Fall des Monats Februar 2009
Nicht immer sind es nur Erreger
Jens Jungbloot, Praxis für tierärztliche Bestandsbetreuung und Qualitätssicherung im Erzeugerbetrieb Schwein
Dr. Reinhold Heggemann, 25782 Tellingstedt
Der Bestand
Der hier vorgestellte Fall ereignete sich in einer 450èr Sauenherde mit einem Flatdeck auf einem zweiten Standort. Die Herde ist PRRS positiv und wird im Abstand von vier Monaten gegen PRRS geimpft. Des weiteren werden die Sauen produktionsbezogen in der Säugephase gegen Rotlauf und Parvovirose geimpft. Die Abferkelung findet im Wochenrhythmus statt, wobei die Säugezeit drei Wochen beträgt. In der zweiten Lebenswoche werden die Ferkel gegen Circovirose geimpft. Die Herde besitzt im Ganzen einen guten Gesundheitsstatus.
Der Fall
Zwei Wochen nach dem Absetzen der Ferkel fingen die ersten Tiere an zu kümmern. Es trat leichter Husten auf, verbunden mit vereinzeltem Nasenausfluss. Im weiteren Wachstumverlauf traten auch Schwanzbeißen und Ohrspitzennekrosen auf. Die Verlustrate stieg an. Da der Landwirt vor einiger Zeit auf ein preiswerteres Futter gewechselt hatte, vermutete er die Ursache im Futter und wechselte wieder zu einer hochwertigeren Versorgung. Der Wechsel brachte aber keine deutliche Verbesserung.
Diagnostik und Ergebnisse
Da die Ferkel nicht gegen Enzootische Pneumonie (Mycoplasma hyopneumoniae) geimpft wurden, sollte durch eine Verlaufskontrolle eine mögliche Mycoplasmeninfektion verifiziert werden. Dazu wurden jeweils fünf Blutproben Anfang, Mitte und Ende Flatdeck gezogen und serologisch auf EP untersucht. Sie waren alle negativ.
Im nächsten Schritt wurden zwei frisch erkrankte Ferkel zur Sektion gebracht. Der Befund lautete:
Ferkel 1: Organe pathologisch ohne besonderen Befund.
Bakteriologischer Befund – Lunge und Organe: alpha-häm. Streptokokken, Klebsiella pneumoniae ; Gehirn: alpha-häm. Streptokokken, gamma-häm. Streptokokken, Staphylococcus hyicus und Haemophilus sp.
Ferkel 2: Organe pathologisch ohne besonderen Befund. Gelenke geringgradige fibrinöse Polyathritis.
Bakteriologischer Befund – Lunge und Organe: Bordetella bronchiseptica, Pasteurella aerogenes und alpha-häm. Streptokokken; Darm: E. coli; Gehirn: gamma-häm. Streptokokken; Gelenke: alpha-häm Streptokokken, Staphylococcus hyicus und Mycoplasmen spec,
Diagnose, Behandlung und Verlauf
Auf Grund des Sektionsergebnisses wurde gegen eine Streptokokken – Infektion als vermutete Hauptursache behandelt. Die Behandlung bestand in einer oralen Amoxicillingabe (10 mg/kg KGW alle 12 Stunden) über einen Zeitraum von zehn Tagen. Das Kümmern der Ferkel und die Verluste gingen deutlich zurück, aber die respiratorische Klinik war nach wie vor vorhanden. Es war zu vermuten, dass die nachgewiesenen Bordetellen entgegen des Resistenztestes nicht auf Amoxicillin reagierten. Deshalb wurden die Tiere zusätzlich mit Tetracyclin (85mg/kg KGW u. Tag) oral für fünf Tage nachbehandelt. Nach dieser therapeutischen Anpassung zeigten sich die Tiere klinisch gesund.
Weiterer Verlauf
Die Gabe von Amoxicillin und Tetracyclin wurde für die nächsten Wochen als Metaphylaxe beibehalten. Seitdem entwickelten sich die Ferkel sehr gut. Jedoch trat in einzelnen Abteilen zum Ende der Flatdeckaufzucht die Ohrspitzennekrose weiterhin auf. Die Untersuchung auf hämotrophe Mycoplasmen (Frühere Bezeichnung: Eperythrozoon suis) als möglichen Verursacher der Ohrspitzennekrosen verlief negativ.
Auffällig war, dass die Ohrspitzennekrosen in zwei Abteilen am häufigsten auftraten. Nach einer kritischen Begutachtung der beiden Abteile fiel auf, dass der Stichgang auch mit Spaltenboden ausgelegt war. Eine Überprüfung der Luftströme mittels eines Nebelgerätes erbrachte den Nachweis von Zugluft aus dem Güllekeller. Die einzelnen Abteile wurden nach und nach im Laufe der Jahre in einem Altbau eingerichtet und waren somit nicht baugleich. Die betroffenen Abteile hatten Türgangslüftung, Spalten auf dem Stichgang und einen großen, durchgängigen Güllekeller. So zog die Zuluft durch die Spalten vom Gang in den Liegebereich der Tiere. Nachdem die Spalten auf den Gängen mittels einer Gummimatte geschlossen wurden, traten keine Ohrspitzennekrosen mehr auf.
Diskussion
Im vorliegenden Fall, wird deutlich, dass suboptimale Ergebnisse in der Schweinproduktion häufig multifaktorielle Gründe haben können. Dazu gehören neben spezifischen Erregern auch Stallklima, Fütterung, Belegdichte, Tierbetreuung, und viele andere Faktoren. Gerade Ferkel reagieren sehr empfindlich bei Störungen des Optimums.
Hier brachte die Bekämpfung der vorgefundenen Erreger zwar eine Besserung, aber erst durch die weitere Beobachtung wurde die bauliche Ursache der Zugluft erkannt.
Absatzferkel brauchen noch eine höhere Raumtemperatur (28°C) die dann bis zur 8.Lebenswoche auf 22°C abgesenkt werden kann. Zugluft, egal ob warm oder kalt, führt zur Wärmeabgabe über die Haut und bedeutet letztlich Stress durch Abkühlung.
Im Tierbereich sollte die Luftgeschwindigkeit 0,1 bis 0,2 m/Sekunde nicht überschreiten. Ein optimaler Luftaustausch ist zwar notwendig, um Schadgase ab- und Sauerstoff zuzuführen, aber die Luftführung muss so gestaltet sein, dass auch bei hohen Luftraten keine hohen Luftgeschwindigkeiten im Tierbereich auftreten.
Ein kleiner praktischer Tipp zum Schluss: Sie können auch ganz ohne technische Hilfsmittel eine erste, grobe Überprüfung der Luftgeschwindigkeit vornehmen. Wenn Sie im Tierbereich an ihrem befeuchteten Handrücken eine deutliche Luftströmung spüren, ist die Luftgeschwindigkeit im kritischen Bereich oder zu hoch.