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Fall des Monats Mai 2010

Gehäufte Aborte
Jens JungblootPraxis Dr. Reinhold Heggemann für tierärztliche Bestandsbetreuung und Qualitätssicherung im Erzeugerbetrieb Schwein, 25782 Tellingstedt 

Der Betrieb
Diesen Monat stellen wir Ihnen einen Ferkelerzeuger mit 750 Sauen vor. Dieser Betrieb liegt in sehr guter Alleinlage und ist dadurch u.a. schon längere Zeit frei von PRRS und Enzootischer Pneumonie (Mycoplasma hyopneumoniae). Das Risiko der Infektionseinschleppung von außen ist zudem relativ gering, da der Betrieb schon seit Jahrzehnten Eigenremontierung betreibt. Außer den Standartimpfungen wie Rotlauf/Parvo, Influenza und Coli/Clostridien bei den Sauen sowie Circo bei den Ferkeln werden keine problemorientierten Impfungen oder Standartbehandlungen durchgeführt.


Der Fall
Fruchtbarkeitsprobleme sind bisher relativ unbekannt gewesen. Die Umrauschrate bewegt sich konstant im Bereich um 8 Prozent. Die Leistung ist mit 27,8 Ferkel pro Sau und Jahr aktuell und auch in der Vergangenheit konstant auf hohem Niveau. Deshalb fiel auch der plötzliche Anstieg der Umrauscher auf ca. 20 Prozent in zwei Belegegruppen sofort auf. 
Dazu kamen 3 Aborte von Sauen im 2.-3. Trächtigkeitsmonat.

Zusätzlich konnte bei einzelnen Sauen leichter Scheidenausfluss und Flocken im Harn beobachtet werden. Bei einzelnen Sauen  war das Umrauschen mit eitrigem Ausfluss verbunden.

In der Abferkelung traten plötzlich Würfe mit Spreizerferkeln auf.


Diagnostik
Von einer abortierenden Sau wurden drei Feten sauber aus den Eihüllen entfernt und frisch zur pathologischen Untersuchung gebracht. Folgender Befund wurde erstellt:

Pathologischer Befund
Lunge zum Teil beatmet.
Die anderen Organe erschienen makroskopisch ohne besonderen Befund.

Bakteriologischer Befund
In den Lungen/ Anderen Organen/ Darm und Magen konnte eine bakteriologische Mischflora mit dominierenden Corynebakterien nachgewiesen werden.

Molekularbiologischer Befund
Der direkte Erregernachweis auf PRRS, PCV2 (Circovirus), Parvovirus, Leptospirose, Chlamydien und Influenza blieb in allen untersuchten Materialien negativ.

Dieser Befund sprach zu diesem Zeitpunkt insgesamt wahrscheinlich für ein Abortgeschehen durch bakterielle Infektion. Außerdem passte der Befund zu dem gesehenen Auftreten von Ausfluss.

Wegen des hohen Gesundheitsstatus des Betriebes sollte das Geschehen aber zusätzlich durch Blutproben abgesichert werden. Vor allem sollte der PRRS-Status eindeutig geklärt werden. 
Dazu wurden von drei Abortsauen, drei Nachbarsauen und vier Sauen aus der Abferkelung Blutproben entnommen.
Untersucht wurden die Blutproben auf  PCV-II, PRRS, Leptospirose und Influenza.

Die Ergebnisse für PRRS und Leptospirose waren negativ, für PCV-II wurden überwiegend Altinfektionen nachgewiesen, lediglich die Ergebnisse für Influenza waren ungewöhnlich und führten auf eine neue Spur:

 
H1N1Bakum
H1N1Melle
H1N2Bakum
H1N2Cloppenb
H3N2
Bakum
H3N2Asendorf
Abortsau1
1:160
<1:80
1:320
1:640
1:320
1:320
Abortsau2
1:160
<1:80
1:320
1:1280
<1:80
<1:80
Abortsau3
1:640
1:320
1:640
1:640
1:1280
1:1280
Nachbar1
<1:80
<1:80
<1.80
<1:80
1:160
1:160
Nachbar2
1:160
1:160
<1:80
<1:80
1:160
1:160
Nachbar3
<1:80
1:160
<1:80
<1:80
<1:80
<1:80
Abferkel.1
1:160
1:160
<1:80
<1:80
<1:80
<1:80
Abferkel.2
<1:80
<1:80
<1:80
<1:80
1:640
1:640
Abferkel.3
1:320
1:160
<1:80
1:160
<1:80
<1.80
Abferkel.4
1:160
1:160
<1:80
<1:80
1:640
1:640
                     
 
 

Wie bereits eingangs erwähnt, wird der Betrieb seit Jahren gegen Influenza H1N1 und H3N2 geimpft. In dem Impfstoff sind allerdings nur die Serotypen H1N1 und H3N2 enthalten. Die nachgewiesenen (niedrigen) Titer gegen diese beiden Serotypen können, bzw. müssen somit durch die Impfung erklärt werden.

