Header-Grafik

Fall des Monats März 2011

Nichts geht mehr / PRRS - Infektion in einer Sauenherde
Dr. Reinhold Heggemann, Praxis für tierärztliche Bestandsbetreuung und Qualitätssicherung im Erzeugerbetrieb Schwein in 25782 Tellingstedt 

Der Bestand
Heute stellen wir Ihnen einen Spitzenbetrieb mit ca. 600 Sauen und Flatdeck aus Schleswig-Holstein vor. Die Herde hatte sogenannten SPF – Status, was in diesem Falle mit dem Freisein von PRRS, Enzootischer Pneumonie und Actinobacillus pleuropneumoniae, kurz APP, definiert war. Da die produzierten Mastläufer teilweise auf dem freien Markt angeboten wurden, musste der Erzeuger die Ferkel dennoch gegen Mycoplasmen (EP) und Circovirus impfen. Durch den hohen Gesundheitsstatus und sehr gutes Management lag die Leistung in der Vergangenheit bei über 30 abgesetzten Ferkeln pro Sau und Jahr.
 
 
Der Fall
Im Herbst 2010 traten vermehrt Symptome im Sinne eines MMA-Syndroms auf. Sauen hatten nach dem Abferkeln häufiger Fieber und Milchmangel; Ferkel waren lebensschwach und untergewichtig. Dazu kamen vereinzelte Aborte mit eitrigem Ausfluss. Untersuchtes Abortmaterial ergab einen Hinweis auf eine Mischinfektion mit Eitererregern.

Diese Erreger wurden sowohl in Milchproben als auch in Tupfern aus der Gebärmutter von MMA – erkrankten Sauen gefunden. Nach dem erstellten Antibiogramm wurde die gesamte Herde mit Enrofloxacin per Injektion an drei aufeinanderfolgenden Tagen behandelt. In den nächsten zwei Wochen schien sich die Herde zu stabilisieren und weniger gesundheitliche Probleme zu haben. Doch der gewohnt hohe Gesundheitsstatus wollte sich nicht so recht einstellen. Vielmehr ließ die Ferkelqualität auf dem Flatdeck  nach, einzelne Sauen hatten Spätaborte und die geborenen Ferkel waren häufig unreif, was sich durch die Ausprägung eines sogenannten Helmkopfes dokumentierte. Dies war häufig kombiniert mit Lebensschwäche, so dass die Verlustrate ebenfalls anstieg.
                                                                                                                                                                                                                                                                 
                                                                                                                                                        






Abortiertes Ferkel nach PRRS-Infektion mit sog. "Helmkopf"


Die Untersuchungen und das Ergebnis

Von den abortierten Früchten wurden 3 Feten zur pathologischen Untersuchung gebracht.
Bei der  augenscheinlichen Beurteilung waren die Feten unauffällig; die Organe erschienen gesund. 
Bakteriologisch wurde in den Organen hochgradig Escherichia coli nachgewiesen.
 
Bei der virologischen Untersuchung des Abortmaterials waren weder die anzeigepflichtigen Seuchen Aujeszkysche Krankheit und Schweinepest nachweisbar, noch konnte Parvovirose (SMEDI), PCV II (Circovirus), PRRS, Chlamydien und Leptospiren nachgewiesen werden.
 
Da die Herde unlängst wie oben beschrieben mit Enrofloxacin behandelt worden war, erschien E. coli als Abortursache unwahrscheinlich.
 
So wurden im nächsten Schritt die betroffenen Sauen geblutet und serologisch auf PCV II, PRRS, Leptospirose und Influenza untersucht. Die Untersuchung auf Circovirus, Leptospirose und Influenza verlief bei allen Sauen mit einem negativen Ergebnis.
Alle untersuchten Sauen waren jedoch serologisch positiv auf PRRS. Ein direkter Nachweis von PRRS-Viren im Blut mittels einer sog. „Realtime-PCR“ gelang interessanterweise nicht. 
Aufgrund der klinischen Symptome und des positiven PRRS-Nachweises in der Serologie konnte schlussendlich die Diagnose “PRRS-Infektion“ gestellt werden.
    
