Fall des Monats September 2010
Umrauscher bei Jungsauen
Jens Jungbloot, Praxis für tierärztliche Bestandsbetreuung und Qualitätssicherung im Erzeugerbetrieb Schwein
Dr. Reinhold Heggemann, 25782 Tellingstedt
Der Betrieb
Heute stellen wir einen Mastferkelerzeuger mit 560 Sauen vor. Dieser Betrieb hat eine gute Alleinlage und ist dadurch schon längere Zeit frei von PRRS und enzootischer Pneumonie (Mycoplasma hyopneumoniae). Das Risiko einer Reinfektion ist auch durch die praktizierte Eigenremontierung relativ gering. Die Mast erfolgt zudem auf einem zweiten Standort.
Vor ca. einem Jahr hatte der Betrieb Fruchtbarkeitsprobleme bei den Sauen, die auf eine Influenzainfektion mit dem Serotyp H1N2 zurückzuführen waren. Aufgrund dieser Tatsache fiel die Entscheidung zukünftig eine Influenzaimpfung gegen diesen Serotyp vorzunehmen.
Der Fall
Seit der Influenzaimpfung gab es zunächst keine Fruchtbarkeitsprobleme mehr. Die Wiederbelegungsrate lag bei 8%. Im Schnitt konnten 28,2 Ferkel pro Sau und Jahr erreicht werden. Jungsauen wurden mit Brunstsynchronisation eingegliedert und lagen bei akzeptablen 10% Umrauscher.
Im Frühjahr 2010 fingen die Jungsauen an häufiger umzurauschen.Bei einzelnen Gruppen waren es über 50%. Mehrere Jungsauen rauschten häufiger und azyklisch um.
Bei den Altsauen waren keine Veränderungen in der Umrauschrate und Wurfleistung aufgetreten.
Diagnostik Bei einer Betriebsbesichtigung präsentierten sich die Jungsauen gut entwickelt. Bei der Jungsauenaufzucht, Jungsaueneingliederung und dem Belegemanagement gab es augenscheinlich nichts zu bemängeln. Die Kontrolle erfolgte anhand einer Checkliste.
Von zwei auffälligen Jungsauen wurden nach der Schlachtung die Genitalorgane für eine pathologisch-anatomische und histologische Untersuchung entnommen. Zur Einsendung kam der gesamte Genitaltrakt (Scheide, Gebärmutterhals, Gebärmutter, Eileiter und Eierstöcke) mit Harnblase und zusätzlich in einem Extragefäß die Gallenblase mit Gallenflüssigkeit.
Befund
Bei der Jungsau 1 zeigte der Eierstocksbefund einen annähernd regelmäßigen Zyklusverlauf. Es waren drei aufeinanderfolgende Zyklen nachweisbar. Die Jungsau befand sich zum Zeitpunkt der Schlachtung in der Vorbrunst.
Allerdings zeigte das Gewicht der Gebärmutter starke Veränderungen zum Normalbefund. Bei zyklischen Jungsauen beträgt das Normalgewicht der Gebärmutter ca. 400 - 600 Gramm. Bei dieser Jungsau wog die Gebärmutter 1260 Gramm. Die Gebärmutter war also stark vergrößert , die Schleimhaut gerötet und stark geschwollen (ödematös). Die histologische Untersuchung der Gebärmutterschleimhaut bestätigte zudem eine Entzündung (Endometritis). Weiterhin wurden in der Schleimhaut Abschnitte mit sogenannten verhornten, kernlosen Zellen gefunden, ein Hinweis auf Mycotoxine.
In der Gebärmutter wurde bakteriell ein geringer Gehalt an E. coli und Aeromonas hydrophila nachgewiesen.
Bei der Jungsau 2 war eine Zyklusstörung (Brunstlosigkeit) vorhanden. Es waren persistierende Follikel vorhanden. Dies sind überalterte, nicht zurückgebildete und zur Zystenbildung neigende Follikel. Das Gewicht der Gebärmutter war hier mit 412 Gramm sehr leicht. Die Gebärmutterschleimhaut war unterentwickelt / atrophisch. Die Harnblase wies eine chronische Entzündung auf.
Die zusätzliche Untersuchung beider Sauen auf PRRS, Circovirus und Chlamydien verlief negativ.
