Fall des Monats Mai 2008
Circoimpfung (PCV2) - Erste Fallbeispiele unserer Praxis
Jens Jungbloot, Praxis für tierärztliche Bestandsbetreuung und Qualitätssicherung im Erzeugerbetrieb Schwein
Dr. Reinhold Heggemann, 25782 Tellingstedt
Einführung
Seit 1974 ist das apathogene Porcine circovirus Typ 1 (PCV 1) bekannt. Im Jahr 1998 wurde in Kanada erstmals der krankmachende Typ 2 isoliert und von hier erfolgte die Ausbreitung über Nordamerika nach Europa und Asien.
Verschiedene Krankheitsbilder werden dem Virus zugeordnet. Als erstes das post weaning multisystemic wasting syndrome (PMWS), dessen Hauptmerkmal das Kümmern der Ferkel nach dem Absetzen und das starke Auseinanderwachsen ist. Die Schwere der Klinik ist jeweils abhängig von den Sekundärinfektionen. Während früher vor allem Flatdeckferkel betroffen waren, hat sich das Geschehen jetzt mehr in die Mast verlagert.
Läufer mit PMWS
Der 2. Symptomenkomplex wird als porcines dermatitis und nephropathy syndrome (PDNS) bezeichnet, hier stehen Hautveränderungen (Nekrosen) und Nierenentzündung (Glomerulonephritis) im Vordergrund. Es ist eher eine Einzeltiererkrankung.
Tier mit PDNS
Der porcine respiratory disease complex (PRDC) ist die 3. Erscheinungsform, bei der Lungenerkrankungen auftreten, häufig unter Mitbeteiligung anderer Erreger, selbst wenn gegen diese geimpft wurde (PRRS, Hämophilus, APP, Mykoplasmen). (Lesen Sie dazu auch auf dieser Internetseite den „Fall des Monats Oktober 2007“)
Auch Reproduktionsstörungen bei Sauen wie Aborte, erhöhte Zahl an Mumien, tote und lebensschwache Ferkel können im Zusammenspiel mit anderen Erregern bei einer PCV 2 Infektion auftreten. Durchfallerkrankungen, nässendes Ekzem, Ferkelzittern und Hirnschädigungen werden ebenfalls mit dem Circovirus in Verbindung gebracht. Die PCV 2 Infektion ist eine klassische Faktorenkrankheit, bei der es oftmals schwierig ist, den oder die auslösenden Faktoren zu erkennen.
Bislang lag die Bekämpfungstrategie in der Optimierung der Umweltfaktoren (McREBEL bzw. 20 Punkte-Plan nach MADEC). Stressvermeidung, Verbesserung der Hygiene, Reduzierung des Tierverkehrs und der Tierkontakte, sowie einer effizienten Kontrolle und Bekämpfung der Sekundärerreger. Dies waren bislang die einzigen möglichen Maßnahmen zur Bekämpfung. Häufig konnte damit ausschließlich aber keine wirklich befriedigende Lösung gefunden werden.
Seit einiger Zeit stehen uns jetzt Impfstoffe (Totimpfstoffe) gegen die Circovirusinfektion von verschiedenen Herstellern zur Verfügung:
Hersteller |
Produkt |
Tier |
Anzahl Injektionen |
Verfügbarkeit |
Merial |
Circovac |
Sau |
2x + Boosterung |
zugelassen |
Boehringer Ingelheim |
Circoflex |
Schweine ab 3. LW |
1 |
zugelassen |
Fort Dogde |
Suvaxyn PCV 2 one dose |
Ferkel 4. LW |
1 |
Nach §17c TierSG beantragen |
Intervet |
Porcilis PCV |
Ferkel |
1 |
Nach §17c TierSG beantragen |
Aus Amerika kamen erste Erfahrungsberichte über den Einsatz der PCV 2 Impfstoffe mit teilweise sensationellen Erfolgen. Die deutschen Schweinehalter hofften deshalb auf die rasche Einführung der Impfstoffe.
Ab dem Jahr 2006 stand dann als erster Impfstoff Circovac der Firma Merial für die Sauenimpfung zur Verfügung, im Jahr 2007 folgte Circoflex der Firma Boehringer für die Ferkelimpfung. Fort Dodge und Intervet folgten mit einem Ferkelimpfstoff. Über die Erfahrungen und Ergebnisse beim Einsatz der Impfstoffe in unserer Praxis (18 Monate) wollen wir im folgenden berichten.
Betrieb 1
Es handelt sich um einen Ferkelerzeuger mit 320 Sauen, Flatdeck und Mast (Neubau) sind an unterschiedlichen Standorten ausgelagert und werden abteilweise ein- und ausgestallt.
Die Sauen werden gegen PRRS und Parvo/ Rotlauf geimpft und sind PCV 2 positiv.
