Fall des Monats Juni 2008
Seltene Hauterkrankung in einem Sauenbestand
Christin Lehmann, Praxis für tierärztliche Bestandsbetreuung und Qualitätssicherung im Erzeugerbetrieb Schwein Dr. Reinhold Heggemann, 25782 Tellingstedt
Der Bestand
In diesem Monat geht es um einen Bestand mit 250 Sauen und angeschlossener Mast. Der Betrieb ist PRRSV frei und PCV 2 positiv. Die Sauen werden gegen Parvo/ Rotlauf und gegen Coli/Clostridien geimpft, die Ferkel erhalten die Mykoplasmen- und PIA- Impfung. Seit Jahren werden bei einem ausgezeichneten Hygienemanagement konstant hohe Leistungen in der Abferkelung und in der Mast erzielt (PIC – Genetik).
Der Fall
Der Landwirt informierte den Tierarzt, dass in seinem niedertragenden Bereich mehrere Sauen seit einer Woche Hautveränderungen aufwiesen und dass die Tendenz zur Ausbreitung bestehe. Darüber hinaus gehende Symptome wie Fieber, Aborte, verminderte Futteraufnahme etc. konnte der Landwirt nicht feststellen. Es wurde ein Bestandsbesuch vereinbart.
Beim Stalldurchgang fielen im Eroscenter einzelne Sauen mit bis zu linsengroßen hellrosafarbenen Hautveränderungen, verteilt über den ganzen Körper, auf. Im niedertragenden Bereich waren in zwei Buchten (12 Sauen pro Bucht) fast alle Sauen von Hautveränderungen betroffen. Hier waren unterschiedliche Schweregrade anzutreffen. Bei einigen waren hochrote bis zu fünf Centstück große Papeln zu sehen, andere zeigten große Pusteln, in deren Zentrum sich schwarzbraune Krusten (Nekrosen) befanden. Die Pusteln verteilten sich auch hier über den gesamten Körper und waren nur unter Substanzverlust von der Körperoberfläche abzulösen.
In den anderen Buchten des niedertragenden Bereiches waren nur Einzeltiere mit der milden Verlaufsform betroffen. Die Sauen waren ansonsten klinisch völlig unauffällig und zeigten kein Fieber, keine Fressunlust oder Leistungseinbußen.
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Im Abferkelbereich, im Flatdeck und in der Mast waren keine Tiere erkrankt. An Hand der klinischen Symptome wurde die Verdachtdiagnose Schweinepocken gestellt.
Zur differentialdiagnostischen Abklärung wurden Hauttupfer und Hautgeschabsel entnommen.
Die Ergebnisse
Die Untersuchung des Hautgeschabsels auf Parasiten war negativ, die bakteriologische Untersuchung ergab einen unspezifischen Keimgehalt (Coli, Streptokokken, Staphylococcus epidermidis, Acinetobacter, Neisseria). Eine Pilzinfektion wurde ausgeschlossen.
Weiteres Vorgehen
Nach dem Vorliegen der Untersuchungsergebnisse konnte die Diagnose Schweinepocken als gesichert gelten. Die Schweinepocken sind therapeutisch nicht zu beeinflussen. Der Tierhalter wurde darüber informiert, wie möglicherweise auftretende Sekundärinfektionen der Haut antibiotisch zu behandeln sind.
Weiterer Verlauf
Nachdem in den ersten 14 Tagen der Erkrankung ca. 10 – 15 % der Sauen im niedertragenden Bereich und Einzeltiere im Besamungsstall erkrankten, breitete sich die Infektion nur zögerlich aus, nach weiteren 14 Tagen traten nur noch ganz vereinzelt Neuerkrankungen auf und dann auch nur mit ganz mildem Verlauf. Abferkelung und Mast blieben komplett verschont.
Diskussion
Pocken beim Schwein sind eine weltweit verbreitete Viruserkrankung. Sie traten unter traditionellen Haltungsbedingungen deutlich häufiger auf als heute in der intensiven Schweinehaltung.
Die Übertragung erfolgt meist über Fliegen und Läuse, aber auch über direkten Kontakt mit Speichel oder Nasensekret. Die Inkubation beträgt 3 – 14 Tage, die Viren persistieren im Organismus ca. 3 Wochen. Antikörper bilden sich nach 7 Tagen, eine zelluläre Immunität besteht nach 14 - 21 Tagen. Die Immunität hält lebenslang.
Das Virus kann in trockenen Medien Jahre überleben und übersteht auch kurze Hitzeeinwirkungen von bis zu 100 °C.
Beim klassischen Verlauf sind vor allem Ferkel und Läufer im Alter von 4 – 12 Wochen betroffen. Als sicheres Symptom gelten die Pocken, die im Gegensatz zu anderen Hauterkrankungen (Staph. hyicus, PDNS, Räude) ein typisches, unverwechselbares Aussehen aufweisen. Im fortgeschrittenen Krankheitsverlauf sind die Pocken ca. fünf Centstück groß, sitzen fest auf der Haut und zeigen einen hochroten Pockenwall und einen dunklen Pockennabel.
Einzelne Pocke mit deutlichem Nekroseherd in
Zu Beginn der Erkrankung können durchaus Fieber, Inappetenz und Apathie auftreten, in unserem Fall waren jedoch keine Auffälligkeiten zu verzeichnen. Die milde Verlaufsform und der hohe Hygienestatus in diesem Betrieb verhinderten ein schnelles Durchseuchen des Bestandes. Ektoparasiten- und Fliegenbekämpfung, sowie gründliches Einwaschen in die Abferkelung sind prophylaktische Maßnahmen zur Verhinderung von Neuinfektionen.