                                                                               
Die Behandlung und weiterer Verlauf
Eine spezifische Behandlung bei einer akuten PRRS ist nicht möglich, sodass einzig die vorbeugende Impfung gegen PRRS einen spezifischen Schutz vermittelt. Eine Impfung sollte aber nicht ohne Zwang in einer akuten Infektionsphase verabreicht werden, da es hier zu einer unzureichenden Ausbildung eines Impfschutzes kommen kann oder negative Nebenwirkungen auftreten können.
Daher war es vor der ersten Impfung notwendig, einen Überblick über das aktuelle Infektionsgeschehen zu bekommen. Durch den fehlenden Virusnachweis in der oben beschriebenen „Realtime-Methode“ stand bereits zu vermuten, dass es sich hier um eine ältere PRRS-Infektion handelt. Um die Infektionsdynamik aber noch besser erfassen zu können, wurden die bereits untersuchten Sauen wiederkehrend im Abstand von 14 Tagen getestet.
 
Nachdem bei den Antikörper - Titern kein Anstieg mehr zu verzeichnen war, wurde die komplette Herde mit einem Lebendimpfstoff (US-Stamm) gegen PRRS geimpft. Diese Impfung wird alle vier Monate wiederholt.
Zugekaufte Jungsauen werden jetzt bei Ankunft und 4 Wochen später mit dem gleichen Impfstoff zweimal gegen PRRS geimpft.
Innerhalb von zwei Monaten nach der Impfung wurden keine Spätaborte oder andere PRRS-Symptome gesehen und der Landwirt produziert wieder auf dem gewohnt hohen Niveau. 
 
 
Diskussion
Die Gefahr einer PRRS – Infektion ist für freie Betriebe immer gegeben. Die Einschleppung des Erregers kann prinzipiell über die Luft, über Tierzukauf, Sperma von virämischen Ebern, über unbelebte Vektoren (z.B. Fahrzeuge), Gülle, Nager, Fliegen und über den Personenverkehr erfolgen.
In unserem Fall wird die Einschleppung über den Zukauf der Jungsauen vermutet. Sicheren Schutz bei der Jungsaueneingliederung bietet eine sechswöchige Quarantäne mit serologischer Ausgangskontrolle vor der Umstallung ins den eigenen Betrieb oder Eroscenter.
 
PRRS – Viren sind sehr wandlungsfähig. Somit gibt es eine Vielzahl verschiedener Varianten und die Klinik ist nicht einheitlich. Deutliche Hinweise auf eine PRRS – Infektion sind Aborte ab 105. bis 110. Trächtigkeitstag, Übertragen bis zum 120. Trächtigkeitstag, Geburt toter und lebensschwacher Ferkel und vermehrte Umrauscher.
 
Der Nachweis einer PRRS – Infektion lässt sich am sichersten über Blutproben führen. Ab vier bis sechs Wochen nach der Infektion sind Antikörper nachweisbar. Unmittelbar nach einer Infektion, in der sogenannten Virämiephase, ist Virus direkt im Blut zu finden. Mittels einer PCR wird dieser Nachweis geführt. Damit lässt sich das Virus auch in EU - oder US Stamm klassifizieren. Im Abortmaterial ist – auch wie in diesem Fall- häufig kein Virus vorhanden.
Die Virämie (Phase der Virusvermehrung) ist unterschiedlich lang. In dieser Phase ist eine Impfung nicht ratsam. Deshalb sollte der günstigste Impfzeitpunkt über Antikörperverlaufskontrollen (Blutproben) ermittelt werden.
 
PRRS – Viren befallen Abwehrzellen (Makrophagen) und vermehren sich in ihnen. Dies führt zur Zerstörung dieser Zellen. Folge ist die Verschlechterung der Infektabwehr und damit das Auftreten vieler Sekundärinfektionen.
In Mastbeständen führt die PRRS häufig in Kombination mit anderen Erregern zu vermehrten Atemwegserkrankungen. 

zurück zur Übersicht