Einfluss der Langzeitwirkung von Fusarientoxinen auf die Reproduktionsleistung bei Sauen und die Wirksamkeit detoxifizierender Futtermittelzusätze
Dr. Anke Jadamus und Prof. Dr. D. Schneider, Institut für Tierernährung, Fachbereich Veterinärmedizin, Freie Universität Berlin
Schimmelpilze der Gattung Fusarium sind weit verbreitet und kommen auf allen Getreidearten, insbesondere Weizen, Mais, Triticale und Roggen vor. Sie bilden eine Vielzahl von Toxinen mit sehr komplexen negativen Wirkungen auf Leistung und Gesundheit unserer Nutztiere. Bei weitem am empfindlichsten reagiert das Schwein auf Belastungen mit Fusarientoxinen. Die gravierendsten Schäden werden bei reproduzierenden Sauen verursacht.
Langzeituntersuchungen an Sauen mit natürlich kontaminiertem Getreide über mehrere Reproduktionszyklen sowie experimentell belegte Ergebnisse zu Detoxifikation von Fusarientoxinen liegen in der einschlägigen Literatur nicht vor. Ziel dieser wissenschaftlichen Studie war es daher, Auswirkungen einer längerfristigen Toxinexposition auf Fruchtbarkeitsleistung und Gesundheitsstatus von Sauen sowie auf Überlebensrate und Wachstumsleistung von Saugferkeln zu untersuchen. Gleichzeitig sollte ermittelt werden, bis zu welchem Grade detoxifizierende Futtermittelzusätze diese durch Fusarientoxine verursachten Depressionen der Leistung und des Gesundheitsstatus von Sauen und Ferkeln reduzieren können.
Material und Methoden
Grundlage für die Festlegung der Toxingehalte in den Versuchsrationen war Zearalenon (ZON), das infolge seiner stark östrogenen Wirkung beim weiblichen Schwein erhebliche Fruchtbarkeitsstörungen auslöst. Aufgrund umfangreicher Literaturrecherchen wurde bereits 1999 ein Orientierungswert von 250 µg ZON pro kg Alleinfutter für Sauen diskutiert. Da jedoch unter Praxisbedingungen schon deutlich unter diesem Konzentrationsniveau liegende Zearalenon-Gehalte zu ausgeprägten klinischen Symptomen des Hyperöstrogenismus und zu Fruchtbarkeitsstörungen wie häufiges Umrauschen, Anöstrie und Aborten führten, wurde eine Konzentration von 200 µg ZON/kg Versuchsfutter gewählt. Aufgrund der gegenüber Zearalenon bis zu 12fach erhöhten Konzentration an Deoxynivalenol in der kontaminierten Weizencharge mussten in den Versuchsrationen (VG I, VG II) ca. 2600 µg/kg Deoxynivalenol akzeptiert werden.
Zur Detoxifikation wurde das aus mehreren Komponenten bestehende Produkt Mycofix® Plus der Firma Biomin (Herzogenburg, Austria) eingesetzt.
Die zum Versuch verwendeten Sauen waren Kreuzungstiere aus Landrasse x Duroc. Sie wurden alle aus einem Vermehrungsbetrieb zugekauft. Die Zuordnung zu den Versuchsgruppen erfolgte nach Feststellung der Trächtigkeit abwechselnd in der Reihenfolge der Belegung.
Die Sauen wurden im Abferkelstall mit Teilspaltenboden strohlos, im Deckzentrum als Außenanlage mit Stroheinstreu einzeln und im Wartestall mit absperrbaren Fress-Liege-Boxen strohlos in Gruppen zu je 5 Tieren gehalten.
Die Versuchsrationen wurden entsprechend den Bedürfnissen von tragenden und säugenden Sauen nach gegenwärtigem Kenntnisstand konzipiert (Tabelle 2).
Als Versuchsparameter erfasst wurden (1) Futteraufnahme der Sauen während Trächtigkeit und Laktation, (2) Intervall vom Absetzen bis zum Belegen, (3) Umrauschen, (4) Aborte, (5) Zwischenwurfzeit, (6) Anzahl der lebend und tot geborenen Ferkel, (7) Anzahl abgesetzter Ferkel, (8) Ferkelverluste, (9) Mykotoxikosen (Ferkel: Hyperöstrogenismus, Hautläsionen, Spreizen, Nekrosen, Ödeme; Sauen: Futteraufnahme mit Erbrechen, Veränderungen äußerer Genitale, Scheiden- und/oder Mastdarmvorfälle; Veränderungen an Ovarien und Gebärmutter, Häufigkeit bakterieller Erkrankungen), (10) Gewichtsentwicklungen der Sauen während der Laktation sowie (11) Ferkelgewichte. Die erfassten Versuchsdaten wurden mittels multipler Varianzanalyse ausgewertet. Signifikante Differenzen (p<0.05) zwischen der Kontroll- und den Versuchsgruppen I und II wurden in den entsprechenden Tabellen mit unterschiedlichen Kleinbuchstaben gekennzeichnet.