Im Flatdeck gibt es Probleme mit der Glässerschen Krankheit (Hämophilus parasuis), Ödemkrankheit (E.coli) und Streptokokkeninfektionen (Strep. suis). Je nach Bedarf wird mit Colistin und Amoxicillin mediziniert.
In der Mast wurden häufiger Medizinierungen gegen unterschiedliche Krankheitsbilder notwendig.
Die Abferkelrate lag bei 79,5 % und je Sau und Jahr wurden 23,65 Ferkel abgesetzt, die Ferkelverluste lagen bei 13,8 %.
Im Flatdeck traten die PMWS- Symptome ab der 5. Lebenswoche auf, die Verluste lagen bei 9,6 %, die täglichen Zunahmen bei 432 g.
In der Mast gab es sowohl PNDS als auch PRDC, mit Verlusten bei 7,8%; die täglichen Zunahmen waren mit 740g durchschnittlich.
Ende November 2006 wurde mit der Muttertiervakzination (Circovac) begonnen, die Herde wurde 2 mal im Abstand von 4 Wochen grundimmunisiert und 3-4 Wochen vor der Abferkelung erfolgte die Boosterung. Es traten keine unerwünschten Nebenwirkungen auf.
Ein Jahr nach der Impfung waren folgende Leistungsdaten zu dokumentieren: Abferkelrate 72,3 % (-7,2), abgesetzte Ferkel pro Sau und Jahr 22,82 (- 0,83), Saugferkelverluste 8,2 % (-5,6). Die Verschlechterung der Fruchtbarkeitsparameter mussten mit Personalwechsel erklärt werden. Klinisch gab es keine Probleme. Im Flatdeck konnte eine deutliche Verbesserung des Gesundheitsstatus festgestellt werden, die Verluste konnten hier auf 3,5 % (-6,1) gesenkt werden und die Zunahmen lagen bei 460g (+ 28).
In der Mast gab es keine Lungenprobleme mehr. Die Verluste lagen bei 5,2 % (-2,6), die täglichen Zunahmen bei 792g (+52). In Einzelfällen traten PDNS und PMWS auf, die Zahl der Todesfälle stieg in der 2. Masthälfte an.
Fazit: Die Muttertierschutzimpfung brachte eine deutliche Besserung, aber keine vollständige Beseitigung der PCV 2 –Probleme. Eine zeitliche Verschiebung der Klinik nach hinten in die Mast war festzustellen.
Es ist bekannt, dass die maternale Immunität bei den Ferkeln maximal10 Wochen anhält, wobei bereits nach 4 Wochen die Belastbarkeit nachlässt und eine PCV 2- Infektion erfolgen kann. Eine länger anhaltende Immunität bis zum Mastende ist nur durch eine aktive Impfung der Ferkel mit einem dafür zugelassenen Impfstoff zu erreichen; diese wird jetzt seit März 2008 in diesem Betrieb durchgeführt.
Betrieb 2
Betrieb mit 210 Sauen im geschlossenen System. Die Sauen sind PRRS- und PCV 2- positiv, werden gegen PRRS und Parvo/Rotlauf geimpft. Die Ferkel sind infiziert mit Mykoplasmen, Streptokokken und Hämophilus parasuis. Impfungen wurden bei den Ferkeln nicht durchgeführt, vielmehr waren die Streptokokkeninfektion und die Glässersche Krankheit mit Amoxicillin beherrschbar.
2007 traten in der Vormast und Mast schwere Lungenentzündungen auf; die Verluste erhöhten sich auf 6,3 %. Im Zuge detaillierter Diagnostik wurden 2 Tiere zur Sektion gebracht. Bei beiden Tieren wurde eine fibrinöse Pneumonie diagnostiziert und bakteriell Streptokokkus suis und Pasteurella multocida, sowie in der PCR Mycoplasma hyopneumoniae und -hyorhinis, Hämophilus parasuis, PRRS – US Stamm und PCV 2 isoliert.
Ein zusätzlich durchgeführter Schlachthofcheck bei 30 Tieren ergab bei 23 Lungen Veränderungen der Spitzenlappen im Sinne einer durch Mycoplasma hyopneumoniae verursachten enzootischen Pneumonie (bis zu 30 % zerstörte Spitzenlappen), 4 Lungen wiesen andere Veränderungen auf.
Im Folgenden wurden die Ferkel beim Absetzen (3.LW) gegen Mycoplasmen geimpft (one shot). Dadurch konnte keine nennenswerte Besserung der klinischen Symptome erreicht werden. Daraufhin wurde die Impfung der Ferkel gegen Mycoplasmen in die 1. Lebenswoche vorverlegt und beim Absetzen zusätzlich eine Impfung gegen Circovirus verabreicht. Die geimpften Tiere zeigten ab sofort keine Lungenentzündungen mehr; in der Mast sind die Verluste dauerhaft auf unter 1 % gesenkt worden.
