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Fall des Monats Mai 2000

PIA - Erkrankung in einem Sauenbestand
Jens Jungbloot, Bahnhofstr. 69, 25782 Tellingstedt

Der Besitzer eines Kombibetriebes (350 Sauen mit Aufzucht an einem Standort) meldete uns einen Akutfall und bat um einen schnellen Besuchstermin. Der Betrieb ist schon lange in unserer Betreuung.


Vorbericht
Bei dem Bestandsbesuch erzählte er, dass in der Abferkelung in dem Abteil mit den frisch abgeferkelten Sauen die Sauen komplett die Futteraufnahme verweigerten, nach der Abferkelung Fieber hatten und die übliche MMA-Behandlung (Vetrimosulf + Metacam) nicht wirksam war. Im Sauenwartebereich trat die Fressverweigerung vereinzelt auf. Auch hier hatten die Sauen Fieber. In den letzten Tagen waren acht Aborte aufgetreten. Weitere Leitsymptome konnten nicht festgestellt werden. Es war weder Husten noch Durchfall im Sauenbestand. Lediglich frisch eingegliederte Jungsauen hatten Durchfall, magerten ab und verendeten. Behandlungen mit verschiedenen Antibiotika konnten die Erkrankung nicht aufhalten.

Bei der anschließenden Diagnostik wurden im Abferkelbereich und im Wartebereich Blutproben von den Sauen gezogen und diese serologisch untersucht auf AK, Schweinepest, Leptospirose und PRRS. Die Proben waren alle negativ. Die PRRS-Serologie wurde sechs Wochen später wiederholt, ebenfalls negativ. Gleichzeitig wurden Milch-, Kot-, Urinproben und Vaginaltupfer von den Sauen genommen und bakteriologisch untersucht, da der Betrieb vor zwei Jahren Probleme mit Umrauschern gehabt hatte. Damals war die Ursache chronische Harnwegs- und Gebärmutterentzündungen bakterieller Natur durch zu wenig Trinkwasserangebot. Bei der jetzigen Untersuchung wurde folgender bakteriologischer Befund erstellt:

Milch:
Streptococcus suis (+++),
Staphylococcus epidermidis (+++),
Actinobacillus suis (+++),
Pasteurella haemolytica (+) nachgewiesen;

Kot:
Escherichia coli – ohne Zuordnung zu einem Serotyp,
Escherichia coli var. haemolytica (+++) (O 139: K82 und O 141: K85 ac), 
Clostridium perfringens (+) nachgewiesen;

Vaginaltupfer:
Escherichia coli (+++), 
alpha-haemolysierende Streptococcen (++);

Urin:
Escerichia coli (+++), 
alpha-haemolysierende Streptococcen (+++), 
Staphylococcus hyicus (+++), 
Alcaligenes sp. (+++) nachgewiesen.

Das mitgelieferte Antibiogramm wies Tetracycline als gut wirksam aus. Eine Futtermedizinierung mit Chlortetracyclin-HCL in einer Dosierung von 1000 ppm über einen Zeitraum von vierzehn Tagen wurde durchgeführt. Die Medizinierung erwies sich als sehr effektiv.


Weiterer Verlauf
Nach der Stabilisierung des Bestandes wollte der Besitzer neue Jungsauen eingliedern. Doch die neuen Jungsauen bekamen wieder Durchfall, diesmal blutig und sie magerten ab. Zwei Jungsauen aus einer Zehnergruppe verendeten. Eine verendete Sau brachte der Besitzer nach Absprache zur pathologischen Untersuchung um die Todesursache feststellen zu lassen. Der Befund lautete:

Histologischer Befund:
hochgradige Darmblutung, keine Hinweise auf Entzündung;

Bakteriologischer Befund:
in Kot und Dünndarm Escherichia coli (+++), nicht näher typisierbar,
Serpulina sp. (heute Brachyspira) nicht nachgewiesen;

Virologischer Befund:
TGE-, EVD- und Rota-Virus nicht nachgewiesen.


Beurteilung und Diagnose
Die vorgenannten Befunde erlauben keine eindeutige Aussage über die Erkrankungsursache. Mit großer Wahrscheinlichkeit liegt jedoch die sogenannte hämorrhagische Enteropathie vor.

