Fall des Monats März 2006
Wiederkehrende Hustenprobleme in einem Mastbestand
Jens Jungbloot, Praxis Dr. Heggemann, Tellingstedt
Der Bestand
Bei dem vorzustellenden Bestand handelt es sich um einen Mastbetrieb mit 1600 Mastplätzen und einem vorgelagerten Flatdeckbetrieb, in dem 3-Wochen alte 7 kg-Ferkel eingestallt werden. Die Abteile im Maststall sind in der Größe sehr unterschiedlich, da der Betrieb durch 3 Bauabschnitte gewachsen ist. Wo immer es durchführbar ist, wird Abteilweise Rein/ Raus aufgestallt. Allerdings ist diese Strategie durch die verschiedenen Abteilgrößen nicht immer durchführbar, so dass Tiere verschiedener Altersstufen gemischt werden müssen. Die zugekauften 7 kg-Ferkel sind PRRS frei, der Mastbetrieb selber ist PRRS positiv. Da bisher keine größeren Probleme auftraten, wurde bis dato auf eine PRRS- Impfung verzichtet. Die Ferkel wurden vom Sauenhalter kurz vor Auslieferung gegen Mycoplasmen mit einem One-Shot-Impfstoff geimpft. Der Fall seit August 2005 traten im Verlauf der Mastperiode immer wieder Hustenwellen auf. Deshalb wurden bei einem Schlachthofcheck die Lungen begutachtet. An den Lungen waren häufig Spitzenlappenveränderungen erkennbar, wie sie für eine Infektion mit Mycoplasma hyopneumoniae (EP) hervorgerufen werden. Auf Grund dieser Untersuchung wurde der Sauenhalter gebeten, von der One-Shot-Impfung auf die Two-Shot-Impfung zu wechseln. Seit September wurden die Ferkel somit beim Absetzen und in der dritten Flatdeckwoche mit einem Two-Shot-Impfstoff gegen Mycoplasmen geimpft.
Etwa 1 Monat nach Aufstallung erkrankten die doppelt geimpften Masttiere akut an Lungenentzündungen. Innerhalb von Stunden waren die Tiere schwer geschädigt, Symptome wie Husten, Flankenschlagen und Fressunlust traten auf. Innerhalb weniger Tage verloren die Tiere an Gewicht, ca. 10% der Tiere verendeten. Der Rest der erkrankten Tiere kümmerte, einzelne Tiere wurden gelb, andere bekamen die typischen PDNS – Hautveränderungen (Circo), bei einigen traten blaue Ohren auf.
Hundesitzige Haltung bei Atemwegerkrankungen, um den Brustkorb zu entlasten
Die Untersuchung
Von der erkrankten Partie wurden 4 Tiere zur pathologisch-anatomischen Untersuchung an die Tierärztliche Hochschule Hannover geschickt. Die Ergebnisse sind unten dargestellt:
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Tier 1 |
Tier 2 |
Tier 3 |
Tier 4 |
Pathologie |
Katharralisch-eitrige Bronchopneumonie |
Pleuropneumonie, PMWS (Circo) |
Bronchopneumonie, PMWS (Circo) |
Katharralisch-eitrige Bronchopneumonie, PMWS (Circo) |
Mikrobiologie |
Pasteurella multocida Streptococcus suis |
Pasteurella multocida |
- |
- |
PCR -Mycoplasma hyopneumoniae -Mycoplasma hyorhinis -PRRS -Influenza -PCV 2 (Circo) |
+ - - - - |
+ + - - + |
+ - - - + |
+ - - - + |
Bei drei von vier Tieren wurde eine Circovirusinfektion nachgewiesen. Die Lungenentzündungen sind auf die Mycoplasmeninfektion zurückzuführen. Als Sekundärerreger sind die Pasteurellen und Streptokokken beteiligt. Ungewöhnlich war der fehlende Nachweis von PRRS-Viren. Deshalb wurde zusätzlich noch ein Screening zum serologischen Nachweis (Blutuntersuchung) durchgeführt. Dazu wurden Blutproben in verschiedenen Altersgruppen entnommen.
