Fall des Monats März 2009
Kennen sie noch Rotlauf?
Jens Jungbloot, Praxis für tierärztliche Bestandsbetreuung und Qualitätssicherung im Erzeugerbetrieb Schwein
Dr. Reinhold Heggemann, 25782 Tellingstedt
Der Bestand
Heute möchten wir ihnen einen Ferkelerzeuger mit 230 Sauenplätzen vorstellen. Der Betrieb ist aus einem ehemaligen Rinderbetrieb mit viel Altbausubstanz entstanden. Abferkelung, Belegung, Wartebereich und Flatdeck sind in unterschiedlichen Gebäuden untergebracht. Der Produktionszyklus besteht aus einem 4-Wochenrhythmus mit dreiwöchiger Säugezeit. Die Jungsauen werden selbst in Eigenremontierung produziert. Da der Betrieb PRRS positiv ist, werden die Sauen alle vier Monate gegen PRRS geimpft. Eine Woche nach der Abferkelung bekommen die Sauen eine Rotlauf/Parvo – Impfung. Die Ferkel werden gegen EP (Mycoplasmen) und Circovirose geimpft.
Der Fall
Etwa drei Tage nach der Abferkelung bekamen drei Jungsauen hochgradig Fieber (40,5 - 41,2 °C), Fressunlust und Milchmangel. Nach Rücksprache mit dem Tierarzt behandelte der Landwirt die Sauen gegen MMA. Als Antibiotikum wurde Enrofloxacin eingesetzt, dennoch trat keine Besserung ein. Bei einer weiteren Untersuchung dieser Sauen waren rote Hautflecken im Rückenbereich erkennbar. Diese veränderten Hautstellen hatten unterschiedliche Formen, teilweise rhombisch und an eine Streichholzschachtel erinnert. Sie traten etwas geschwollen über die Hautoberfläche hervor und wiesen einen Durchmesser von etwa fünf Zentimeter auf.
Ferkel mit bläulichen Hautverfärbungen / Ferkel mit Septikämie
Die Diagnose und Behandlung
Auf Grund der typischen Klinik wurde die Diagnose Hautrotlauf gestellt. Die gesehenen Hautveränderungen werden auf Grund ihrer Form im Volksmund auch Backsteinblattern genannt. Hier war das klinische Bild eindeutig, so dass auf weitergehende Untersuchungen verzichtet wurde. Die Behandlung der Sauen erfolgte mit Benzylpenicillin-Procain (20 000 I.E. / kg KGW). Innerhalb eines Tages trat eine deutliche Besserung ein.
Schlachtkörper mit sog. Bakcsteinblattern (Hautrotlauf)
Weiterer Verlauf
Etwa eine Woche nach Genesung der Sauen traten bei ihren Würfen Klinik auf.
Die Ferkel waren matt, hatten bis 42°C Fieber und zeigten großflächige violette Verfärbung der Haut in den Bereichen Schnauze, Brust und Schinken. Ein Ferkel verendete perakut. Durch die Vorgeschichte bei den Sauen war zu vermuten, dass es sich bei den Ferkeln sehr wahrscheinlich um eine Rotlaufseptikämie handeln könnte. Alle drei Würfe wurden mit Benzylpenicillin-Procain behandelt. Auch hier trat eine rasche Genesung ein. Vorbeugung
Da nur die Jungsauen und ihre Würfe erkrankten, war davon auszugehen, dass bei ihrer Eingliederung keine belastbare Immunität gegen Rotlauf aufgebaut wurde. Dem Landwirt wurde empfohlen seine Nachzucht im Alter von 12 und 16 Wochen gegen Rotlauf zu immunisieren (Grundimmunität). Danach sollte in der 26. und 30. Lebenswoche jeweils die Parvoimpfung stattfinden. Bei der zweiten Parvoimpfung sollte mittels eines Kombiimpfstoffes die Rotlaufimmunisierung auch aufgefrischt werden.
Diskussion
Die Rotlauferkrankung ist in der modernen Schweinehaltung etwas in Vergessenheit geraten. Diese Erkrankung gehörte jedoch vor noch gar nicht so langer Zeit zu der häufigsten Infektionen bei den Schweinen. Sie verursachte gewaltige wirtschaftliche Schäden. Erst mit der verbesserten Immunprophylaxe und besseren hygienischen Bedingungen wurde diese Infektionskrankheit eingedämmt. Perakute und akute Verlaufsformen sind heute sehr selten.
Der Schweinerotlauf wird durch ein Bakterium (Erysepelothrix rhusiopathiae) hervorgerufen. Er trat früher vor allem in den Sommermonaten zyklisch auf und wurde auch mit der Verfütterung von Speisabfällen in Verbindung gebracht.
Die Erkrankung hat vier verschiedene Verlaufsformen: Generalisierte Septikämie (Blutvergiftung), wie sie auch hier bei den Ferkeln auftrat; ferner die hier bei den Sauen beschriebene Hautform mit den Backsteinblattern; außerdem noch Herzklappenentzündungen mit Kreislaufschäden und schmerzhafte Gelenkentzündungen.
Der Erreger kommt überall ubiquitär vor. Wild- und Nagetiere können neben Schweinen Überträger sein und der Erreger ist im Boden, Wasser, Einstreu lange überlebensfähig. Der Hauptinfektionsweg erfolgt oral über die Futteraufnahme.
Akuter Rotlauf ist durch die typische Klinik gut zu diagnostizieren. Chronischer Rotlauf wird dagegen leicht übersehen. Bei Verdacht ist der Nachweis über Serologie notwendig. Die Behandlung erfolgt mit Penicillin oder Amoxicillin.
Eine größere Bedeutung in der Bekämpfungsstrategie kommt der Impfung zu. Es sind verschiedene, gut wirksame Totimpfstoffe, teilweise als Kombiimpfstoffe mit Parvovirus auf dem Markt. Bei immunisierten Sauenherden haben die Nachkommen in den ersten drei Monaten eine maternale Immunität. Danach sollten sie geimpft werden. Die Grundimmunisierung erfolgt zweimal im Abstand von vier Wochen, die Auffrischung alle sechs Monate. Eine Tilgung des Erregers ist nicht möglich. Deshalb ist die regelmäßige Impfung gegen Rotlauf, zumindest im Sauenbereich dringend geboten.
Rotlauf gilt als Zoonose, da er auch bei Menschen lokale Hautentzündungen hervorrufen kann. Früher waren vor allem Schlachter betroffen. Eine mögliche Beteiligung bei rheumatoiden Erkrankungen des Menschen wird diskutiert.