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Fall des Monats Oktober 2010

Todesfälle und Kümmern im Flatdeck
Jens Jungbloot, Praxis für tierärztliche Bestandsbetreuung und Qualitätssicherung im Erzeugerbetrieb Schwein
Dr. Reinhold Heggemann, 25782 Tellingstedt 

Der Bestand 

Bei dem vorliegenden Fall bat ein Landwirt um Hilfe, da auf seinem Flatdeck seit längerer Zeit erhöhte Verluste auftraten.
Bei dem Bestand handelte es sich um einen Babyferkelaufzüchter mit anschließender Mast. Die Ferkel bezog er mit einem Alter von drei Wochen aus nur einer Herkunft. Sie waren mit einer Impfung gegen Circovirose und Enzootischer Pneumonie („Mycoplasmen“) ausgestattet.
 
 
Der Fall 
Bei dem durchgeführten Bestandsbesuch fielen viele in der Entwicklung zurückgebliebene Ferkel auf. Etwa ein Drittel der Tiere hatte Schäden an den Beinen, teilweise in Form akuter Gelenksentzündungen, aber auch vermehrt Auftreibungen von früheren Entzündungen.
Zwei Ferkel lagen auf den Stallgängen mit Ruderbewegungen der Beine und starrem Blick. Drei weitere Ferkel unterschiedlichen Alters waren akut verendet. Der Nacken dieser Tiere war etwas gestreckt.
  
Ferkel in Seitenlage, gestrecktem Nacken und starrem Blick; 
verursacht durch eine Streptokokken-Infektion


Des weiteren war ein latenter Husten in allen Abteilen vorhanden. Der Haustierarzt hatte in der Vergangenheit die Diagnose Streptokokkeninfektion gestellt und den Bestand wiederkehrend oral mit Amoxicillin behandelt. Die plötzlichen Todesfälle traten trotz der Medikation immer wieder auf.
 
 
Diagnostik und Behandlung 
Bisher wurde keine Diagnostik durchgeführt, so dass der Landwirt keine alten Befunde hatte.
 
Die drei verendeten Ferkel wurden zur Sektion gebracht. Folgender Befund wurde erhoben:
 
Ferkel 1 :
 
Pathologie: Lunge: mittelgradige Spitzenlappenpneumonie, restliche Organe ohne besonderen Befund (o.b.B.)
 
Bakteriologischer Befund: Lunge - Streptococcus suis und E. coli ( Escherichia coli )
                                          Organe - Staphylococcus aureus und E. coli
                                          Darm - E. coli und Clostridium perfringens
                                          Gehirn - kein Nachweis
 
Molekularbiologischer Befund: Influenza A und Haemophilus parasuis
 
Ferkel 2 :
 
Pathologie: o.b.B.
 
Bakteriologischer Befund: Lunge - Streptococcus suis und E. coli
                                          Organe - Streptococcus suis
                                          Darm - E. coli
                                          Gehirn - E. coli
 
Molekularbiologischer Befund: Haemophilus parasuis
 
 
Ferkel 3
 
Pathologie: mittelgradige Spitzenlappenpneumonie mit Lungenödem, akute eitrige Hirnhautentzündung mit Ödemen
 
Bakteriologischer Befund: Lunge - Streptococcus suis und E. coli
                                          Organe - Streptococcus suis und E. coli
                                          Darm - E. coli
                                          Gehirn - Streptococcus suis, Staph. aureus, E.coli
 
Molekularbiologischer Befund:  Nicht durchgeführt
 
 
Bei der Untersuchung sind im Wesentlichen mit Streptococcus suis und E. coli zwei Leitkeime nachgewiesen worden, die plötzliche Todesfälle verursachen können.
 
Beide Erreger können zentralnervöse Störungen hervorrufen, wie sie auch in diesem Betrieb gesehen wurden. Klinisch sind sie daher im Stall ohne begleitende Diagnostik schwer oder gar nicht zu unterscheiden. Da die Todesfälle in der Vergangenheit auch unter einer Amoxicillinbehandlung auftraten, war zu vermuten, dass in diesem Fall der E. coli Keim als Verursacher der Probleme angesehen werden musste. Deshalb wurde die orale Behandlung auf den Wirkstoff Colistin umgestellt.
  
                                         
Weiterer Verlauf 
Nach Colistingabe verschwanden die plötzlichen Todesfälle sofort. Die durch E. coli hervorgerufene Ödemkrankheit konnte somit wirksam bekämpft werden.
Die Probleme, die von den Streptokokken hervorgerufen wurden wie Gelenkentzündungen, Lungenprobleme und Hirnhautentzündungen, waren allerdings weiterhin präsent.
 
Die durch Haemophilus parasuis verursachte Glässersche Krankheit verkomplizierte das Krankheitsgeschehen zusätzlich.
Die orale Gabe von Colistin auf dem Flatdeck eliminierten zwar die Verluste, konnte aber das Gesamtproblem nicht lösen.
Erst in der Zusammenarbeit mit dem Sauenhalter wurde die Streptokokkeninfektion und die Glässersche Krankheit wirksam bekämpft. Durch verschiedene ergriffene Maßnahmen konnte die Übertragung von Streptokokken im Saugferkelalter deutlich minimiert werden. (Siehe dazu auch bei Pigpool: Infopool-> Checklisten->Checkliste zur Streptokokkenbekämpfung)
 
 
Diskussion 
Bei dem vorliegenden Fall wird deutlich, dass bei Bestandsproblemen vor einer Behandlung zwingend Diagnostik durchgeführt werden muss. Dies wird im übrigen auch durch die verbindliche Antibiotikaleitlinie gefordert.
 
Die Kombination: Vermehrte akute Todesfälle, zentralnervöse Ausfallerscheinungen und Gelenkentzündungen lassen zwar den Verdacht „Streptokokkeninfektion“ zu, doch können auch andere Erreger bzw. Krankheiten eine ähnliche Symptomatik zeigen.
 
Zentralnervöse Symptome sind u.a. auch bei der durch E. coli hervorgerufenen Oedemkrankheit, Aujezkyschen Krankheit, bei der Teschen - Talfan - Disease, der Schweinepest und bei einer Kochsalzvergiftung nachweisbar.

Ferkel mit zentralnervösen Störungen,
verursacht durch eine Kochsalzvergiftung

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