert werden.
Ferner gelang der Nachweis von Lawsonia intracellularis. (Vergleiche auch den Artikel auf unserer Internetseite: „ PIA- Eine sich ausbreitende Krankheit macht Schlagzeilen“. Hier können Sie auch die verschiedenen möglichen Verlaufsformen einer Lawsonien-Infektion nachlesen). Zusätzlich konnte die bakteriologische Untersuchung noch Clostridium perfringens, Typ A nachweisen.
Weiterer Verlauf und Diskussion:
Obwohl unter der Medizinierung die akuten Todesfälle gestoppt werden konnten, traten dennoch weitere wirtschaftliche Schäden auf: 6 Sauen abortierten, die Umrauscherrate stieg kurzfristig auf 25%, einhergehend mit verlängertem Umrauschintervall. Die in der Folge geborenen Ferkel wiesen geringere Geburtsgewichte als gewöhnlich auf. Die Mast zeigte sich zu Beginn des Geschehens in der Sauenherde klinisch unauffällig. Als die Medizinierung der Sauen begonnen wurde, war der angrenzende Maststall nachweislich frei von PIA. Bereits eine Woche später verendeten allerdings auch in diesem Bereich innerhalb von 4 Tagen 8 Tiere mit einem Gewicht von ca. 80 kg. Um zukünftig eine störungsfreie Produktion zu gewährleisten, wurde nach Abklingen der akuten Symptome entschieden die Ferkel gegen PIA zu impfen. Dies ist seit ca. 1 Jahr mit einem Lebendimpfstoff der Fa. Boehringer möglich. Es handelt sich hier um einen Impfstoff, der nach dem Absetzen der Ferkel oral mittels eines Troges oder per Drench verabreicht werden kann. Ebenfalls werden die eigenen Remontierungssauen vor Umstallung ins Eroscenter gegen PIA geimpft.
Fraglich ist nach wie vor, wie die Erreger in den Bestand gekommen sind. Der Betrieb ist ein sogenannter geschlossener Bestand, in dem nur Sperma zugekauft wird, welches als Eintragsquelle ausgeschlossen werden kann. Der Bestand verfügt über eine exzellente , isolierte Außenlage mit entsprechenden Hygienemaßnahmen.
Der Fall zeigt wieder einmal eindrucksvoll, wie vehement Erstinfektionen innerhalb eines Bestandes verlaufen können. Dies ist allerdings nicht verwunderlich, da der Erreger auf eine völlig ungeschützte, voll empfängliche Population trifft. Nach dem Schneeballprinzip mit Infektion, Vermehrung, Ausscheidung, wieder Infektion usw. entwickeln Erstinfektionen eines Bestandes eine ganz eigene, nicht zu unterschätzende Dynamik. Wenn dann auch noch fördernde Faktoren - wie in diesem Fall die Gruppenhaltung der Sauen – hinzukommen, ist die Beherrschung oftmals schwierig und mit größeren Verlusten verbunden. Auch bei Erregern, die man eher von chronischen Infektionen kennt wie eben Lawsonien, Mycoplasmen, Hämophilus, etc. , ist größte Vorsicht geboten. Umfassende, schnelle Bestandsbehandlungen sind hier unbedingt angezeigt.