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Fall des Monats Juni 2011

Aber sie sind doch geimpft- Husten in der Endmast 
Dr. Reinhold Heggemann, Praxis für tierärztliche Bestandsbetreuung und Qualitätssicherung im Erzeugerbetrieb Schwein in 25782 Tellingstedt


Der Bestand

Diesen Monat berichten wir von einem Mastbetrieb mit 2200 Mastplätzen. Die Ferkel kommen aus einer Mycoplasmen- und PRRS- freien Herkunft, sind gegen Mycoplasma hyopneumoniae (M.hyo), Circo und Lawsonien (PIA) geimpft und erhalten als Durchfallmetaphylaxe in der ersten Woche Colistin und eine Entwurmung. Die Aufstallung erfolgt abteilweise Rein/Raus.
 
Die bisherigen Leistungsdaten waren mehr oder weniger eigentlich zufriedenstellend. Die Verluste lagen unter 1 % und die Schlachtdaten waren gut bis sehr gut. Lediglich die Tageszunahmen schienen mit 800 g/Tag noch nicht ausgereizt.
 
Klinisch war der Bestand fast als unauffällig zu bezeichnen, wenn nicht hustende Tiere in der Mittel-/Endmast gewesen wären. Nachdem der Husten auch mit steigenden Außentemperaturen nicht wesentlich besser wurde, sollte der Ursache doch auf den Grund gegangen werden. 
 
 
Der Fall  
Zunächst wurde ein gemeinsamer Stalldurchgang vereinbart, bei dem noch einmal Tiere aller Altersstufen begutachtet wurden. Dabei hat sich ein Rundgang entsprechend des Tieralters, beginnend bei den jüngsten Tieren, bewährt.
Bei den frisch eingestallten Läufern wiesen einige Tiere (trotz der oben erwähnten Colistinmedikation) dünnbreiigen Kot auf, was der hochverdaulichen Futterration mit Altbrotanteilen geschuldet ist.
Ansonsten wirkten die Tiere, ebenso wie in der Mittelmast, klinisch völlig unauffällig.
Bei den Tiergruppen mit ca. 70- 95 kg zeigten ca. 30 % der Tiere Husten, der sich klinisch als unspektakulär erwies. Die Schweine stießen zwei- bis dreimal an, wobei keine Tiere mit Lungenentzündung vorhanden waren. Die Gesichter präsentierten sich ohne Nasenausfluss oder Augenrötung völlig klar. Auch die Fresslust war vollkommen unauffällig.
Bei den Tieren ab ca. 115 kg schließlich ließ die Hustenintensität wieder deutlich nach.
 
Abschließend wurden jeweils 5 Blutproben von Tieren aus der Vormast, Mittel- und Endmast entnommen.


Die Untersuchung 
Die insgesamt 15 Blutproben wurden auf Antikörper gegen PRRS, Influenza, APP und Hämophilus parasuis (Glässersche Krankheit) mit folgendem Ergebnis untersucht:
 

Nr.

Herkunft

APP

PRRS

Influenza

H. parasuis

1

VM

-

-

-

-

2

VM

-

-

-

-

3

VM

-

-

-

-

4

VM

+-

-

-

-

5

VM

-

-

-

-

6

MM

-

-

-

+

7

MM

-

-

-

+

8

MM

+-

-

-

-

9

MM

-

-

-

-

10

MM

-

-

-

-

11

EM

-

+

-

+

12

EM

-

+

-

+

13

EM

+-

+

-

-

14

EM

-

+

-

+

15

EM

-

+

-

+

 
                                                         VM= Vormast, MM= Mittelmast, EM= Endmast
 
Die Beprobung zeigte hinsichtlich der verschiedenen Erreger ein ganz unterschiedliches Bild. Während die Proben auf Influenza und APP gänzlich negativ waren (außer 3 grenzwertiger Proben auf APP), zeigte sich in der Mittel- bzw. Endmast eine deutliche, sogenannte Serokonversion bei PRRS und H. parasuis, dem Erreger der Glässerschen Krankheit. (Die Glässersche Krankheit hat übrigens nichts mit „gläsern“ zu tun, sondern ist nach ihrem Entdecker Dr. Glässer benannt). Im Nachgang zu diesem Befund differenzierte das Labor noch den H. parasuis-Serotyp, der mit Serotyp 5 angegeben wurde. Die Bestimmung des Serotyps ist für den eventuellen Einsatz eines Impfstoffes von Bedeutung, da nur Impfstoffe mit den Serotypen 4 und 5 vorhanden sind und diese Impfstoffe nicht gegen andere Serotypen wirksam sind.
 
