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Fall des Monats Mai 2006

Abgemagerte Sauen und schlechte Herdenleistung

Dr. Reinhold Heggemann, 25782 Tellingstedt 

Der Bestand

Diesen Monat stellen wir Ihnen einen Betrieb mit 250 Sauen vor. Trotz intensiver Tierbetreuung, guter Hygiene und gutem Betriebsmanagement konnte die Leistung der Herde in den letzten Jahren nicht wesentlich gesteigert werden. Letztendlich hat die nicht zufriedenstellende Herdenleistung den Landwirt veranlasst, eine andere Sauengenetik einzustallen.

 

Der Fall
Die Durchsicht der Sauenplanerdaten der letzten Jahre bestätigte die Ausführungen des Landwirtes. Die Umrauschrate betrug im Durchschnitt 17%, die lebend geborenen Ferkel waren mit 10,1/Wurf zu niedrig und die abgesetzten Ferkel lagen bei 19,6 pro Sau/Jahr. Das Impfprogramm der Sauen kann mit alle 4 Monate Rotlauf/Parvo, sowie eine Coli/Clostridien- Impfung vor dem Abferkeln als Standard bezeichnet werden. Darüber hinaus wird alle 4 Monate eine Parasitenbehandlung mittels Injektion durchgeführt. Der Betrieb ist frei von PRRS. Futter wird ausnahmslos zugekauft.


Die Untersuchung

Beim Bestandsdurchgang fielen im Abferkelstall immer wieder einzelne Sauen auf, die extrem abgemagert waren. Dies konnte augenscheinlich nicht durch einen extrem großen Wurf, Krankheit o.ä. begründet werden. Besonders auffällig war dieses Phänomen der abgemagerten Sauen im Eroscenter zu sehen, wo sechs von 30 Tieren absolutes Untergewicht aufwiesen. Ein ähnliches Bild fand sich auch im sog. Außenstall und Wartestall. Insgesamt waren ca. 15% der Sauen untergewichtig und weitere 20% der Sauen nicht optimal konditioniert. Die Fütterungstechnik der Sauen ist in den verschiedenen Gebäudeteilen ganz unterschiedlich: Im Abferkelstall Volumendosierer, im Eroscenter per Hand am Einzeltrog, im Außenstall wird ein 9 MJ-Sattfutter am Einzelautomaten angeboten und im Wartebereich wird seit ca. 7 Jahren mittels Breinuckel gefüttert. Sowohl am Einzelautomaten als auch bei der Breinuckelfütterung wurde ein extrem unterschiedliches Fressverhalten der Sauen beobachtet.Rangniedere, teilweise auch schon deutlich abgemagerte Tiere konnten kein Futter aufnehmen, da der Automat entweder von einer (gut genährten) Sau blockiert oder an der Breinuckelstation weggebissen wurde. Im Wartebereich mit Breinuckel befand sich eine Großgruppe mit 60 Sauen an insgesamt 4 Stationen; also 15 Sauen/Station. Dieses Verhältnis ist als ausreichend zu bezeichnen. Die Prüfung der Futterkurven an den Breinuckelstationen ergab keine Auffälligkeiten.

 
Weiteres Vorgehen
Die wesentliche Maßnahme bestand darin, die Futterversorgung der Tiere zu optimieren. Dazu wurden im sog. Außenstall pro Bucht ein zusätzlicher Trockenautomat bzw. Rondellautomaten installiert, damit mehrere Sauen gleichzeitig fressen können. Im Wartebereich mit den Breinuckeln wurde die Großgruppe mit 60 Sauen in 4 Gruppen zu 15 Sauen unterteilt. Als Entscheidungskriterium für die Gruppenzuteilung diente ausschließlich das Gewicht der Sauen. Untergewichtige und schlecht konditionierte Sauen erhalten vorrübergehend zusätzliche Futtergaben von Hand. Da an der Breinuckelfütterung für einzelne Tiere offensichtlich ein sehr hoher Stress- und Aggressionslevel vorliegt, wurde in diesem Bereich zusätzlich Spielzeug zur Ablenkung installiert. Als vierter Schritt wurden die Tiere ausgiebig beobachtet und sogenannte Störenfriede bzw. gruppenuntaugliche Sauen in anderen Stallbereichen untergebracht.


Diskussion und Bewertung

Offensichtlich lag in diesem Betrieb eine suboptimale Versorgung einzelner Sauen mit Futter vor. Hierbei spielten verschiedene Faktoren eine Rolle. Zum einen war das Fressplatzverhältnis am Trockenautomat sicherlich zu hoch; zum anderen ist die Fütterung am Breinuckel insbesondere für Großgruppen oder auch dynamische Gruppen mit zu- und abgehenden Tieren problematisch. Tatsache ist, dass Schweine in der Gruppe eine Rangordnung auskämpfen und aufrechterhalten. Wie verschiedene Untersuchungen zeigen, beeinflusst die Position der einzelnen Sau innerhalb dieser Rangordnung auch ganz wesentlich das Fressverhalten und hat somit auch direkten Einfluss auf die Stressbelastung und auf die Leistung einzelner Sauen. Die Stressbelastung setzt sich hier aus mehreren Faktoren wie niedere Rangstellung, Futterkampf, Verletzungen, Hunger und letztendlich Unterernährung zusammen. Dr. Bauer und Mitarbeiter (Institut für Tierzucht und Haustiergenetik, Uni Giessen) konnten ganz aktuell erstmalig nachweisen, dass zwischen ranghohen und rangniederen Tieren statistisch gesicherte Unterschiede in der Umrauschrate und in der Wurfgröße gesamt und lebend geborener Ferkel bestehen. Gerade rangniedere Tiere werden in dynamischer Gruppenhaltung sehr stark belastet und können häufig diese Stresssituation nicht mehr kompensieren. Dabei spielt das Fütterungssystem erst mal gar keine Rolle. Wenn aber dann zusätzlich zu dem „normalen Gruppenstress“ noch andere Faktoren wie Rangeleien um das Futter, Verletzungen (hauptsächlich im Schulterbereich) und letztlich Nährstoffunterversorgung (direkt und indirekt) hinzukommen, sind Minderleistungen und erhöhte Remontierung vorprogrammiert.

Laut Richtlinie 2001/88/EG sind „Sauen und Jungsauen in Gruppenhaltung nach einem System zu füttern, das gewährleistet, dass jedes einzelne Tier ausreichend fressen kann, selbst wenn Futterrivalen anwesend sind.“ Diese Richtlinie war bereits 2002 geltendes Recht, als die Breinuckelfütterung durch die DLG geprüft wurde. Eine offene Station kann aber in praxi nach Meinung des Autors niemals eine ausreichende (im Sinne von ungestörte) Futteraufnahme gewährleisten. Nach allen bisherigen Erfahrungen und praktischen Erkenntnissen versuchen Sauen in solchen Fütterungssystemen ihre Tagesration möglichst ineiner durchgehenden Mahlzeit aufzunehmen. Die DLG-Anerkennung dieses Systems läuft Ende 2006 aus. Prüfungen in anderen Ländern oder Versuchsanstalten kamen zu durchaus kritischen Aussagen zu diesem System, bzw. wurden Abruffütterungssysteme ohne Einsperrmöglichkeit nicht zum Verkauf zugelassen.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es sicherlich auch Betriebe gibt, die mit diesem Fütterungssystem zufriedenstellende oder gute Ergebnisse erzielen können. Erfolg oder Misserfolg können von sehr vielen anderen Faktoren wie Genetik, Beschaffung der Fußböden, Einstreu, Gruppengröße, persönliches Engagement, etc. abhängig sein.

  

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