Fazit: In diesem Fall wurde deutlich, dass die alleinige Impfung gegen Mycoplasmen keine befriedigendeWirkung zeigte. Es gibt Hinweise, dass eine PCV 2 – Infektion die Ausbildung einer ausreichenden Immunität nach einer Impfung (z.B. Mycoplasmen, PRRS) verhindern kann!!
Betrieb 3
Sauenbetrieb mit 650 Tieren, PRRS - und Mykoplasmen frei, PCV 2 und Lawsonia intracellularis (PIA) positiv. Die Sauen werden gegen Parvo / Rotlauf und Influenza geimpft. Die Ferkel sind ungeimpft, werden im Flatdeck bei Bedarf mit Colistin gegen Ödemkrankheit behandelt. Insgesamt handelt es sich um einen Bestand mit gutem Gesundheitsstatus und guten Leistungen (Abferkelrate: 84,5 %; abgesetzte Ferkel je Sau und Jahr: 23,9; Verluste Flatdeck: 1,8 %).
Es werden 3 Mastbetriebe mit den Ferkeln beliefert. Zwei davon laufen bis auf einzelne PDNS – Fälle völlig problemlos. Im 3. Mastbetrieb trat 4-6 Wochen nach Aufstallung massiv das PMWS auf. Die Leistungsdaten verschlechterten sich enorm. Die Futterverwertung lag bei 1:3,07, die Verluste bei 4,7 %. Wurden in der Vergangenheit Tageszunahmen von 820g erreicht, verschlechterten sich diese auf 747g, die Mastdauer verlängerte sich von 110 Tagen auf 123 Tage.
2 Mastschweine wurden zur Untersuchung in ein Labor gebracht, bakteriell wurden Streptokokken in der Lunge und E.coli im Darm gefunden und im PCR-Test waren die Schweine PCV 2 positiv.
Neben der Optimierung der Haltungsbedingungen (Lüftung, Fütterung) wurde die Entscheidung für die Impfung gegen Circovirus mit dem Impfstoff Circoflex getroffen.
Da es in den beiden anderen Mastbetrieben keine Probleme gab, wurde die Impfung als Kompromiss erst bei Einstallung in den 3.Mastbetrieb durchgeführt. Ein früherer Zeitpunkt wäre sicher optimaler gewesen, aber dennoch verbesserte sich der Gesundheitszustand der Tiere schlagartig.Die täglichen Zunahmen liegen jetzt bei 798g, die Futterverwertung bei 1 : 2,97, die Verluste bei 3,1 % und die Mastdauer sank auf 111 Tage.
Fazit: Selbst bei relativ später Impfung zu Mastbeginn konnten in diesem Fall positive Effekte realisiert werden.
Zusammenfassung
Die PCV 2 Impfung ist ein wichtiges Instrument die Schweineproduktion wieder ökonomisch zu gestalten. Die Muttertierschutzimpfung der Sauen bringt eine deutliche Verbesserung der Ferkelgesundheit und ist vor allem dann sinnvoll, wenn die Probleme vor allem im Flatdeck und z.T. in der Vormast auftreten. Die Circo-Problematik kann sich dann aber nach hinten in die Mast verschieben.
Die Impfung der Ferkel bringt eine deutliche Verringerung der PCV 2 Klinik, ersetzt aber nicht die Optimierung der Umweltfaktoren und des Managements (20 Punkte Programm nach MADEC).
Der Zeitpunkt einer PCV 2 Infektion kann sehr unterschiedlich sein. Für den optimalen Impfschutz ist es angeraten, diesen Zeitpunkt möglichst genau festzustellen. Dazu bedient man sich eines neuen ELISA – Testes, der sowohl die IgM- Antikörper, die unmittelbar nach der Infektion ansteigen, als auch die IgG- Antikörper, die später, aber dafür lang anhaltend ansteigen, darstellen kann. Diese beiden Antikörperfraktionen werden dann ins Verhältnis gebracht und ermöglichen gemäß nachfolgender Tabelle eine Bestimmung des Infektionszeitpunktes und damit schlussendlich des optimalen Impfzeitpunktes (Infektionszeitpunkt minus 2 Wochen).
IgM
|
IgG
|
Infektionszeitpunkt
|
negativ (-) |
negativ (-) |
Keine Infektion |
schwach positiv (+) |
negativ (-) |
Vor ca.1-2 Wochen |
stark positiv (+++) |
schwach positiv (+) |
Vor ca. 2-3 Wochen |
schwach positiv (+) |
stark positiv (+++) |
Vor ca. 4-8 Wochen |
negativ (-) |
positiv (++) |
Vor ca. 8-10 Wochen |