Fall des Monats November 2006
Kümmern und Gelenkentzündungen bei abgesetzten Ferkel
Jens Jungbloot, Praxis Dr. R. Heggemann, 25782 Tellingstedt
Der Bestand
Diesen Monat soll ein Sauenbetrieb mit 180 Sauen und anschließender Mast vorgestellt werden. Die Haltung der Tiere ist insofern etwas ungewöhnlich, als dass die Sauen in Einzelständen belegt und dann nach der Trächtigkeitskontrolle in eine Großgruppe verbracht werden, die im Sommer draußen auf der Weide gehalten werden. Die Abferkelung erfolgt wiederum im Stall im 2-Wochenrhythmus bei einer Säugezeit von 3 Wochen. Das Flatdeck mit den abgesetzten Ferkeln ist in einem separaten Gebäude untergebracht. Die Mast erfolgt wiederum in einem anderen Stall auf dem Hofgelände.
Der Bestand ist PRRS positiv. Daher werden die Sauen gegen PRRS und zusätzlich gegen Parvo/Rotlauf und Influenza geimpft.
Die Ferkel erhalten in der dritten Lebenswoche eine Impfung gegen Mycoplasmen mit einem sogenannten One-shot Impfstoff.
Der Fall
Der Ferkelerzeuger klagte über massive Probleme mit den abgesetzten Ferkeln auf dem Flatdeck. Dabei würden besonders dicke Gelenke und zurückbleibende Tiere auffallen. Es seien schon verschiedenste Behandlungen durchgeführt worden; allerdings ohne dauerhaften Erfolg.
Bei dem ersten Stalldurchgang war auffällig, dass bereits schon bei den Saugferkeln dicke Gelenke zu beobachten waren. Im Flatdeck war dieses Problem entsprechend des Vorberichtes so massiv, dass jedes zweite Ferkel betroffen war. Daneben waren viele Ferkel mit akuten Lungenentzündungen und ca. 15 % Kümmerer zu sehen.
In einer Bucht mit 50 Tieren war der Anteil der Kümmerer mit ca. 40% extrem hoch. Erstaunlicherweise hatten diese Ferkel sogar beim Absetzen eine Injektion mit einem Antibiotikum erhalten!
Durchfall konnte kaum beobachtet werden. Die Tiere, die das Flatdeck überlebt hatten, entwickelten sich in der Mast gut; hatten aber z.T. Fundamentprobleme.
Die Untersuchung
Es wurden zwei Saugferkel und drei Flatdeckferkel für die Sektion ausgesucht. Diese sollten einer eingehenden Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der Gelenke unterzogen werden.
Die Ergebnisse werden in der folgenden (etwas unübersichtlichen) Tabelle dargestellt:
Tier |
Pathologisch- anatomischer Befund |
Bakteriologie |
Erregernachweis-PCR |
Saugferkel 1 |
geringgradige Polyarthritis |
Lunge: Staphylococcus aureus Escherichia coli Sonstige Organe: kein Nachweis Darm: Clostrdium perfringens Gelenke: kein Nachweis |
kein Nachweis |
Saugferkel 2 |
geringgradige Polyarthritis |
Lunge: kein Nachweis Sonstige Organe: E. coli Darm: E. coli Enterococcus spec. Gelenke: E. coli Enterococcus spec. Streptokokken |
Lunge: Haemophilus parasuis |
Flatdeckferkel 1 |
fibrinöse Pleuritis/Pericarditis geringgradige Spitzenlappenpneu-monie Polyarthritis |
Lunge: Haemophilus spec. Sonstige Organe: Staphylococcus hyicus Staphylococcus aureus Darm : Staphylococcus aureus Gelenke: Staphyloc. hyicus Staphyloc. aureus |
Lunge : - PCV II - Haemophilus parasuis - Mycoplasma hyorhinis |
Flatdeckferkel 2 |
eitrige Peritonitis/Pleuritis fibrinöse Pericarditis Spitzenlappenpneu-monie |
Lunge: Staphylococcus hyicus Sonstige Organe :Staphylococcus aureus Staphylococcus hyicus Darm: E. coli Bacillus spec. Gelenke: Staphylococcus aureus Escherichia coli |
Lunge: Mycoplasma hyorhinis |
Flatdeckferkel 3 |
eitrige Peritonitis fibrinöse Pericarditis/Pleuritis Spitzenlappenpneu-monie fibrinöse Polyarthritis |
Lunge: Staphylococcus hyicus Staphylococcus aureus Sonstige Organe: Escherichia coli Darm: Escherichia coli Clostidium perfringens Gelenke: Staphylococcus hyicus Staphylococcus aureus |
Lunge: Mycoplasma hyorhinis |
Anhand des dargestellten Untersuchungsergebnisses muss man von einer Mischinfektion mit Haemophilus parasuis (Glässersche Krankheit) und den Eitererregern Staphylococcus hyicus und Staphylococcus aureus ausgehen. Typisch für die Glässersche Krankheit ist das Auftreten von fibrinösen Pericarditiden (Entzündung des Herzbeutels) und fibrinösen Pleuritiden/Peritonitiden (Brustfell/Bauchfellentzündung).