Die noch lebenden, abgemagerten Jungsauen, die mittlerweile anämische Erscheinungen (Blutarmut) zeigten, gingen zur Schlachtung. Bei der dortigen Untersuchung ließ sich blutiger Darminhalt im gesamten Darmkonvolut, aber keine Magengeschwüre nachweisen. Das Darmgekröse war sulzig, gallertartig, ödematös. 
Entnommene Darm-, Milzabschnitte und Kotproben wurden zur weiteren Untersuchung weitergeleitet. Mittels PCR konnte Lawsonia intracellularis nachgewiesen werden. Die Untersuchung auf Circovirus Typ II verlief negativ. Parallel mit indirektem Immunfluoreszenztest auf Lawsonia intracellularis und Brachyspira sp. untersuchte Kotproben waren dagegen negativ.

Bei dem Geschehen in diesem Bestand handelte es sich um eine Ileitis, die verschiedene Verlaufsformen haben kann: Die Adenomatose (PIA) mit der Verdickung der Darmschleimhaut, daraus entstehend die nekrotisierende Form (NE), seltener vorkommend die regionale Ileitis (RI) und als akute Form die hämorrhagische Enteropathie (P.H.E.). Die ersten drei Formen sind chronische Verläufe mit Durchfall, Futterverweigerung und schlechten Zunahmen. Häufig sind Absetzferkel und Läufer betroffen. Die hämorrhagische Enteropathie tritt besonders bei Schweinen auf, die älter als sechs Monate sind. Hier ist auch mit einer höheren Todesrate und mit wenig Therapieerfolg zu rechnen. Der Erreger ist in jedem Fall Lawsonia intracellularis.

Durch diese Diagnosestellung folgte eine Überprüfung des Aufzuchtbereiches. Besonders ältere Flatdeckferkel und Vormastläufer hatten in der Vergangenheit immer wieder dünnbreiigen Kot, aber nie blutig. In solchen Fällen durchgeführte Behandlungen mit Tiamulin über das Futter brachten gute Erfolge. Untersuchungen von Kotproben an hiesigen Instituten erbrachten in konstanter Regelmäßigkeit als Diagnose Brachyspira hyodysenteriae. Diese Befunde sind in sofern zu hinterfragen, da der mikroskopische Nachweis der Erreger allein nicht den Diagnoseschluss Dysenterie zulässt. Durch den Behandlungserfolg mit Tiamulin wurde in der Vergangenheit die Diagnostik nicht weiter vertieft. Bei der jetzt neu durchgeführten Untersuchung von vier Kotproben wurden zwar Brachyspiren gefunden, die sich aber bei der PCR - Untersuchung nicht als Brachyspira hyodysenteriae, sondern als Brachyspira murdochii darstellten. Deren krankmachende Eigenschaften sind umstritten und sicher nicht mit denen von Brachyspira hyodysenteriae vergleichbar. Blutserologische Untersuchungen auf Lawsonia intracellularis von Vormasttieren waren positiv.

Durch den jetzt bekannten und vervollständigten Erregerstatus ist das Therapiekonzept umgestellt worden. Die Läufer werden mit Tylosinphosphat (100 Gramm pro Tonne Futter) über 21 Tage metaphylaktisch mediziniert. Jungsauen werden ebenfalls unter Medizinierung mit Tylosinphosphat in den Bestand genommen. Bisher funktioniert dieses Konzept sehr gut.

In Kontaktbetrieben, die vom beschriebenen Betrieb beliefert wurden traten vereinzelt ähnliche Symptome auf. Untersuchungen von Kotproben mittels PCR waren in der Regel auf Lawsonia intracellularis positiv.


Pigpool-Fazit für die Praxis:
Der Erregernachweis ist mittlerweile durch Untersuchung von Kot oder Blut möglich. Da diese Verfahren nicht von allen veterinärmedizinischen Untersuchungslaboratorien durchgeführt werden, ist ein entsprechendes Institut zu wählen. Damit lassen sich Rückschlüsse auf den Status des Bestandes ziehen.
Direkt lässt sich der Erreger nur durch mikroskopische Untersuchung von Dünndarmabschnitten nachweisen.
Durch die vereinfachte Diagnosestellung ist eine gezielte Prophylaxe heute leicht möglich. Tylosin aber auch Chlortetracyclin ist in aller Regel gut wirksam. Die Prognose bei Akutfällen ist schlecht, deshalb ist der Prophylaxe immer der Vorrang zu geben. Dazu gehört es, Stressfaktoren wie z. B. häufiges Umtreiben, schlechtes Futter oder Hygieneverhältnisse zu vermeiden, da diese den Ausbruch von Lawsonia - Infektionen begünstigen.

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