Fall des Monats Juli 2010
PRRS- freier Zuchtbestand, Aufbau - Infektion - Sanierung
Dr. Reinhold Heggemann, Jens Jungbloot, Praxis für tierärztliche Bestandsbetreuung und Qualitätssicherung im Erzeugerbetrieb Schwein, 25782 Tellingstedt
Der Bestand
Es wird ein Kombibetrieb mit 350 Sauen vorgestellt. Dabei handelt es sich um einen Jungsauenvermehrer in einer sehr guten Lage. Dieser Betrieb ist räumlich in zwei Gebäude, die ca. 30 Meter auseinander liegen, geteilt. Einerseits die Sauenhaltung und das Flatdeck in Gebäude 1 sowie die Jungsauenaufzucht andererseits in Gebäude 2. Diese Tatsache ist für den Verlauf dieses Falles sehr wichtig.
Die Herde wurde erst 2008 als PRRS-freier Bestand neu aufgebaut und seitdem im in sich geschlossenem System ohne weiteren Tierzukauf geführt.
Der Betrieb wird alle 2 Monate mittels Blutproben auf PRRS untersucht.
Die Sauen erhalten Impfschutz gegen Parvovirose, Rotlauf und Influenza. Die Abferkelung ist wöchentlich und die Säugezeit beträgt 21 Tage. Nach der zweiten Lebenswoche werden die Ferkel gegen Enzootische Pneumonie und Circovirose geimpft. Es gab bis dato keine nennenswerten Gesundheitsprobleme.
Der Fall
Bei ausgelieferten Jungsauen wurden auf einem Kundenbetrieb in der Quarantäne serologisch bei 3 von 12 Tieren PRRS-Antikörper nachgewiesen. Dies wurde dem liefernden Zuchtunternehmen gemeldet, welches daraufhin sofort einen Lieferstopp für den Zuchtbetrieb aussprach. Im Lieferbetrieb gab es bis zu dieser Rückmeldung keinerlei klinische Anzeichen einer PRRS- Erkrankung. Um die gefundenen Antikörper zu verifizieren (Anm.: Es gibt relativ häufig falsch positive Befunde), wurde sofort ein umfangreiches Screening auf PRRS im Lieferbetrieb durchgeführt.
Diagnostik
Es wurde aus jeder Tiergruppe/ Abteil mindestens 5 Blutproben entnommen. So ergaben sich 20 Blutproben bei den Sauen, 10 Blutproben vom Flatdeck und 30 Blutproben aus der Jungsauenaufzucht, also insgesamt 60 Proben. Diese Blutproben wurden sowohl serologisch auf Antikörper, als auch mittels PCR (Polymerase Chain Reaction = Polymerase Kettenreaktion) direkt auf PRRS-Viren untersucht. Positive Antikörpertiter sind ab ca. 14 Tage nach einer Infektion zu erwarten. Die PCR-Methode ist sehr sensibel und weist bereits ab dem zweiten Tag nach einer Infektion auch kleinste Virusmengen nach.
Im Ergebnis der Serologie waren alle Sauen und Ferkel aus Gebäude 1 negativ. Von den 30 Blutproben aus der Jungsauenaufzucht in Gebäude 2 waren allerdings 23 Proben serologisch positiv.
In der PCR waren aber alle 60 Blutproben negativ!! Da dieser Befund widersprüchlich und unlogisch ist, wurden die Restproben zur Überprüfung in ein zweites Labor geschickt, welches viel Erfahrung mit der PRRS- Diagnostik und noch erweiterte Möglichkeiten in der Diagnostik besitzt. Die serologischen Ergebnisse wurden bestätigt, aber im zweiten Labor waren auch die entsprechenden Proben in der PCR positiv.
Klarheit und Sicherheit brachte hier nur die wiederholte Untersuchung von Blutproben.
Weiteres Vorgehen
Zwischenzeitlich war mit dem Zuchtunternehmen die weitere Vorgehensweise besprochen worden, mit dem Ergebnis, dass der Bestand auf jeden Fall als PRRS- freier Betrieb weitergeführt werden sollte. Um über Sinn oder Unsinn einer Sanierung im laufenden Betrieb mit nur einer Teilräumung des Bestandes entscheiden zu können, wurde sofort ein zweites Screening des Bestandes durchgeführt, auch um zu sehen, ob die Infektion im Bestand zwischenzeitlich weiter fortgeschritten war oder nicht.
