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Fall des Monats Oktober 2000

Atypische Schnüffler
Durch einen Kollegen aus Österreich wurden wir auf folgenden Fall aufmerksam gemacht 

Vorbericht
Bei einem routinemäßigen Bestandsbesuch in einem Mastbestand fielen mehrere Schweine mit Nasendeformationen auf. Der Maststall ist als Kammstall mit fünf mal 120 Plätzen gebaut. Diese Abteile werden im Rein-Raus-Verfahren belegt. Bisher galt der Ferkellieferant und der Maststall als Rhinitis atrophicans-frei (Schnüffelkrankheit: frei). Der Bestand des Ferkellieferanten ist PRRS- und EP - positiv (= Enzootische Pneumonie). Deshalb werden die Ferkel gegen PRRS und Mykoplasmen geimpft.


Diagnostik
Bei der genauen Begutachtung der Schweine, wurden 12 Tiere unterschiedlichen Mastalters in drei Abteilen mit diesen Nasendeformationen gefunden. Dabei erschienen die Veränderungen an der Nase nicht typisch für Schnüffelkrankheit zu sein. Am besten lassen sich die Veränderungen so beschreiben: die Nasen waren gestaucht, als wenn das Schwein vor die Wand gelaufen wäre. Dabei war ein Höcker auf dem Nasenrücken auffällig. Bei einigen Schweinen war die Nase auch leicht seitlich gekrümmt. Eine erhöhte Rate von Lungenentzündungen oder gar (blutiger) Nasenausfluss konnte nicht beobachtet werden. Die Besatzdichte war normal und die klimatischen Verhältnisse als gut anzusehen. 

 
Auftreibungen beiderseits des Nasenrückens mit Schiefstellung der Rüsselscheibe



 
Vorwölbung des Nasenrückens bei unzureichendem Ernährungszustand

Um sicher zu gehen, dass es sich nicht doch um Schnüffelkrankheit handelt, wurde von allen erkrankten Tieren und zusätzlich von je zwanzig gesunden Tieren aus jedem Abteil Nasentupfer genommen und mittels Pasteurella - Toxin - ELISA auf Schnüffelkrankheit untersucht. Toxinbildende Pasteurella multocida - Stämme gelten als Erreger der Schnüffelkrankheit (Rhinitis atrophicans). Alle gezogenen Proben waren negativ. 

Da die Erkrankung der Tiere doch etwas eigenartig erschien, sollte das Problem gänzlich geklärt werden. Darum wurden von den betroffenen Tieren nochmals Nasentupfer genommen und danach die Tiere der Schlachtung zugeführt, mit der Bitte die Nasen für weitere Untersuchungen aufzubewahren. Die Nasentupfer wurden zur Mikrobiologie eingesandt und auf kompletten Keimgehalt untersucht. Eine Doppelprobe von den Nasentupfern wurde zu einem Speziallabor zur PCR - Untersuchung (Polymerase-Ketten-Reaktion) eingesandt. Auch in der PCR waren toxinbildende Pasteurella multocida nicht nachweisbar. Bei der allgemeinen mikrobiologischen Untersuchung wurden Pasteurella multocida, nicht aber toxinbildende Stämme in zwei Proben, und in fünf Proben zusätzlich Bordetella bronchiseptica nachgewiesen. Bei der Schnittuntersuchung der Nasen war auffällig, dass die Nasenscheidewände verbogen waren. Dadurch wurden die Nasenmuscheln eingeengt. Diese waren aber nicht atrophiert (zerstört), wie es bei der Schnüffelkrankheit typisch ist. Daher stammt auch der lateinische Fachbegriff Rhinitis atrophicans für die Schnüffelkrankheit. 

Da einige Nasenrücken eine beidseitige, seitliche Aufwölbung aufwiesen, wurde die Möglichkeit diskutiert, ob die Auftreibungen eventuell durch eine Zahnfachentzündung bedingt sein könnte, die im Gefolge einer unsachgemäßen Zahnresektion im Ferkelalter auftreten kann. Durch Befragung des Ferkelerzeugers konnte diese Möglichkeit aber ausgeschlossen werden, da derlei Manipulationen an den Ferkeln nicht vorgenommen wurden.

 






Der Pfeil zeigt auf die normal ausgebildeten Nasenmuscheln












1. einseitige Auftreibung
2. beidseitige Auftreibung




Diskussion
Wie schon erwähnt geht man heute davon aus, dass nur toxinbildende Stämme von Pasteurella multocida für die Schnüffelkrankheit verantwortlich zu machen sind. Die frühere Lehrmeinung betrachtete dagegen die Schnüffelkrankheit als eine komplexe Erkrankung bei der mehrere Krankheitserreger beteiligt sind. Dabei waren Pasteurella multocida und Bordetella bronchiseptica als Leitkeime anzusehen. Weitere Bakterien und Viren, sowie Umweltbedingungen wurden als Ursache diskutiert (Faktorenkrankheit).

Die oben aufgeführten Untersuchungen stützen die These, dass wohl Pasteurella multocida im Zusammenspiel mit Bordetella bronchiseptica Nasenveränderungen hervorrufen können, aber typische Atrophien, wie bei der Schnüffelkrankheit, nicht bewirken.
Ein weiterer Aspekt, der sich von der typischen Schnüffelkrankheit unterscheidet, ist die Ausbreitungshäufigkeit. Bei einer typischen Schnüffelerkrankung wären wesentlich mehr Schweine betroffen gewesen.


Weiterer Verlauf
Im weiteren Verlauf traten solch erkrankte Tier immer wieder vereinzelt auf. Durch aufmerksamere Tierbeobachtung wurde klar, dass die Tiere schon mit diesen Nasenveränderungen vom Ferkelerzeuger kamen, so dass man davon ausgehen kann, dass es sich um eine Infektion der Saug- und / oder Flatdeckferkel handelt. Während der Mastperiode blieben diese Tiere deutlich hinter den Tieren der gleichen Altersstufe zurück. 

Da es sich bei den erkrankten Tieren nur um einen geringen Prozentsatz handelt, ist eine Bestandsbehandlung nicht wirtschaftlich. Die Behandlung der Einzeltiere kommt beim Auftreten der Deformierungen zu spät. So bleibt als einzige Maßnahme die Selektion betroffener Tiere, da sie nicht masttauglich sind. 

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