Gleichgewichtspreisfindung für Ferkel - eine Diskussionsgrundlage?
Georg Grundhoff, Egbert Schwarze, Landwirtschaftskammer Westfalen-Lippe, Kreisstelle Soest
Die Produktionskosten eines Schweines lassen sich grob in zwei Bereiche unterteilen:
Die variablen Kosten – produktionsabhängig und im Regelfall komplett bar. Diese Kostenposition bedarf aus Sicht der Liquidität zu allererst einer Deckung über den Erlös bzw. die Erlösspanne. Am gesamten Schwein fallen 160,- bis 170,- DM an variablen Kosten an. Ab einer Notierung von etwa 1,80 DM/kg netto/kg SG wird Deckungsbeitrag erwirtschaftet.
Übersicht 1: Spezialaufwand*
* = Zahlen aus WJ 1999/00
Rangiert man Kapitalkostendeckung vor Arbeitsentlohnung, so sind bei einem Erlös von gut 220,-/Schwein (Notierung 2,40 DM/kg SG) Zins, Abschreibung und Unterhaltung der benötigten Stalleinheiten bezahlt. Oberhalb dieses Erlöses setzt kalkulatorisch betrachtet Vergütung der eingesetzten Arbeit ein. Bei durchschnittlicher Produktivität (ca. 1,0 AK/Schwein) beträgt der Stundenlohn 30,- DM wenn 250,-/Schwein (2,60 DM/kg SG) erreicht werden.
Kapital- und Arbeitskosten, werden aus Sicht der Rentabilitätsrechnung in dieser Reihenfolge rangiert, aus Sicht der betrieblichen Liquidität können sie jedoch zusammengefasst dargestellt werden zumal auf die Gesamtheit der Produzenten bezogen Stallfinanzierung und Arbeitserledigung nicht überall gleich hohe und gleich bare Kosten verursachen. Nach Abzug der variablen Kosten vom Produkterlös verbleibt Deckungsbeitrag, aus dem jede Produktionsstufe, aber auch jedes Einzelunternehmen zu unterschiedlichen Anteilen Kapital und Arbeit zu bedienen hat. Für diese Position wird nachfolgend der Begriff “Deckungsbeitragsanspruch“ verwendet.
Übersicht 2: DB-Anspruch / Vollkosten
* = Gebäude- und Umlaufvermögen
Die Kapitalkosten für die Erzeugung eines Ferkels sind geringer als die Kapitalkosten für dessen weitere Mast; der Arbeitsaufwand – ergo dessen Kosten- ist im Mastbereich niedriger als in der Sauenhaltung. Summiert man die Positionen auf, ergeben sich in beiden Produktionsstufen in etwa gleiche Beträge.
10 Jahre im Rückblick
Das die Annahme gleicher DB-Ansprüche in Ferkelerzeugung und Mast nicht aus der Luft gegriffen ist, erkennt man daran, dass der Markt über die Ferkelpreise innerhalb der vergangenen 10 Jahre im Durchschnitt gesehen exakt nach diesem Verhältnis den insgesamt am Schwein erzielbaren Deckungsbeitrag auf Ferkelerzeugung und Schweinemast verteilt hat. Im Mittel halbiert sich der Gesamt-DB von 102, zu 51,- und 51,- auf die beiden Produktionsstufen.
Die DB-Marge in der Ferkelerzeugung im Verhältnis zum Mastschwein hat sich im Trend über die Preisgestaltung von “benachteiligten“ Position (91/92 bis 94/95) zu einer eher “überlegenen“ Position gewandelt. Dies hat seine Ursache sicherlich auch in der Strukturentwicklung der Ferkelerzeugerstufe im Verhältnis zur Mast innerhalb der letzten Jahre und der daraus resultierenden Differenzierung der Ferkelpreisgestaltung zugunsten größerer Partien und Bestände. Das sich diese Entwicklung weiter fortsetzt, kann – aus neutraler Perspektive betrachtet – allerdings nicht angenommen werden, zumal kurzfristig Angebot und Nachfrage preisbestimmend bleiben und es mittelfristig “bessere“ Rentabilität in einer der beiden Stufen nicht geben wird, zumal sich einseitige Investitionstätigkeit schnell wieder in Überangebotssituationen mit entsprechendem Preisdruck rächt.
Auf das 10-Jahres-Mittel hat der Markt DB- und somit auch Einkommen- am Schwein weitestgehend “gerecht“ verteilt. Auf den ersten Blick scheinen somit Verteilungs- und Positionsdebatten überflüssig gewesen zu sein.