Gegen den Typ H1N2 ist der Betrieb allerdings ungeschützt, da der bisherige Impfstoff keine Kreuzimmunität gegen diese neue Variante aufbaut. Somit ist die Tatsache, dass die Antikörper nur bei den drei Abortsauen nachgewiesen worden sind, beweisend. 
Die Influenzavariante H1N2 ist relativ neu, aber als Verursacher von Aborten und anderen Fruchtbarkeitsproblemen mittlerweile anerkannt. 
(Siehe auch Fall des Monats April 2009!)


Diagnose und weiteres Vorgehen
Die Diagnose ist eindeutig. Das Abortgeschehen ist auf Influenza H1N2 zurückzuführen. Das bakterielle Geschehen ist als sekundär zu beurteilen. Es wird deutlich, dass eine Diagnostik immer alle Möglichkeiten erfassen sollte und sich nicht mit einem “ersten Ergebnis” zufrieden geben darf. Die Pathologie oder Mikrobiologie allein hätte zu einer Fehldiagnose geführt.

Mittlerweile gibt es auf dem Markt einen neuen Influenza-Impfstoff, der neben den beiden alten Stämmen H1N1 und H3N2 auch den neuen Stamm H1N2 enthält. 
Dieser Impfstoff wird ab jetzt in diesem Betrieb eingesetzt. Wichtig beim Wechsel auf diesen neuen Impfstoff ist, dass die Grundimmunität neu aufgebaut werden muss, also eine zweimalige Impfung im Abstand von drei Wochen für einen belastbaren, langen Schutz notwendig ist. Das Gleiche gilt sinngemäß auch für die Impfung bei Jungsauen (Eingliederung!!). Die Wiederholungsimpfungen sind dann wie bisher im Abstand von 6 Monaten durchzuführen.


Diskussion
Abgestorbene Feten, entstanden durch Störungen in der intrauterinen Entwicklung, können vorzeitig abgestoßen werden, was als Abort bezeichnet wird oder sie mumifizieren. Die Ursache für das Absterben der Feten ist sehr vielfältig. Insofern ist die Abklärung häufig eine Detektivarbeit. Als nicht infektiöse Ursachen sind zu nennen Ernährungsstörungen, Pilztoxine, Stress, Hormonstörungen (Progesteronmangel),  Gewalteinwirkungen (besonders in Gruppen), Klima und Missbildungen der Feten oder Erkrankung der Sau.

Auf der infektiösen Seite können die klassischen Seuchen wie Schweinepest und Aujetzkysche Krankheit Ursachen sein. Viele Virusinfektionen führen zu Aborten: Influenza, PRRS, Parvovirose, Enteroviren und Reoviren.

Von den bakteriellen Erregern sind spezifische Aborterreger wie Brucellen, Rotlauferreger und Leptospiren zu nennen.

Doch auch jeder Wunderreger und Eitererreger kann prinzipiell zum Absterben von Feten führen. So finden wir in unserer Praxis die mit Abstand häufigste, bakterielle Abortursache das Bakterium E.coli; ein sogenannter ubiquitärer Keim oder im Volksmund als „überall vorkommender Dreckskeim“ bezeichnet.

Die Rolle von Chlamydien bei Fruchtbarkeitsproblemen ist nicht endgültig geklärt. Auf jeden Fall können sie mitbeteiligt sein, wobei ein direkter Chlamydiennachweis im Abortmaterial als beweisend anzusehen ist. 
Oft hat man bei einem gehäuften Abortgeschehen auch ein Bündel von Ursachen, die das Geschehen komplizieren. Um wirklich gezielt Aborte zu verhindern, muss die Ursache für die Aborte gefunden werden. Antibiotische Behandlungen als Blindschüsse helfen häufig nicht oder nicht dauerhaft. 

Abschließend muss beachtet werden, dass einige Aborterreger der Seuchengesetzgebung unterliegen. Auch ist bei einem Anstieg der Abortquote auf über 2,5% ist der Tierbesitzer gemäß der Schweinehaltungshygieneverordnung verpflichtet, eine Untersuchung durch einen Tierarzt zu veranlassen! 

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