Die Spitzenlappenpneumonien können von Mycoplasma hyorhinis hervor gerufen worden sein, wobei Mycopl. hyorhinis auch durchaus Polyserositis verursachen kann.
Insofern passen hier die klinischen Symptome im Stall und die Untersuchungsergebnisse der Sektion als auch der Bakteriologie und der PCR sehr schlüssig zusammen.
Weiteres Vorgehen
Da die ersten klinischen Symptome bereits bei den Saugferkeln zu sehen waren, wurde der Behandlungszeitpunkt bereits in den Abferkelstall vorverlegt. Dazu wurden die Sauen drei Tage vor der Abferkelung bis eine Woche nach der Abferkelung oral mit Amoxicillin versorgt. Die Saugferkel bekamen ebenfalls über bereitgestelltes Trinkwasser oral Amoxicillin verabreicht und die abgesetzten Ferkel wurden weiterhin für die ersten zwei Wochen nach dem Absetzen mit Amoxicillin metaphylaktisch behandelt. Die Dosierung betrug 2 x 10mg / kg Körpergewicht / Tag.
Weiterer Verlauf
Innerhalb von zwei Wochen besserte sich das klinische Bild deutlich. Lungenentzündungen und Kümmern traten nicht mehr auf. Gelenkentzündungen kamen nur noch als Einzeltiererkrankung vor. Diese wurden mit Amoxicillin per Injektion behandelt.
Diskussion
Die vom Landwirt berichtete Beobachtung, dass die mit einer antibiotischen Injektion behandelten Absatzferkel am Stärksten erkrankt waren, ist zunächst unlogisch; lässt sich aber anhand der Untersuchungsergebnisse gut erklären.
Der eingesetzte Wirkstoff hatte eine sehr gute, aber auch sehr selektive Wirkung gegen Haemophilus parasuis. Durch das Ausschalten diesen Erregers konnten sich die beiden Eitererreger Staphylococcus hyicus und aureus ohne zusätzlichen Konkurrenzkeim entfalten. Dies führte dann zu den schweren Lungen- und Gelenkentzündungen.
Das im Zusammenhang mit der Sektion erstellte Antibiogramm belegte, dass alle drei Erreger auf Amoxicillin empfindlich sind. Somit ist der Wirkstoff Amoxicillin in diesem Fall als Mittel der Wahl anzusehen.
Eine Impfung der Ferkel gegen die Glässersche Krankheit wäre ebenfalls möglich, wobei aber keine Wirkung auf die Staphylococcen zu erwarten ist. Außerdem sind die Kosten für eine (Doppel-) Impfung wesentlich höher als die metaphylaktische Behandlung der Ferkel.
Als weiterführende Maßnahme muss allerdings auch der Grund für die massiven Krankheitssymptome hinterfragt werden. Hier sind die Durchführung der Stallreinigung und Desinfektion, sowie Hygienemaßnahmen am Tier bei Geburt, Kastration etc., sowie die Haltungsbedingungen insgesamt kritisch zu überprüfen.