Übersicht 3: DB-Verteilung in den letzten 10 Jahren
Es darf allerdings nicht verkannt werden, dass der im Schnitt der letzten 10 Jahre erzielte DB/Schwein von gut 100,- keinesfalls als Grundlage künftiger Planungen verwendet werden kann, wie aus der Grafik ersichtlich, ist der Deckungsbeitrag im Trend gesunken, die Erlöse haben sich der Strukturentwicklung (Aufstockung – Produktivitätssteigerung – Kostensenkung), und daraus resultierendem Marktdruck angepasst. Auf Dauer ist eher mit 80,- bis 90,- je produziertem Schwein zu kalkulieren, also mit 40,- bis 45,- pro Ferkel bzw. Mastschwein.
Übersicht 5: DB-Differenz 120 Sauen zu 980 Mastplätzen
Vergleicht man über dieselben 10 Jahre den Deckungsbeitragsverlauf eines Sauenbetriebes und eines Mastbetriebes mit gleich hohem wirtschaftlichen Potential, so stellt man fest, dass in einem Betrieb mit einer 120er Sauenherde im Mittel 1990 bis 2000 ein ähnlich hoher Deckungsbeitrag erwirtschaftet werden konnte wie mit 980 Mastplätzen. Errechnet man jedoch einmal den Vor- bzw. Nachteil des Sauenbetriebes gegenüber dem Mastbetrieb im Einzeljahr, weicht der jeweilige Deckungsbeitrag in 8 der 10 Betrachtungsjahre um über 30.000,- nach oben und unter vom “Soll“ ab. Insofern wird Unmut und Mißstimmung auf der jeweils “benachteiligten“ Seite nachvollziehbar.
Letztendlich gab es innerhalb der letzten 10 Wirtschaftsjahre nur zwei Jahre, in denen die Wertschöpfung weitestgehend “gleichrangig“ über den Preis verteilt wurde.
Der Schweinepreis wird sich auch künftig eng an den Produktionskosten strukturstarker, leistungsfähiger Betriebe orientieren. Dabei spielen Gebäudekosten und –auslastung, biologische Leistung ebenso eine Rolle wie minimierte Handels- und Transportspannen. All dies spricht für kombinierte Produktion (geschlossenes System) und Verbundproduktion. Bezahlt werden muß die Wertschöpfung aller Beteiligten letztendlich aus dem Schlachterlös. Insofern liegt der Gedanke nahe, dies einer Preisfindung für Ferkel innerhalb von festen Ferkelerzeuger-Mäster-Direktbeziehungen und Verbundproduktionsketten zugrundezulegen.
Die Vorgehensweise könnte dabei folgende sein:
Man ermittelt in der Verkaufswoche die durchschnittliche Schlachtschweinnotierung der jew. vergangenen 4 Wochen. Bei Annahme z.B. eines durchschnittlichen Magerfleischanteiles von 56% ermittelt man die durchschnittliche Marktleistung für 93,5 kg SG nach Abzug von 5,20 DM/MS Sortierungsdifferenz und 8,60 Vorkosten (jeweils Ringmittel) incl. 9% MwSt. Vom “Standarderlös“ erhält man nach Abzug der gesamten variablen Kosten den erzielbaren Deckungsbeitrag/Schwein. Diesen teilt man durch zwei (50% für das Ferkel) und zählt dem anteiligen DB/Ferkel die variablen Kosten/Ferkel hinzu. Vom so ermittelten Betrag zieht man 9% MwSt ab und gelangt so zum Netto-28-kg-Ferkelpreis.
Geht man bei der Abweichung vom 28-kg-Gewichtsmittel ebenfalls von jew. 50%igem DB-Anspruch und variablen Kosten je kg Zuwachs von 1,10 DM aus, so ergibt sich gleitender Betrag zwischen 1,- und 1,70 DM.
Was nun bei der Einstufung von Magerfleisch, Gewicht, variablen Kosten und anderen beeinflussenden Größen als “Standard“ definiert wird, unterliegt letztendlich der Einschätzung und Verhandlung der betroffenen Partner. In vielen Fällen spricht nichts dagegen, die entsprechenden Durschnittswerte der Auswertungen von Ringen, Arbeitskreisen etc. anzusetzen. Was der Einzelne an Leistung, Produktivität, Baukosten usw. besser oder schlechter ist, bleibt somit sein eigener unternehmerischer Vor- oder Nachteil.
Übersicht 6: Ableitung Ferkelpreis (Beispiel anhand von Durchschnittswerten)
(*) = DM/kg SG mal 93,5 kg minus 5,20 Sort.Diff. minus 8,60 DM Vorkosten; zzgl 9% MwSt.
(#) = (DB/Absatzferkel plus var. Kosten/Absatzferkel) minus 9% MwSt.
(##) = (DB/28 kg-Ferkel plus var. Kosten/28 kg-Ferkel) minus 9% MwSt.