Die positiven Blutproben beschränkten sich wieder wie bereits im ersten Screening ausschließlich auf den Jungsauenaufzuchtstall in Gebäude 2. Deshalb wurde entschieden, den Aufzuchtstall sofort zu räumen und anschließend komplett zu reinigen und zu desinfizieren, in der Hoffnung, die Infektion damit zu stoppen und die Sauenherde und die Absatzferkel retten zu können.
Dazu wurde der Betrieb sofort in zwei strikt getrennte Betriebsteile (infiziert und nicht infiziert) getrennt. Zur Reinigung gehörte natürlich auch das Entfernen der Gülle, die Reinigung der Güllekanäle sowie Reinigung der Luftwege und Entsorgung von Kleinmaterial und schlecht zu reinigenden Geräten. Diese Arbeiten wurden von externen Arbeitskräften durchgeführt, sodass das Stallpersonal ausschließlich nur im Sauenstall arbeiteten konnte.
Während der Reinigung waren die Lüfter geschlossen, um Austritt von PRRS- Viren bei der Reinigung vorzubeugen. Die Desinfektion wurde vor und nach einer Leerstehzeit von 4 Wochen zweimal durchgeführt.
Weitere Diagnostik
Während der Phase der Räumung und Reinigung und bis zu 6 Wochen nach der Räumung wurden wiederholt Sauen, Flatdeckferkel und die ausgelagerten Zuchtläufer im Pachtstall alle 2 Wochen auf PRRS mittels Serologie und PCR untersucht. Bei der Abschlussuntersuchung wurden aus jeder Gruppe 30 Blutproben zur Beprobung genommen. Alle Proben blieben sowohl serologisch als auch in der PCR , sodass von einer erfolgreichen Sanierung und wiederhergestellten PRRS- Freiheit ausgegangen werden konnte.
Ergebnis
Durch das schnelle und konsequente Handeln konnte die Sauenherde gerettet werden. Die Zuchtläufer im Pachtstall konnten noch als Jungsauen vermarktet werden. Damit blieb der wirtschaftliche Schaden in Grenzen und der Betrieb konnte innerhalb von vier Monaten wieder PRRS- freie Jungsauen liefern. Alle Maßnahmen zur Abwehr eines Erregereintrages wurden nochmals überprüft und Schwachstellen eliminiert. In unserem Fall war der Eintrag mit großer Wahrscheinlichkeit durch einen lokalen Schlachter erfolgt. Der Betrieb hatte in der Vergangenheit Schlachtsauen in der Jungsauenaufzucht bis zur Abholung durch den Schlachter zwischen gestallt und dann über eine Nebenrampe direkt aus dem Abteil heraus verladen.
Fazit
Eine PRRS- Sanierung ist unter bestimmten Gegebenheiten auch im laufenden Betrieb mit nur einer Teilrepopulierung des Bestandes möglich. Voraussetzung dafür sind schnelle, exakte Diagnostik, die wiederholt und begleitend durchgeführt werden muss. Befunde sollten dabei auch immer auf ihre Schlüssigkeit hin bewertet werden und im Zweifelsfalle durch ein zweites Institut verifiziert werden. Nicht alle Institute können alle Untersuchungen gleich gut durchführen und seriöse Institute haben auch mit der Weiterleitung von Probenmaterial an ein zweites Labor keine Probleme, dient es ja schließlich auch zur Überprüfung der eigenen Methodik. Unterschiedliche Ergebnisse haben auch nicht direkt etwas mit Können oder Nichtkönnen zu tun, sondern jedes Labor muss sich für eine Methodik entscheiden und Kompromisse bei der Sensitivität (Empfindlichkeit) und Spezifität (Exaktheit) eingehen. Eine hohe Sensitivität bedingt in aller Regel eine niedrige Spezifität und umgekehrt. Wichtig erscheint uns noch einmal der Hinweis, dass Untersuchungsergebnisse immer im Kontext und in Verbindung mit klinischen Erscheinungen oder pathologisch-anatomischen Veränderungen zu interpretieren sind. Auch die Anzahl der Proben ist entsprechend der Fragestellung, der Historie und des Untersuchungszieles in entsprechend großem Umfang zu wählen.