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Fall des Monats Juli 2009

Und dann war der Durchfall weg! 
Dr. Reinhold Heggemann Praxis für tierärztliche Bestandsbetreuung und Qualitätssicherung im Erzeugerbetrieb Schwein, 25782 Tellingstedt 

Der Bestand 
Diesen Monat geht es nicht so sehr um ein ureigenes tierärztliches Thema, sondern um Hygiene und Management. Der Sauenbetrieb mit 500 Sauen hat bislang die Saugferkel als Babyferkel vermarktet und sich 2008 entschlossen einen eigenen Flatdeckstall zu bauen und die Ferkel selber bis ca. 28 kg aufzuziehen, um sie dann an einen Mäster zu verkaufen. 


Der Fall 
Die erste Absetzung in den neuen Ferkelstall (Flatdeck) erfolgte nach 3 Wochen Säugezeit ohne größere Probleme. Zu Beginn musste man sich erst an den neuen Stall gewöhnen, sich mit der Lüftung vertraut machen und sich die Prozesse einspielen lassen. Die zweite Absetzung 14 Tage später zeigte sich zunächst ohne Probleme, entwickelte aber dann nach ca. 5 Tagen Durchfall. Dieser war dünnbreiig bis wässrig und von gelb-grünlicher Farbe. Als Verdachtsdignose wurde Coli-Durchfall geäußert und eine Medikation mit Colistin über das Wasser eingeleitet. Parallel dazu wurden Kotproben entnommen und zur Untersuchung gebracht. 


Die Untersuchung 
Die Untersuchung der Kotproben ergab tatsächlich eine hochgradige Infektion mit E.coli und das eingesetzte Colistin wurde als wirksames Medikament durch den Resistenztest bestätigt. 


Weiterer Verlauf 
Zwischenzeitlich hatte sich die Situation im Stall auch deutlich entspannt und die Ferkel wiesen wieder normale Kotkonsistenz auf. Das Colistin wurde abgesetzt und der Fall schien erledigt. Es wurde vereinbart, dass bei der nächsten Absetzgruppe das Colistin metapylaktisch zum Einsatz kommen sollte. Bevor die neue Gruppe in den Ferkelstall kam, rief der Landwirt wieder an und berichtete, dass die Ferkel wieder den als überwunden geglaubten Durchfall aufwiesen. Als Farben seien von schokoladig bis gelblich alle Nuancen vorhanden. Es wurde ein Besuchstermin vereinbart. Nach dem Telefonat und dem Stichwort „schokoladig“ kam dem Autor sofort der Begriff „PIA“ in den Sinn. Sollte es sich hier um den seltenen Fall einer klinischen PIA-Erkrankung bereits im Flatdeck handeln? 


Weiteres Vorgehen 
Der Bestandsbesuch bestätigte die Schilderungen des Landwirts hinsichtlich der Durchfallintensität. In fast allen Buchten war Durchfall zu sehen; allerdings war die Farbgebung dann doch eine etwas andere als am Telefon geschildert. Schokoladiger oder rötlicher Kot wurde nicht gesehen, was für eine Infektion mit Lawsonien (PIA) oder auch Brachyspiren (Dysenterie) sprechen kann. Allerdings treten diese Erkrankungen in der Regel klinisch erst später in der Mast auf. 
Es wurden nochmals Kotproben und drei Blutproben entnommen und zur Untersuchung gebracht. Diese ergaben wieder einen massiven Befall mit E.coli und keinen Nachweis einer Lawsonien Infektion (ELISA und PCR). 

Da zwischenzeitlich weitere Absetzgruppen im Stall waren und sich der Durchfall weiterhin trotz nachweislich wirksamer Medikation latent zeigte, wurden Überlegungen angestellt, inwieweit andere Faktoren den Durchfall begünstigen könnten. Dabei geriet schnell die Art der Futterpräsentation ins Visier. 

Der Stall war mit sogenannten Swing Automaten ausgerüstet, bei denen die Ferkel durch Berührung das Futter eigenständig und spielerisch „erarbeiten“. Gleichzeitig liegt über zwei Tränkenippel direkt am Futterteller Wasser an, so dass hier Futter und Wasser quasi an der gleich Lokalisation angeboten werden. 

Dadurch ist allerdings der Bereich am Trog und auch die Umgebung der Automaten ständig mehr oder weniger mit feuchtem Futterbrei verunreinigt und gerade bei den warmen Temperaturen im Stall und durch die Tatsache, dass leicht verdauliche Futterbestandteile wie Milchprodukte und aufgeschlossene Getreideprodukte vorherrschen, ganz allgemein ein idealer Nährboden für bakterielles Wachstum. 

Durch die Tatsache, das unter den Automaten häufig Gummimatten installiert werden, leidet auch die Buchtenhygiene insgesamt ganz erheblich, in deren Folge dann auch in aller Regel ein Fliegenproblem entstehen kann. Eine zusätzliche Belastung ist in den rutschigen Böden und der häufig schlechten Luftqualität zu sehen. 

  

Verdreckte Futterschale und feuchte, rutschige Böden bei gleichzeitigem Futter- und Wasserangebot

Um diese Vermutung zu verifizieren, wurden zunächst in einem Abteil die Wasserzugänge direkt an den Automaten gesperrt. Dies war ohne weiteres und sofort möglich, da die Ferkel noch zusätzlich mittels einer sogenannten Kipptränke, in der ständig ein gewisser Wasserspiegel vorhanden ist, mit Wasser gut versorgt waren. 


Diskussion 
Ein Telefonat nach ein paar Tagen bestätigte die Vermutung. Der Landwirt berichtete, dass die Tröge und auch die Buchten insgesamt nach Abstellen der Wasserzufuhr wesentlich sauberer seien. Der Durchfall war ohne weitere Behandlung so gut wie verschwunden. Als Nebeneffekt konnte festgestellt werden, das die Kipptränken auch wesentlich sauberer gehalten wurden, was sich durch den jetzigen erhöhten Wasserkonsum an diesem Tränkesystem erklären lässt. 









Links: Wesentlich bessere Buchtenhygiene nach Unterbrechung


Rechts: Saubere Wasserversorgung jetzt ausschließlich über sog. Kipptränken



Als Konsequenz aus dieser Erfahrung wird jetzt an allen Automaten die direkte Wasserzufuhr gekappt und durch eine örtlich getrennte Wasserversorgung über die Kipptränken sichergestellt. 

Aus eigener Erfahrung kann der Autor sagen, dass es sich hierbei nicht um ein Problem eines bestimmten Herstellers handelt, sondern vielmehr um ein systembedingtes Problem. In der Vergangenheit wurden auch in anderen Betrieben mit dieser Fütterungstechnik der gemeinsamen Futter- und Wasservorlage vergleichbare Probleme gesehen und entsprechend behoben. 

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