Was letztendlich an Vorteilen hinsichtlich der Mast- und Schlachtleistung auch aufs Ferkel angerechnet werden kann wie z.B. Partiegröße, Homogenität, Gesundheitsstatus etc., sollte dabei auch in der Definition des “Standardschweines“, von der die Verteilung der Wertschöpfung (Gewicht, Magerfleisch, Produktionskosten) ausgeht, mit eingearbeitet werden. Hier liegt die Chance für die Beteiligten, sich anhand von Auswertungen und Abrechnungen qualifiziert auseinanderzusetzen statt in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen um Notierungs- und Zuschlagseinstufung zu ringen.
Diese Preisfindungs-Systematik setzt allerdings ein hohes Maß an gegenseitigem Vertrauen und die Bereitschaft voraus, auf Dauer enger zusammenzuarbeiten, als es vielleicht bislang der Fall war. Die Empfehlung zur “Abrechnung nach Gleichgewichtspreis“ richtet sich somit erstrangig an Betriebe, die bereits jetzt erfolgreich in Direktabnahmebeziehungen zusammenarbeiten und an Verbundketten, die mit dem Ziel hoher Leistung und Auslastung jedweder Spekulation und Fluktuation einen Riegel vorschieben wollen.
Wer allerdings lieber mit den Preisen spekuliert, lässt besser die Finger von diesem System, sollte sich dann jedoch nicht beklagen, wenn im Markt einmal wieder die Ferkelpreise zu seinen Ungunsten stehen. Jeder, der in ein solches Preisfindungssystem einsteigt, muß sich darüber im Klaren sein, daß der “Gleichgewichtspreis“ durchaus stark vom punktuellen Markt abweichen kann. Diese Situationen ändern sich jedoch regelmäßig zugunsten der einen wie anderen Seite und dürfen die Beteiligten nicht dazu veranlassen, das gemeinsame Boot zu verlassen und gegenseitig einen Ausgleich einzufordern.
Um das vorgestellte Preisfindungssystem dauerhaft aufrechtzuerhalten, muß es regelmäßig hinsichtlich seiner rechnerischen Aktualität überprüft werden. Dazu reicht es im Regelfall aus, jährlich nach Vorliegen der Auswertungen im Beisein neutraler Berater die variablen Kosten und Leistungen zu überprüfen und ggf. anzupassen.
Im Durchschnitt wurden im Kalenderjahr 2000 beim gezahlten Marktpreis und beim "rechnerischen" Gleichgewichtspreis bei 28-kg-Ferkeln große Unterschiede festgestellt.
Bei niedrigen Schlachtschweineerlösen um 240,-DM kosteten 28 kg schwere Ferkel um die 10. KW am Markt um 125,- DM, wo der Gleichgewichtspreis bei 95,- gelegen hätte. Umgekehrt in der 36. KW: Das Schlachtschwein brachte 285,- DM, das Ferkel mit 28 kg knapp 100,- DM, wo bei wirtschaftlichem Gleichgewicht 120,- “drin“ gewesen wären. Deckungsgleich waren Marktpreis und Gleichgewichtspreis in der 27. und 48. Kalenderwoche.
Zusammenfassung
Der Deckungsbeitragsanspruch am ganzen Schwein teilt sich gleichrangig auf Ferkel und Mastspanne auf. Der Markt hat dies in der Preisfindung der Vergangenheit in etwa berücksichtigt, wenn auch nur im Durchschnitt eines langen (10 Jahre) Zeitraumes. Die Liquiditätsunterschiede zwischen Mast- und Ferkelerzeugerbetrieben von vergleichbarer Wirtschaftskraft fielen in den einzelnen Jahren jedoch stark unterschiedlich aus. Für Betriebe mit Ferkeldirektverkehr und Verbundproduktionsketten kommt die Abrechnung der Ferkel nach dem Gleichgewichtspreis in Frage. Voraussetzung dafür ist die Bereitschaft, auf Dauer zusammenzuarbeiten. Für den Einstieg in ein solches System eignet sich der Schnittpunkt Marktpreis/Gleichgewichtspreis, der anhand von Marktbeobachtungen relativ einfach bestimmbar ist.
Eine Veränderung der durchschnittlichen variablen Kosten und der Durchschnitts-Produktionsleistungen ändert die Preise bzw. Spannen. Dies ist regelmäßig zu überprüfen und ggf. anzupassen.
Die regelmäßige Überprüfung und Anpassung der Leistungen und variablen Kosten ist zur Sicherstellung langfristig fairer und korrekter Abrechnung nötig und anhand überregional verfügbarer Auswertungsdaten möglich.
Auf Dauer kann man überlegen, Durchschnittsdaten aus vergleichbaren Produzentengruppen zu verwenden. Insbesondere für Verbundproduktionsgruppen bietet sich diese Vorgehensweise an.
Vor- bzw. Nachteile des Einzelnen gegenüber dem Durchschnitt hinsichtlich der Leistung, Baukosten, Arbeitsproduktivität und der variablen Kosten bleiben sein unternehmerischer Vor- oder Nachteil.
Zur Abrechnung von Absatzferkeln ist es möglich nach gleichem Muster vorzugehen.
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