Fall des Monats Dezember 2008
Schöne Absatzferkel und dann kommen die Probleme
Jens Jungbloot, Praxis Dr. Reinhold Heggemann für Bestandsbetreuung und Qualitätsmanagement im Erzeugerbetrieb Schwein in 25782 Tellingstedt
Der Bestand
Der vorzustellende Betrieb hält eine Herde von 250 Sauen, die in verschiedenen Gebäuden gehalten wird. So sind Belegung, Wartebereich, Abferkelung, Flatdeck und Jungsauenbereich räumlich getrennt.
Die Ferkel werden an zwei verschiedene Mäster vermarktet. Die Herde ist PRRS positiv; daher erhalten die Sauen am 6. und 60. Produktionstag eine Impfung gegen PRRS. Des weiteren werden die Sauen gegen Influenza, Parvovirose, Rotlauf und Circovirus geimpft.
Die Abferkelungen erfolgen im 4-Wochenrhythmus; somit beträgt die Säugezeit 3 Wochen. Die Ferkel erhalten im Alter von 2 Wochen eine Impfung gegen Mycoplasmen.
Der Fall
Seit geraumer Zeit hat der Landwirt Probleme mit den Ferkeln im Flatdeck, wobei schlechtes Wachstum, vermehrtes Kümmern und Todesfälle im Vordergrund standen. Auf Empfehlung eines Beraters impfte er die Ferkel gegen PCV II. Der Gesundheitsstatus der Ferkel besserte sich wider erwarten nicht.
Ferkelgruppe mit Circo-Infektion
Ein erster Bestandsdurchgang wurde vereinbart. Bei diesem konnten keine Probleme in der Belegung, im Wartebereich und in der Abferkelung festgestellt werden. Die Ferkel wurden in einem sehr guten Allgemeinzustand abgesetzt. Wegen knapp bemessener Flatdeckplätze verblieben die Ferkel für eine Woche noch in der Abferkelbucht, bevor sie in das Flatdeck umgestallt wurden. Etwa im Alter von 6 Wochen waren erste klinische Symptome sichtbar: Auseinanderwachsen, struppiges Haarkleid, breiiger Kot, teilweise Lahmheiten und Husten. Die Verluste wurden mit 7 Prozent angegeben!
Ferkel mit Strptokokken-Infektion in typischer
Krampfhaltung und starrem Blick
Diagnostik und Ergebnisse
Von der frisch erkrankten Ferkelgruppe wurden drei Tiere ausgesucht und zur Diagnostik geschickt. Folgendes Sektionsergebnis wurde bei den drei Tieren festgestellt:
- fibrinöse Pleuropneumonie (Lungenentzündung)
- katarrhalische Enteritis (Darmentzündung)
- Leptomeningitis (Gehirnhautentzündung)
Der bakterielle Befund dazu lautete:
- Lunge : ß- häm. Streptokokken ++
Pasteurella multocida +
Haemophilus spec. ++
- Darm : E.coli nicht näher typisierbar +++
Clostridium perfringens +
- Gehirn : Steptococcus suis
Mittels PCR wurde auch Mycoplasma hyopneumoniae (EP) nachgewiesen.
Auf Grund fehlender Nachweise von PRRS und Circovirus, sowie der gefundenen Haemophilus- Keime wurden zur Absicherung zusätzlich noch fünf Ferkel (Ende Flatdeck) und fünf Jungsauen (120.Lebenstag) serologisch auf PRRS, PCV II und Glässersche Krankheit untersucht. Die Ergebnisse sehen Sie in der folgenden Tabelle:
Tier |
PRRS |
PCV II |
Glässersche Krankh. |
Ferkel 1 |
- |
- |
+ |
Ferkel 2 |
- |
- |
+ |
Ferkel 3 |
- |
- |
- |
Ferkel 4 |
- |
- |
+ |
Ferkel 5 |
- |
- |
- |
Jungsau 1 |
+ |
- |
- |
Jungsau 2 |
+ |
- |
- |
Jungsau 3 |
+ |
- |
- |
Jungsau 4 |
+ |
- |
+ |
Jungsau 5 |
+ |
- |
+ |
Diagnose
Die Untersuchungsergebnisse erbrachten in keiner Altersgruppe einen Nachweis für eine Circovirusinfektion. Auch die PRRS spielt hier keine Rolle. Die positiven PRRS-Antikörpernachweise bei den Jungsauen erklären sich durch die durchgeführte Impfung. Für die vorherrschende Klinik im Betrieb verantwortlich sind letztendlich die Streptokokken mit teilweiser Beteiligung von Haemophilus parasuis (Erreger der Glässerschen Krankheit). Der Nachweis von Mycoplasmen in der PCR hat keine praktische Relevanz, da die Ferkel unter Impfschutz stehen.