Weitere Vorgehensweise
Der Befund war in seiner Gesamtheit als deutlicher Hinweis für eine Belastung mit Mycotoxinen zu werten. Erhöhte Gebärmuttergewichte können durch die hormonelle, östrogene Wirkung von Zearalenon oder durch Gebärmutterentzündungen (teilweise durch DON induziert) auftreten. Oft geht beides ineinander über. Bei der Jungsau 1 ist der geringe bakterielle Nachweis in der Gebärmutter sicher nicht ursächlich für das schlechte Fruchtbarkeitsgeschehen, sondern als Nebenbefund zu werten.
Geringe Uterusgewichte können ein Hinweis auf Verzögerung des Rauscheeintritts (Pubertät) oder eine ungenügende Aufzucht der Jungsauen sein. Verzögerte Pubertät können durch die Toxine DON (zelltoxische Wirkung) oder durch Zearalenon (endokrine Fehlregulation) entstehen.
Um den Befund abzusichern wurden weitere, zusätzliche Parameter untersucht. Von den beiden Jungsauen wurden die Gallenflüssigkeiten mittels ELISA und Immunaffinitätschromatographie auf Mycotoxine untersucht.
T2 - Toxin, Aflatoxin und Ochratoxin A waren im Normbereich, DON ganz leicht erhöht und die Werte für Zearalenon mit 29,0 µg/l bzw. 11,1 µg/l Gallenflüssigkeit stark erhöht. Als Richtwert gilt derzeit 5,0 µg/l Galle.
In der Herde wurden mehrere Jungsauen und Altsauen mittels Blutproben auf eine Leberbelastung durch Mycotoxine untersucht. Dazu wurden folgende Leberenzyme genutzt: ASAT/ CK/ GGT / AP/ GLDH/ Bilirubin. Erhöhte Werte (vor allem ASAT und GGT) fanden sich bei den Altsauen und Jungsauen.
Bei genauerer Befragung stellte sich heraus, dass die Jungsauen schon recht früh in den Sauenstall verbracht und hier mit Schrot für niedertragende Sauen gefüttert wurden. Dieses Schrot enthält 20% Weizenkleie, eine Komponente die für Toxinanfälligkeit bekannt ist.
Jetzt verbleiben die Jungsauen länger in der Aufzucht und werden bis zur Belegung mit hochwertigem Jungsauenschrot gefüttert. Auch die Belegung der Jungsauen erfolgt noch im Aufzuchtstall; seitdem ist die Umrauschrate wieder im Normbereich.
Diskussion
Bei der Beurteilung des Fruchtbarkeitsmanagement von Jungsauen sollten folgende Kriterien überprüft werden:
- Zukaufsalter der Jungsauen maximal 180. Lebenstag
- Eingliederungsstall vorhanden für mindestens 3-4 Wochen, besser 6 Wochen
- Impfungen, Parasitenbehandlungen
- Kontakttiere zur Gewöhnung an das Stallmilieu
- Dokumentation Erstrausche (!!), Brunstkontrolle, Buchten- und Partnerwechsel
- Erstbelegealter 230. – 240. Lebenstag,, dabei Lebendmasse 130- 140 kg
- Durchführung einer korrekten Brunstsynchronisation
Sind diese Parameter alle in Ordnung, empfiehlt es sich bei Problemen die Diagnostik wie in diesem Fall einzuleiten. Es ist abzuklären, ob eine infektiöse Ursache vorliegt oder eine Mykotoxinbelastung vorhanden ist.
Gerade Jungsauen reagieren nach Aufnahme von Mycotoxinen, insbesondere auf Zearelenon, sehr empfindlich. Dies liegt an der Ähnlichkeit des Mycotoxins mit dem Hormon Östrogen. Östrogen ist unter anderem für die Follikelbildung am Eierstock zuständig. Bei Dauerwirkung kommt es zur Bildung von persistierenden Follikeln bzw. zu Follikelzysten. Tritt zusätzlich eine Belastung mit DON auf, sind Gebärmutterschleimhautentzündungen recht häufig.
Mycotoxine belasten die Geschlechtsentwicklung von Jungsauen erheblich. Die Auswirkung kann unterschiedlich sein; vermindertes Wachstum durch geringere Futteraufnahme, Verzögerung des Brunsteintrittes, Entzündungen der Gebärmutter und Hyperöstrogenismus = häufiges Umrauschen bis Dauerbrunst.
Gerade Jungsauen sind für solche Belastungen sehr empfindlich und haben nicht die Toleranz von Altsauen. Deshalb sollten Grenzwerte von 0,05 mg Zearalenon und 1 mg DON je kg Futter während der Aufzucht nicht überschritten werden. Auch eine nur kurzzeitige Überschreitung sollte unter allen Umständen vermieden werden.