Der Mastbestand war in der Vergangenheit immer mit negativem Ergebnis auf PRRS untersucht worden, so dass hier erstmalig eine PRRS-Infektion im Bestand nachgewiesen werden konnte.
(Zur Erinnerung: Die Ferkel kamen und kommen aus einem PRRS-freien Sauenbetrieb.)
Nach diesen Ergebnissen stellt sich die Frage, welcher der beiden Erreger letztlich verantwortlich ist für die beschriebene Hustensymptomatik oder sind es am Ende gar beide? Um diese Frage zu beantworten sind auf jeden Fall weitere Untersuchungen notwendig; hilfreich ist in diesem Zusammenhang die Besichtigung und eventuell Beprobung von Schlachtlungen. 

Die Besichtigung von 10 Schlachtlungen ergab sehr geringe Veränderungen (<10%) im Sinne von EP, verursacht durch M. hyo (Tiere waren geimpft). Dies stellt auch bei geimpften Tieren einen völlig normalen Befund dar.

Auffällig waren allerdings bei allen Lungen akute bis chronische Entzündungssymptomen nur bei 2 Lungen waren geringgradige Verwachsungen mit dem Brustfell zu diagnostizieren. 

Verwachsungen am Herzbeutel (Pericarditis) lagen überhaupt nicht vor. Die Lebern wiesen ebenfalls keine abweichenden, pathologischen Befunde auf.

Bild links:
Lunge links mit Glässerscher Krankheit, die aufgrund der Verwachsungen z.T. im Tierkörper verblieben ist.
Lunge rechts im Hintergrund ohne pathologischen Befund. 

Bild rechts: Sektion eines Ferkels mit Glässerscher Krankheit. Auffällig die Verklebungen zwischen Lunge und Brustfell sowie die beiden stark vergrößerten (hellbraunen) Lymphknoten oberhalb des Herzens.
         





Weiteres Vorgehen
   
Die Entscheidung für das weitere Vorgehen war in diesem Falle nicht einfach festzulegen. Als möglicher Verursacher der Hustensymptomatik und der gesehenen Lungenveränderungen kommen grundsätzlich sowohl PRRS-Viren als auch H. parasuis oder eine Kombination von beiden Erregern in Betracht. Da PRRS-Viren grundsätzlich das Immunsystem schädigen, kommt ihnen- egal in welcher Kombination mit anderen Erregern- eine Art Katalysatorfunktion zu.
Unter Berücksichtigung aller Fakten, Kosten/Nutzen Erwägungen und den praktischen Gegebenheiten heraus wurde die Prophylaxe dahingehend umgestellt, dass nunmehr zusätzlich zu der Mycoplasmen/ Circoimpfung bei den Ferkeln eine PRRS- Impfung bei Einstallung in den Mastbetrieb durchgeführt wird. 

Um möglichst schnell eine Aussage über den Nutzen der PRRS- Impfung zu bekommen, wurde entschieden, auch noch die beiden jüngsten Gruppen im Maststall nachträglich gegen PRRS zu impfen. Dies erschien vor dem Hintergrund der relativ späten Infektion mit PRRS vertretbar zu sein.
   

Weiterer Verlauf
Die ersten gegen PRRS geimpften Tiere sind jetzt ca. 105 kg schwer und zeigen bisher keine Hustensymptome. Zwischenwiegungen der gegen PRRS geimpften Tiere zeigten ebenfalls eine positive Tendenz zu höheren Tageszunahmen. Über den langfristigen Verlauf kann derzeit noch keine endgültige Aussage getroffen werden. Wir werden ca. Ende des Jahres erneut und endgültig über diesen Fall berichten!


Diskussion
   
In letzter Zeit häufen sich Berichte über Hustenprobleme in der Mittel-/Endmast. Nach unseren Erfahrungen gibt es drei bis vier Themenkomplexe, die damit häufig in Zusammenhang stehen: Infektionen mit APP, Streptokokken, H. parasuis und/oder PRRS.
Die Frage stellt sich nach den Ursachen für dieses Phänomen. Nach unserer Einschätzung liegt es zum Teil darin begründet, dass mit der flächendeckenden Impfung gegen Mycoplasmen und Circo diese beiden Erreger immer mehr zurückgedrängt werden. Dadurch nutzen andere Erreger frei gewordene Nischen und/oder deren verursachte Krankheitsbilder treten dadurch klinisch wieder mehr in den Vordergrund. Bemerkenswerterweise geschieht dies auch in hygienisch gut geführten Betrieben, die über kontrollierten Tier- und Personenverkehr und auch gute Einzellagen verfügen.

Wichtig auch hier wieder der Hinweis, dass letztlich nur sinnvolle, detaillierte Diagnostik in ausreichendem Umfang Klarheit über die Abläufe und Infektionsstränge geben kann. Ohne diese Diagnostik können keine sinnvollen Maßnahmen ergriffen werden.

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