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Fall Oktober / November

Schwanzkanibalismus, Husten und sehr hohe Antibiotikaeinsätze in der Mast
Dr. Peter Schmidt, Vet-Team-Reken GbR, Reken
 

Die Lösung ist manchmal so offensichtlich, dass man sie einfach nicht sieht.“

Anfang März 2015 wurde ich zu einem Neukunden, einem Schweinemastbetrieb gerufen. Der Grund für meinen Besuch war darin begründet, dass es im Betrieb schon seit längerer Zeit massive Probleme mit Schwanzkanibalismus und einer wiederkehrenden Hustenproblematik gab, die zu sehr hohen Verlusten und Antibiotikaverbräuchen führten.
Da ich auch homöopathisch arbeite, versprach sich der Betriebsleiter auf diese Weise seine Antibiosen reduzieren zu können. Eine Reduktion war auch sehr nötig, da der Betrieb im Halbjahr 2/2014 eine Therapiehäufigkeit von 39,9 hatte. Die Kennzahl 2 lag bei ungefähr 9.
Mein Besuch sollte später am Nachmittag stattfinden, damit auch die Ehefrau von der Arbeit zuhause sein sollte, da sie sich in die homöopathische Behandlungsweise einarbeiten wollte. So begann der Besuch auch im Wohnzimmer, wo dann über grundlegende Dinge und die Herangehensweise der homöopathischen Therapie gesprochen wurde.
Dann ging es endlich in den Stall.
Der Betrieb, knapp 1000 Mastplätze im Nebenerwerb, wird von Vater und Sohn sehr intensiv betreut. Es existiert ein sehr striktes Hygienemanagement. Betriebseigene Schutzkleidung wird von allen im Haus angezogen, dann geht man mit schwarzen Hofschuhen zu den einzelnen Ställen. Im Eingangsbereich von jedem der 3 Ställe werden dann rote Stallschuhe angezogen. Wenn man die Buchten betreten möchte, dann stehen für jede Bucht eigene Stiefel vor jeder der Bucht. 
Als ich dann bei den Schweinen in den Buchten war, fiel mir gleich die sehr gute Luft auf. Es roch gar nicht nach Schweinen, die Luftbewegungen waren sehr zugig. Die Zuluft wurde per Porendecke zu- geführt, teilweise war der Anschluss der Porendecke an die Wände nicht optimal, so dass es hier zu Düseneffekten mit noch höheren Luftgeschwindigkeiten kam. Die Schweine zeigten deutlichen Husten mit Nasen- und Augenausflüssen. 25-30 % hatte blutig gebissene Schwänze.
Mein Rat war dann relativ einfach und eindeutig:
„Wir brauchen hier weder antibiotische noch homöopathische Behandlungen“.
Die seitlichen „Düsenschlitze“ müssten möglichst umgehend durch Dachlatten verschlossen, und darüber hinaus die Luftraten  deutlich nach unten reduziert werden. Nicht so weit reduziert, dass man durch massive Schadgaskonzentrationen oder durch Sauerstoffmangel ersticke, aber man solle, wenn man im Schweinestall gewesen sei, schon nach Schwein riechen. Durch die sehr gute Isolierung der neueren Ställe müssen wir heute generell von höheren Stalltemperaturen ausgehen, damit es nicht zu zu hohen Luftgeschwindigkeiten an den Schweinen kommt. Je kälter die Zulufttemperatur, um so schneller wirken sich höhere Luftgeschwindigkeiten am Tier aus. Generell lässt sich vereinfacht sagen, wenn ich im Stall Luftbewegung spüre im Gesicht oder an den Innenflächen der Unterarme, dann gibt es den Hinweis auf zu hohe Luftgeschwindigkeiten im Stall.
Ca. 4 Wochen später wurde ich zu einem gemeinsamen Termin mit einem Futtermittelberater gerufen. Der Landwirt hatte beklagt, dass das Futter teilweise verklumpt war und er hatte auch einige große, grobe Pellets gefunden, die sich dann später als unvermahlene  Sojapellets identifizieren ließen. Diese Defizite im Futter stellte der Landwirt als Ursache für die Schwanzbeißerproblematik da, die zu massiven finanziellen Einbußen geführt habe und an der er den Futtermittellieferanten beteiligt sehen wolle. Im Anschluss an das Gespräch am Wohnzimmertisch gingen wir, der Landwirt, der Futtermittelberater und ich, in den Stall.
Beim Stalldurchgang hustete nicht ein Schwein  und alle Schwänze waren komplett abgeheilt, keine frischen, blutigen Kanibalismusspuren.
Mitte Juli, 4 Monate nach meinem Erstbesuch, rief mich der Landwirt erneut an und bat mich darum, mit ihm den Maßnahmenplan  zur Reduzierung von Antibiotika zu erstellen. Daraufhin überprüfte ich seine Karteikarte im Praxis-PC und stellte fest, dass er bisher noch keinerlei Medikamente bei uns, aus unserer Praxisapotheke bezogen hatte.
Bei meinem Besuch fragte ich ihn dann, ob er denn bei seinem „alten“ Tierarzt sich noch mit Medikamenten versorgt habe.
Seine Antwort: „Ich hab nix gebraucht“.
 
Fazit: Wir vermuten viel zu häufig, dass Infektionen oder Toxinbelastungen im Futter oder Wasser hinter gesundheitlichen Problemen stecken und suchen viel zu oft nach komplizierten Lösungen, aber wie so oft liegt die wahre Ursache eigentlich ganz offensichtlich, quasi unübersehbar vor unserer Nase:
Futter, Wasser, Klima und hier war es eben das Klima.
 
 

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