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Fall des Monats Juli 2005

Kannibalismus im Maststall 
Jens Jungbloot, Praxis Dr. Heggemann, 25782 Tellingstedt 

Das Beißen von Artgenossen ist ein weit verbreitetes Problem der Schweinemast, das aus tierschützerischen und wirtschaftlichen Gründen bekämpft werden muss. Oft gehört kriminalistisches Gespür dazu, um die Ursachen für dieses soziale Fehlverhalten zu finden. Häufig ist es auch ein multifaktorielles Geschehen. Hier sollen einige dieser Faktoren, die in der Literatur immer wieder genannt werden, aufgeführt werden:

Umwelt:

  1. zu hohe Stalltemperatur verbunden mit stehender schadgasreicher Luft durch zu geringe Luftraten (CO²-Gehalt über 0,35%)
  2. Zugluft, Luftgeschwindigkeiten über 0,2 m/sec im Tierbereich
  3. Überbelegung in den Mastabteilen
    • Vormast mindestens 0,33 m² je Tier
    • Mast mindestens 0,7 m² je Tier
  4. Hohe Lichtintensität durch direkte Sonneneinstrahlung
  5. Reizarme Umgebung, fehlendes Spielzeug (z.B. Ketten, Beißstern, Holz, Spielball, etc.)
  6. Starker Fliegenbefall

 Ernährung:
  1. schlechtes Tier- Fressplatzverhältnis
  2. ständig wechselnde Futterzeiten
  3. Futterzusammensetzung
  • Rohfasergehalt zu gering
  • Calciumgehalt unter 0,8% oder über 2%
  • Salzgehalt unter 0,5%
  • Energiegehalt zu hoch
  • Tierisches Eiweiß zu gering (Fischmehl!)
  • Eisen-, Kupfer-, Jodversorgung (Eisen 50-60 mg, Kupfer 4-5 mg, Jod 0,15 mg je kg Futtertrockenmasse) 
  • Unzureichende Wasserversorgung, zu geringe Anzahl von Tränkestellen

 Tiergesundheit:
  1. Anämie (Blutarmut) z.B. durch Eperythrozoonose
  2. Hautkrankheiten, Hautverletzungen z.B. durch Staphylococcus hyicus
  3. Juckreiz durch Räude
  4. Starker Endoparasitenbefall

 Management:
  1. Sehr frühes Absetzen führt häufig zum gegenseitigen Besaugen oder Massieren
  2. Strohlose Haltung

 Formen von Kannibalismus:



Schwanzbeißen





Flankenbeißen







Ohrenbeißen als Folge von Ohrnekrosen











Im folgenden sollen vier Beispiele aus der Praxis, die zu Kannibalismus führten, dargestellt werden:
  1. Ein Flatdeck mit Fensterfront zur Südseite führte zu intensiver Sonneneinstrahlung direkt in die Buchten. Nach dem Abdunkeln der Fenster und der Beleuchtung über Neonlicht war das Kannibalismusproblem behoben. 








    In einem neugebauten Maststall mit Breifutterautomaten kam es immer wieder zu Schwanzbeißereien. In den Buchten war immer Unruhe. Ursache war ein ungünstiges Tier- Freßplatzverhältnis. Deshalb wurde eine separate Tränkestelle eingerichtet. 









    In einem Vormaststall trat massives Schwanzbeißen auf. Hier war die Ursache eine falsch eingestellte Lüftung. Die Zuluft konnte wahlweise vom Gang (Winter) oder unter der Traufe (Sommer) gezogen werden. Es wurde vergessen die Traufeklappen im Winter zu schließen. Außerdem war die Luftgeschwindigkeit zu hoch. 







  2. In diesem Fall führte das Anbringen von Ketten in einem Mastbestand zum Beenden von Beißereien. Die Buchtenwände sind gemauert. Der Landwirt führte die Ketten umlaufend durch Edelstahlhülsen, so dass die Schweine aus den benachbarten Buchten „Tauziehen“ spielen können.












HINWEIS: Siehe auch unter Schwanzbeißen – Die Checkliste Rubrik: Infopool / Spezials 
  

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