Die Einmal-Therapie - Den Husten jetzt besser im Griff
Praxisbericht von Dr. Hendrik Nienhoff, SGD Hannover
Vor allem in der Ferkelaufzucht müssen infolge von Atemwegserkrankungen häufig ganze Tiergruppen behandelt werden. Mit Hilfe eines neuen Wirkstoffes konnte die Hustenproblematik in mehreren Ferkelaufzuchtsbetrieben deutlich reduziert werden. Bei vielen der heute diagnostizierten Atemwegserkrankungen handelt es sich um bakterielle Mischinfektionen. Beteiligt daran sind vor allem Erreger wie Mykoplasmen oder Actinobacillen (APP), aber auch Pasteurellen oder Bordetellen sowie Hämophilus - Arten. Die Folgen dieser Krankheitseinbrüche, besonders wenn sie ganze Tiergruppen betreffen, sind bekannt. Eine neue Therapie mit dem erst kürzlich zugelassenen Wirkstoff Tulathromycin eröffnet nun neue Möglichkeiten bei der Bekämpfung von Husten und Lungenentzündungen im Schweinestall.
Hoher Wirkstoffspiegel
Tulathromycin (Wirkstoff) ist ein Antibiotikum zur Injektion aus einer Untergruppe der so genannten Makrolid-Antibiotika. Es ist das erste und bislang einzige zugelassene Antibiotikum aus dieser Gruppe. Neu an diesem Wirkstoff ist sein lang anhaltender hoher therapeutischer Spiegel. Bei den Zulassungsuntersuchungen konnten nach einmaliger Injektion therapeutische Spiegel, je nach Erreger, von 5 bis zu 15 Tagen erreicht werden.
Durch den damit verbundenen relativ geringen Aufwand bei der Applikation stellt sich die Frage, ob ein solches Antibiotikum nicht auch zum Einsatz bei Atemwegserkrankungen ganzer Tiergruppen in der Ferkelaufzucht geeignet sei. Dieser Einsatzbereich ist bis dato Antibiotika vorbehalten gewesen, die über das Futter oder das Wasser verabreicht werden. Da bei Aufstallung aber nicht alle Ferkel sofort fressen oder saufen ist es hier immer fraglich, ob bei einer oralen Applikation auch alle Tiere schnell genug eine ausreichende Menge des Antibiotikums aufnehmen, um einen ausreichenden Wirkspiegel aufzubauen.
Die Grundlage der zum Teil durchgeführten metaphylaktischen Behandlungen ist die Verminderung des Erregerdrucks in der gesamten Tiergruppe. Die Eckpfeiler der Metaphylaxe sind hierbei:
- die Wahl des richtigen Medikamentes,
- eine gewichtsbezogene Dosierung (mg je kg Körpergewicht),
- die wirkstoffbezogene Wiederholung,
- die Behandlung ganzer Gruppen oder Abteile.
Metaphylaxe – die Behandlung noch gesunder Tiere, bei denen aufgrund bestandsspezifischer und diagnostisch abgesicherter Erfahrung Krankheiten zu erwarten sind – ist gängige Praxis und kann zielgerichtet (allein schon aus Tierschutzgründen) notwendig sein. Langfristiges Ziel muss es jedoch immer sein, den Schweinen optimale Haltungsbedingungen zu bieten und prädisponierende Faktoren (z.B. schlechtes Stallklima, Überbelegung, Hygienemängel) zu vermeiden.
Probleme begannen in den Aufzuchtbetrieben
Im vorliegenden Praxisfall handelt es sich um ein arbeitsteiliges Ferkelproduktionssystem mit 1500 Sauen. Die vier Ferkelaufzuchtbetriebe werden abteilweise nach dem Rein-Raus-Prinzip bewirtschaftet und im vierwöchigen Rhythmus von den Warte-Abferkel-Betrieben beliefert. Die Ferkel erhalten eine Mykoplasmen-Impfung (One shot) und werden zehn Tage vor Auslieferung gegen PRRS mit einer Lebendvakzine geimpft. Die Leistung der gesamten Sauenherde ist mit 23,1 abgesetzten Ferkeln pro Sau und Jahr als überdurchschnittlich gut zu bezeichnen.
Die Säugezeit beträgt im Mittel 24,5 Tage. Es wird am dritten und zehnten Tag eine Eiseninjektion (je 200 mg pro Tier) durchgeführt. Außer der Kastration binnen der ersten Woche und dem Kürzen der Schwänze am ersten Lebenstag werden keine weiteren Maßnahmen durchgeführt. Der hygienische Standard ist über alle Warte-Abferkel-Betriebe hinweg als gut zu bezeichnen. Das durchschnittliche Gewicht der abgelieferten Ferkel beträgt im Durchschnitt sieben Kilogramm.
Die Probleme des Systems begannen in den Ferkelaufzuchtbetrieben. Etwa zwei bis drei Wochen nach dem Aufstallen kam es in allen Betrieben zu Atemwegserkrankungen, die mit Husten bei etwa 20 Prozent der Tiere einhergingen – abhängig von Abteil und Alter, also nicht bestandsweise, sondern altersbezogen. Etwa acht Prozent der Tiere bekamen ein rauhes Haarkleid und blieben hinter der Wachstumskurve zurück. Die Verlustrate stieg nicht dramatisch an und lag im Mittel bei 2,2 Prozent.