Die Ergebnisse sehen Sie in nachfolgender Tabelle:
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Nummer |
PRRS (1 bis 6+) |
PCV 2 (Circo) |
Anfang Mast |
1 2 3 4 5 |
- - - - - |
< 1:20 < 1:20 < 1:20 < 1:20 < 1:20 |
Mitte Mast |
6 7 8 9 10 |
4+ 3+ 1+ 6+ 5+ |
³ 1:1280 ³ 1:1280 ³ 1:1280 ³ 1:1280 ³ 1:1280 |
Ende Mast |
11 12 13 14 15 |
1+ 1+ 1+ 5+ 3+ |
³ 1:1280 ³ 1:1280 ³ 1:1280 ³ 1:1280 ³ 1:1280 |
Wie aus den Titerverläufen ersichtlicht, waren die Tiere ab der Mittelmast alle (hoch) positiv auf PRRS und Circovirus. Auf Grund dieser Ergebnisse musste davon ausgegangen werden, dass PRRS ebenfalls an dem Geschehen mit beteiligt ist.
Die Behandlung
Um die Sekundärinfektionen zu bekämpfen wurden die betroffenen Abteile mit Lincomycin-Spectinomycin oral mediziniert. Einzeltiere, die schwer erkrankt waren, wurden mittels Injektion behandelt. Der Behandlungserfolg allerdings war nur mäßig. Rezidive traten immer wieder auf.
Nach Rücksprache mit dem Ferkelerzeuger wurde die Mycoplasmenimpfung in die Abferkelung vorverlegt. Die Ferkel werden jetzt nach dem klassischen Prinzip in der 1. und 3. Lebenswoche zweifach geimpft. Circa eine Woche nach Ankunft werden sie zusätzlich mit einem Lebendimpfstoff gegen PRRS geimpft. Dies ist möglich und sinnvoll, da das Flatdeck örtlich getrennt von der Sauenherde betrieben wird (Mastbestand ist PRRS positiv!).
Diskussion
Die bisher durchgeführte Mycoplasmen-Impfung im Alter von ca. 3 Wochen brachte in diesem Fall keine belastbare Immunität. Die Gründe hierfür können vielfältig sein. Der Impfzeitpunkt war unmittelbar vor dem Absetzen und dem damit verbundenen Transport der Ferkel sicher nicht optimal. Die Erfahrungen zeigen auch ganz eindeutig, dass eine gleichzeitige Circovirusinfektion die Ausbildung einer belastbaren Immunität verhindern kann. Deshalb wurde die Impfung in der Abferkelung vorgezogen. Eine Co-Infektion mit PRRS wiederum kann eine Circovirusinfektion potenzieren (triggern). Deshalb ist ein rechtzeitiger PRRS-Schutz notwendig. Circovirus und PRRS-Virus sind als Wegbereiter für die bakteriellen Sekundärinfektionen zu betrachten. Sie schädigen verschiedene Teile des Immunsystems so nachhaltig, dass andere Erreger wie in diesem Fall Mycoplasmen, Streptokokken, aber auch häufig APP- oder Hämophilus-Infektionen (Glässer) eine gravierende Rolle spielen. Daher gilt es - immer wo es möglich ist- durch Impfmaßnahmen Erreger „auszuschalten“. Erst dann gilt es die Sekundärerreger mittels antibiotischer Metaphylaxe zu bekämpfen. Dieser Fall zeigt darüber hinaus wieder einmal, wie wichtig eine strategische, möglicherweise auch wiederholte Diagnostik ist. Hierbei sind die verschiedenen diagnostischen Methoden sinnvoll zu kombinieren und deren Ergebnisse fachlich richtig zu interpretieren. Gerade der letzte Punkt erscheint uns bei der Durchführung der sogenannten Lungenlavage (Lungenspülung) ein Problem zu sein. Häufig wird bei dieser Methode ein ganzer „Blumenstrauß“ von Erregern gefunden, deren Bedeutung für den Krankheitsverlauf allerdings schwer einzuschätzen ist. Entscheidend für die Beurteilung eines Erregerprofils ist das logische Zusammenpassen der unterschiedlichen Ergebnisse. Deshalb sollten in komplexen Fällen verschiedene Untersuchungsmethoden kombiniert werden und gerade auch die älteren, bewährten Methoden wie Sektion von kranken oder toten Tieren nicht vernachlässigt werden. Kenntnisse aus der vorgelagerten Produktionsstufe sind unter Umständen ebenfalls sehr hilfreich. Eventuelle, sinnvolle Impfmaßnahmen sind ebenso mit der vorgelagerten Stufe zu koordinieren.