Fall des Monats März 2008
Durchfälle in der Mast mit Todesfolge
Jens Jungbloot, Praxis für tierärztliche Bestandsbetreuung und Qualitätssicherung im Erzeugerbetrieb Schwein
Dr. Reinhold Heggemann, 25782 Tellingstedt
Der BestandIn diesem Monat geht es um einen Mastbetrieb, der in einer ausgebauten alten Halle 800 Mastplätze bewirtschaftet. Die Tiere stehen auf Vollspalten und werden über Trockenautomaten gefüttert. Seit mehreren Jahren wird der Mäster vom gleichen Ferkelerzeuger im Rein – Raus – Verfahren beliefert. Der Erzeugerbetrieb ist frei von PRRS, APP, Dysenterie und Mykoplasmen. Vor einem Jahr trat dort eine akute Lawsonien – Infektion (PIA) auf, die mit blutigen Durchfällen und Todesfällen bei den Sauen einher ging. Seit dem werden die Ferkel über das Drenchverfahren gegen PIA geimpft.
Der Fall
Ca. einen Monat nach Aufstallung der Mastferkel meldete sich der Landwirt, dass innerhalb von 2 Tagen 5 Tiere verendet sind. Ein sofortiger Stallbesuch wurde vereinbart. Hierbei fielen einzelne apathisch wirkende Tiere auf, sowie Tiere, die abgemagert und deren Flanken eingefallen waren. Die Klinik war auf zwei Buchten am Ende des Stalles begrenzt. Hier trat auch breiiger Durchfall auf, an einer Stelle vermischt mit Schleimhautfetzen, an einer anderen Stelle blutig.
Blutiger Kot mit Schleimhautfetzen
Die Untersuchung
Aus den 2 auffälligen Buchten wurden Kotproben entnommen und ein akut erkranktes Tier zur Sektion gebracht.
Zur genauen Klärung der Durchfall-Ursache ist eine detaillierte Diagnostik notwendig.
Weiteres Vorgehen
Da die Ferkel gegen PIA geimpft waren, wurde als Verdachtdiagnose Dysenterie vermutet. Ein schnelles Handeln ist hier notwendig und so wurde noch am gleichen Tag mit dem Einsatz von Tiamulin begonnen, ohne das Antibiogramm abzuwarten. Das Medikament wurde über das Futter verabreicht, schwer erkrankte Tiere wurden per Injektion behandelt.
Ergebnisse
Die Untersuchung der beiden Kotproben blieb ohne verwertbares Ergebnis, die PCR auf Dysenterie war hier negativ.
Bei der Sektion des erkrankten Tieres wurde histologisch eine hochgradige fibrinöse Entzündung der Dickdarmschleimhaut festgestellt, hier konnte der Dysenterieerreger Brachyspira hyodysenteriae nachgewiesen werden. Im Antibiogramm erwies sich Tiamulin als wirksam.
Weiterer Verlauf
Zu Beginn der Behandlung traten noch zwei Todesfälle auf, innerhalb von 5 Behandlungstagen wurde die Klinikfreiheit erreicht. Insgesamt wurden 7 Tage mit 10 mg / kg KGW Tiamulin über das Futter mediziniert.
Nach einem Monat trat noch einmal Klinik auf, allerdings mit milderem Verlauf und ohne Todesfälle. Daraufhin wurde noch einmal für eine Woche Tiamulin eingesetzt.
Nach Ende des Mastdurchganges wurde der Stall komplett gereinigt und desinfiziert, die Restgülle wurde mit Alzogur behandelt und der Stall blieb 4 Wochen leer.
Diskussion
Die Inkubationszeit für Dysenterie kann von 2 Tagen bis zu 3 Monaten betragen, im allgemeinen wird jedoch von ein bis zwei Wochen ausgegangen. Häufig sind latent infizierte Muttersauen Ausgangspunkt für die Infektion. In diesem Fall konnte dies jedoch ausgeschlossen werden.
Als mögliche Vektoren für die Übertragung kommen Personen (Hygienemängel), Schadnager (!!), Hunde, Vögel und Fliegen in Frage. Mäuse können den Erreger der Dysenterie bis zu 180 Tage ausscheiden. Hier ist davon auszugehen, dass Ratten die Überträger waren, da in der Gemeinde erhebliche Probleme bei der Rattenbekämpfung auftraten.
Die möglichen klinischen Symptome können in unterschiedlicher Ausprägung von akut über chronisch bis latent auftreten. Dies ist abhängig vom Serotyp des Erregers und der damit verbundenen Virulenz, aber auch ganz stark von der vorhandenen Bestandsimmunität und von verschiedenen Umweltfaktoren, Haltungsbedingungen und der Fütterung. Stresssituationen (z.B. Umstallung) und verminderter Futteraufnahme wird besondere Bedeutung bei der Schwere der Erkrankung beigemessen. Geradezu explosionsartige Dysenterieausbrüche sind z.B. bekannt nach Güllehaverien (Güllehochstand).
In diesem Fall war es enorm wichtig sofort zuhandeln. Der Erreger traf auf eine komplett empfängliche Population. Die Übertragung wird dadurch forciert, dass die Schweine sehr gern den blutigen Kot bereits erkrankter Tiere aufnehmen. Die darin enthaltenen Brachyspiren werden durch den umhüllenden fäkalen Schleim bei der Magenpassage geschützt und können sich unbeschadet in den Zellen der Dickdarmschleimhaut festsetzen und nun erneut die Erkrankung auslösen. Todesfallraten bis zu 50% können die Folge sein.
Sicherste Methode des Brachyspiren Nachweises ist die sogenannte PCR direkt aus dem Dickdarm. Kotproben sind häufig falsch negativ, da erstens die Erregerausscheidung stark schwankt und zweitens das Alter der Proben und die Transportbedingungen beim Probenversand starken Einfluss auf den Erregernachweis haben können.
Da auch bei den Brachyspiren Resistenzen vorkommen, ist ein Antibiogramm unbedingt zu erstellen und gegebenenfalls das Medikament zu wechseln. Die Gefahr von Rückfällen ist bei einer 3 -wöchigen Therapie geringer, aber nicht ausgeschlossen, da unter bestimmten Bedingungen (bes. kalte Jahreszeit) der Erreger bis zu 30 Tagen im Schweinekot überlebt. Die Medizinierung verhindert zwar weitere Totalausfälle und Neuerkrankungen, geringere Mastleistungen sind aufgrund der nachhaltigen Schleimhautschädigungen trotzdem zu erwarten.
Die Sanierung eines Bestandes ist immer empfehlens- und erstrebenswert, in diesem Fall sogar unproblematisch durchzuführen, da es sich ja um einen Mastbetrieb im Rein- Raus- Verfahren handelt. Wichtig hierbei ist die gründliche Reinigung und Desinfektion des Stalles sowie das Leerstehen für 4 Wochen und die Behandlung der Restgülle mit Alzogur. Parallel dazu und zukünftig ist eine kontinuierliche, wirksame Schadnagerbekämpfung mit geeigneten Mitteln durchzuführen.