Um den Atemwegsinfektionen auf den Grund zu gehen, wurden aus allen Aufzuchtbetrieben Tiere zur Sektion gebracht. Zudem hat man Blutproben auf PRRS, APP und Influenza untersucht und in zwei Betrieben wurden Lungenspülungen (Bakteriologie und PCR) durchgeführt. Die Ergebnisse ließen keine Rückschlüsse auf einen hauptverantwortlichen Erreger zu. Man konnte von bakteriellen Mischinfektionen vor dem Hintergrund einer PCV 2-Infektion (Circovirus) ausgehen. Es wurden folgende bakteriellen Erreger nachgewiesen:
- Hämophilus parasuis,
- Streptococcus suis,
- Bordetella bronchiseptica,
- Pasteurella multocida Typ A,
- Alpha hämolysierende Streptokokken.
Somit war keine Indikation für eine Metaphylaxe gegeben, sondern es musste eine frühe zielgerichtete Behandlung nach Diagnostik gesamter Tiergruppen erfolgen. Andere Atemwegserreger spielten aufgrund der vorliegenden Untersuchungen scheinbar keine oder nur eine untergeordnete Rolle.
Alle Ferkel per Injektion behandelt
Trotz gezielter Behandlung der gesamten Gruppe nach Resistenztest – in gewichtbezogener Dosierung über 14 Tage mit verschiedenen Antibiotika über das Wasser – kümmerten weiterhin etwa sechs bis acht Prozent der Tiere und weitere vier bis fünf Prozent mussten zusätzlich per Injektion behandelt werden. Die täglichen Zunahmen im Durchschnitt der Gruppen lagen nur noch bei 420 g und die Prozentzahl verkaufsfähiger Ferkel betrug nur noch etwa 90 Prozent. Zusätzlich wurden in den Aufzuchtbetrieben die Haltungsbedingungen wie Stallklima, Belegdichte, Wasserversorgung, Fütterung usw. überprüft und bei Bedarf angepasst. Da die Änderung der Vermarktungsstruktur des Systems mit zahlreichen Umbau- und Umstrukturierungsmaßnahmen binnen kurzer Zeit nicht zu verwirklichen war, kam die Überlegung, ganze Ferkelgruppen in den Aufzuchtbetrieben gezielt zu behandeln. So wurde die Therapie auf eine Injektionsbehandlung aller Tiere beim Aufstallen mit dem oben beschriebenen Wirkstoff Tulathromycin umgestellt. Zunächst führte man diese Form der Behandlung nur in einem Aufzuchtbetrieb durch um abwägen zu können, ob eine Umsetzung für das ganze System sinnvoll erscheint. Es kamen keine weiteren Antibiotika über Wasser oder Futter zum Einsatz.
Welche Ergebnisse wurden erzielt? Das klinische Bild der behandelten Gruppen zwei Wochen nach Aufstallung war gegenüber den Vorgruppen deutlich verbessert. Nur ein bis zwei Prozent der Tiere zeigten Husten, die Klinik war ansonsten unauffällig. Der Anteil der Kümmerer sank auf etwa zwei Prozent. Einzeltierbehandlungen mit Antibiotika per Injektion gingen auf ein Prozent zurück. Dieses gute klinische Bild hielt sich ohne Einbrüche bis zum Verkauf. Daraufhin wurde die Maßnahmen für alle Aufzuchtbetriebe gleichsam umgesetzt. Auch hier zeigte sich ein ähnlicher Verlauf. Der erzielte Behandlungseffekt geht aus der nebenstehenden Tabelle am Beispiel des Betriebes hervor. Der Vorteil dieser Injektionsbehandlung besteht im sofortigen Aufbau eines hohen therapeutischen Wirkstoffspiegels.
Fazit
In dem beschriebenen arbeitsteiligen Ferkelproduktionssystem konnte eine Hustenproblematik aufgrund von bakteriellen Mischinfektionen durch eine gezielte Injektionsbehandlung mit Tulathromycin deutlich reduziert werden. Die Leistungsdaten haben sich verbessert und die Arzneimittelkosten wurden gesenkt. Der Vorteil der Injektionsbehandlung besteht im Aufbau eines hohen therapeutischen Spiegels von Anfang an, was bei Wasser- oder Futtermedikation nicht immer der Fall ist. Tulathromycin mit seinem langen hohen therapeutischen Spiegel bietet sich für eine solche Maßnahme an. Ein solcher Erfolg mit einer speziellen Maßnahme sollte allerdings nicht dazu verführen, die angestrebten Ziele struktureller Veränderungen und die Vermeidung prädisponierender Faktoren aus den Augen zu verlieren. So ein Behandlungskonzept ist immer nur geeignet, um ein System schnell zu stabilisieren und die folgenden Verkaufspartien weitgehend durch die Aufzucht zu bringen. Mittelfristig sind auch hier Umstrukturierungsmaßnahmen unumgänglich.Es bleibt weiterhin festzuhalten, dass es sich hier um ein System handelt. Eine Übertragbarkeit auf andere Betriebe oder Produktionssysteme ist aufgrund der unterschiedlichen Vorraussetzungen und Krankheitsbilder sehr vorsichtig zu betrachten. Es soll nicht der Eindruck entstehen, dass der Einsatz von Tulathromycin eine Standardmaßnahme sein könnte und quasi ein Allheilmittel sei. Die Betriebe müssen insbesondere wissen, welche Erreger im Komplex der Erkrankung eine Rolle spielen. Dies erfordert intensive diagnostische Maßnahmen.
Quelle: DLZ Agrarmagazin, Primus Schwein 09/2004
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