Fall des Monats Oktober 2006
Kleine Ursache – große Wirkung
Dr. R. Heggemann, Bahnhofstr. 69, 25782 TellingstedtDer Bestand
Heute stellen wir Ihnen einen Kombibetrieb mit 300 Sauen vor. Sauen und abgesetzte Ferkel sind an einem Standort und die Masttiere in einem separaten Stall in ca. 400 m Luftlinie untergebracht. Der Bestand hat im Grunde alle typischen Probleme wie PRRS, Circo, APP, Hämophilus, Ödemkrankheit und Husten bei Absatzferkeln usw. Teilweise wird gegen die Erreger prophylaktisch geimpft oder metaphylaktisch therapiert.
Der Fall
Bei einem routinemäßigen Bestandsbesuch erwähnte der Betriebsleiter, dass es momentan ein Hustenproblem bei den abgesetzten Ferkel gäbe. Trotz eingeleiteter Medikation seit 2 Tagen sei keine wesentliche Besserung zu verzeichnen.
Die Untersuchung
Beim gemeinsamen Stalldurchgang fielen einzelne Tiere mit Husten auf, der nach dem akustischen Eindruck eher in den oberen Atemwegen angesiedelt war. Ganz vereinzelt hatten einige Tiere auch schleimigen, klaren Nasenausfluss. Ferkel mit Pneumonie oder wesentlich erhöhter Temperatur waren nicht vorhanden. Der Husten betraf alle Abteile und Altersgruppen gleichermaßen.
Zu dieser Zeit lag ein sehr extremes Klima vor. Tagsüber herrschten Temperaturen von zum Teil deutlich über 30° C, während in der Nacht das Thermometer auf ca. 15° C fiel. Meteorologen prägten den Begriff „Saharasommer“, da sich das Wüstenklima eben auch durch extreme Temperaturschwankungen auszeichnet.
Weiteres Vorgehen
Der Betrieb wird intensiv tierärztlich betreut und Husten im Flatdeck war eigentlich in der Vergangenheit kein Problem. Aus den gesamten Begleitumständen wie die Qualität des Hustens, Historie des Betriebes, diagnostische Historie, keine wesentliche Besserung trotz Medikation und den klimatischen Begleitumständen wurde eine infektiöse Ursache des Hustens für unwahrscheinlich gehalten. Vielmehr wurde die Lüftungsführung dafür verantwortlich gemacht.
Als Sofortmaßnahme wurden in allen Abteilen die Lüftungsparameter wie folgt geändert: Die maximale Solltemperatur wurde um ca. 3° C angehoben; die Spreizungseinstellung ebenfalls erhöht und die maximale Lüftungsrate auf ca. 80% begrenzt.
Verlauf
Bereits nach einem Tag war eine deutliche Besserung zu verzeichnen und nach 2 Tagen war der Husten komplett verschwunden. Aufgrund des schnellen Erfolges und als vorbeugende Maßnahme änderte der Betriebsleiter auch sofort die entsprechenden Einstellungen im Maststall. Eine Medikation erfolgte nach den Änderungen an der Lüftungssteuerung nicht.
Diskussion und Bewertung
Schon die normalen Klimawechsel zwischen Winter und Sommer, aber insbesondere auch die extremen Klimasituationen wie oben beschrieben, verlangen eine Anpassung der Lüftung an die entsprechende Situation. Zusammenhänge zwischen Lüftung und Atemwegserkrankungen sowie auch z.B. das gehäufte Auftreten von Schwanzkannibalismus sind noch relativ leicht nachvollziehbar.
Aber der Zusammenhang zwischen Lüftungsfehlern und anderen Erkrankungen wie auch die Ödemkrankheit ist den Wenigsten bewusst. Lüftungsfehler im Allgemeinen erzeugen Stress und sind unter Umständen ausreichend, eine generalisierte Erkrankung auszulösen.
Im Sommer und noch dazu mit relativ großen Tag-Nachtschwankungen ist es äußerst wichtig drei Parameter an der Lüftung zu ändern: Solltemperatur und Spreizung hoch, sowie eine Begrenzung der maximalen Luftrate auf ca. 80%. Dadurch wird eine deutliche Reduzierung der Schwankungen im Stall erreicht. Bei 30° C Außentemperatur macht es keinen Sinn, im Stall die Solltemperatur von z.B. 23°C erreichen zu wollen. Diese wird, wenn überhaupt, in den frühen Morgenstunden erreicht, um dann wieder im weiteren Tagesverlauf schnell anzusteigen. Wichtig für das Wohlbefinden der Tiere ist nicht so sehr die absolute Höhe der Temperatur (die sowieso über dem Optimalwert liegt), sondern die Reduzierung der Temperaturschwankungen.
Ein weiteres Augenmerk ist auf die Zuluftführung zu legen. Wird die Zuluft üblicherweise aus dem Dachraum gezogen, so ist dies in heißen Sommermonaten sicher kontraproduktiv, da hier nicht selten Temperaturen von bis zu 60° C erreicht werden können.
In solchen Situationen muß die Zuluft z.B. über eine oder mehrere Außentüren bzw. Fenster oder über die Traufe erfolgen. Bei der Luftführung über die Traufe ist aber auch zu beachten, dass hier die Luft unter Umständen über aufgeheizte Außenwände geführt wird!
Pigpool Fazit
In extremen Klimasituationen ist beim Auftreten von Atemwegserkrankungen oder anderen Problemen immer auch die Lüftung/Luftführung mit zu überprüfen und macht einen Einsatz von Medikamenten häufig überflüssig.