Behandlung
Die PCV II – Impfung der Sauen und der Ferkel wurde sofort eingestellt. Um die Streptokokkeninfektion zu bekämpfen erhielt jedes Ferkel in der Abferkelung nach der Geburt und nach dem Absetzen eine Injektion mit einem Ceftiofur- Depotpräparat. Nach dem Absetzen bekamen die Ferkel von der 4. bis zur 7. Lebenswoche über das Futter Amoxicillin ( 2 x 20 mg/kg u. Tag) und Colistin (4 mg / kg u. Tag).
Dieser massive Antibiotikaeinsatz musste für ca. drei Monate durchgeführt werden. Danach verbesserte sich die klinische Situation rapide und eine Metaphylaxe über das Futter mit Amoxicillin und Colistin für eine Woche bei Aufstallung in das Flatdeck erwies sich als ausreichend.
Weiterer Verlauf
Der Ferkelerzeuger konnte mit der Metaphylaxe von einer Woche die Ferkel stabil aufziehen. Es traten keine nennenswerten Probleme mehr auf. Die Verluste wurden auf unter 2 Prozent gesenkt und die Ferkel erreichten ein zufriedenstellendes Wachstum, was zur Folge hatte, dass sich die Verweildauer im Flatdeck um 1 Woche reduzierte.
Dadurch waren jetzt ausreichend Flatdeckplätze vorhanden und die Ferkel konnten sofort nach dem Absetzen in das Flatdeck umgestallt werden.
Etwa zwei Monate später meldete sich einer der beiden Mäster. Er hätte massive Probleme, Wachstumsdepression und erhöhte Verluste. Zusammen mit seinem Hoftierarzt erfolgte ein Bestandsbesuch. Die Tiere bis ca. 50 kg Gewicht waren klinisch völlig unauffällig und gesund. Die nächste Altersgruppe mit einem Gewicht bis 65 kg zeigte dagegen massivste Klinik in Form von Lungenentzündungen und PDNS. Alle älteren Tiere waren wieder ohne besonderen Befund.
Weitere Diagnostik
Die Klinik bei dem Mäster war ein deutlicher Hinweis für eine Circovirusinfektion (PCV II). Die älteren Masttiere waren noch durch eine früher durchgeführte Impfung beim Ferkelerzeuger geschützt. Die erkrankte Partie hingegen war ungeimpft. Die gesunden Tiere bis 50 kg Körpergewicht waren ein Hinweis für eine relativ späte Infektion. Um den Infektionszeitpunkt enger eingrenzen zu können, wurden von den erkrankten Schweinen fünf Tiere serologisch auf Circovirus -IgM und -IgG untersucht:
Tier |
IgM |
IgG |
Mastschwein 1 |
- |
++ |
Mastschwein 2 |
- |
++ |
Mastschwein 3 |
- |
++ |
Mastschwein 4 |
+ |
++ |
Mastschwein 5 |
+ |
++ |
Die abklingenden IgM und hoch positiven IgG Antikörper zeigen, dass die Infektion etwa 6 Wochen zurückliegen kann.
Weitere Behandlung
Auf Grund dieses Ergebnisses wurde mit dem zweiten Mäster Rücksprache gehalten. Allerdings hatte er keine Probleme. Also wurden nur die Tiere des betroffenen Mästers zwei Wochen vor dem Verkauf gegen Circo geimpft. Diese so geimpften zeigten in der Mast keine Probleme mehr.
Diskussion
In diesem Fall sind zwei Dinge offensichtlich geworden. Erstens ist nicht jedes Problem oder Wachstumsdepression mit einer PCV II – Infektion zu erklären. Alt bekannte Keime können sehr wohl für sich allein oder in Kombination erheblichen Schaden anrichten. Im vorliegenden Fall wurde die Streptokokken - Infektion der Ferkel auch durch den längeren Aufenthalt im Abferkelabteil nach dem Absetzen begünstigt.
Zweitens ist eine Circoinfektion nicht nur ein Problem der Ferkel und Läufer. Sie kann auch noch relativ spät stattfinden, wobei dann nach aller Erfahrung die Klinik und die Verluste um so dramatischer sind. Die Futterverwertung sackte auf 1:3,19 ab und die tägliche Zunahme lag nur noch bei 729 Gramm. Die Verlustrate in der Mast lag hier bei 9 Prozent und traten in der Mehrzahl der Fälle erst gegen Mastende auf.
Allgemein ist die Tendenz feststellen, dass PCV II –Infektionen immer häufiger später auftreten. Ursächlich dafür sind vermutlich zwischenzeitlich entstandene und zu einem überwiegenden Anteil durchimmunisierte Sauenherden, die stabil gegen PCV II sind und den Ferkeln eine maternale, passive Immunität vermitteln. Dadurch etabliert sich eine mögliche Circoinfektion immer mehr bei älteren Tieren.