Ergebnisse
Sauenverluste, Umrauschraten, Trächtigkeitsdauer und Zwischenwurfzeit
37.5% der Sauen aus der Versuchsgruppe I, die mit Fusarientoxinen hoch belastetes Futter ohne Mycofix® Plus erhielten, erreichten das Ende des 3. Reproduktionszyklus nicht (Tabelle 3). Die erhobenen Befunde (u.a. Hyperplasie des Uterus, Ovarialzysten, multiple Abszesse, chronische Nephritis, Endometritis, Mastitis, Gastroenteritis, Pneumonie, fettige Leberzelldegeneration, Geschwür im Zehenspalt) sprechen dafür, dass diese Tiere ausnahmslos aufgrund direkter Fusarientoxinwirkung aus der Ferkelerzeugung ausscheiden mussten. In der Versuchsgruppe II, deren Sauen ebenfalls mit Fusarientoxinen hoch belastetes Futter jedoch mit Mycofix® Plus zugeteilt bekamen, erreichten 5 Tiere das Versuchsziel nicht. Ein Tier schied nach dem 1. Wurf infolge einer Lähmung der Hinterhand (Abszeß am Wirbelkanal) aus. Auch bei einem zweiten Tier, das infolge einer unspezifischen chronischen Endometritis bei normal ablaufendem Zyklus nicht mehr konzipierte, sowie bei einem dritten Tier, das nach einer Schnittentbindung getötet werden musste, ist eine verlässliche Zuordnung zu einer Toxinwirkung nicht möglich. Nur für zwei Sauen wurde aufgrund der beobachteten Symptomatik und der erhobenen Befunde Mykotoxinwirkung als Abgangsursache bestätigt.
In der Kontrollgruppe schieden 2 Sauen nach dem 1. Wurf wegen erheblicher Fundamentschäden aus, eine weitere musste nach dem 2. Wurf wegen Gesäugeaktinomykose aus dem Versuch genommen werden.
Die aus Kapazitätsgründen begrenzte Tierzahl je Versuchsgruppe führte bei der bekannt hohen individuellen Varianz einzelner Sauen im physiologischen Verhalten unter dem Einfluss von Fusarientoxinen zu einem weiten Bereich der Abweichungen um die Normwerte für die Fruchtbarkeitsmerkmale (Tabelle 3). Dennoch lassen die Ergebnisse den positiven Einfluss von Mycofix® Plus auf die erfassten Fruchtbarkeitsmerkmale sehr deutlich erkennen. Es wird ein den Kontrollsauen annähernd vergleichbares Niveau für die Fruchtbarkeitsleistungen in der mit Mycofix® Plus behandelten Sauengruppe (VG II) erzielt.
Einflüsse auf Gesundheit und Überlebensrate geborener Ferkel
Hinsichtlich der Anzahl insgesamt und lebend geborener Ferkel sowie der Geburtsgewichte lebend geborener Ferkel ließen sich keine negativen Effekte durch die Aufnahme von Fusarientoxinen mit dem Futter nachweisen (Tabelle 4). Die Belastung der Sauen mit Fusarientoxinen erhöhte jedoch den Anteil untergewichtig geborener Ferkel (<1.2 kg LM) im Wurf. In der Versuchsgruppe I überlebten mit 32.4% die wenigsten dieser Ferkel. Demgegenüber führte der Einsatz von Mycofix® Plus zu einer deutlich sichtbaren Verbesserung der Überlebensrate auf 63.9%.
Hyperöstrogenismus, ein für eine erhöhte Zearalenon-Konzentration im Futter typischer Symptomkomplex, kann bei Ferkel auch pränatal (bis zu 3 Tage) infolge eines erhöhten Östrogenspiegels im Blut der Sauen auftreten. Im Unterschied zum pränatal bedingten Hyperöstrogenismus induzieren Fusarientoxine aber eine Verlängerung der Symptomatik häufig bis in die zweite Lebenswoche. Darüber hinaus sind neben den für Zearalenon typischen Symptomen wie Schwellung und Rötung von Vulva und Gesäuge eine Ödematisierung im Präputialbereich bei männlichen Ferkeln sowie Krusten nekrotischen Gewebes an den Zitzen (Zitzennekrosen) bei weiblichen Ferkeln zu beobachten.
Der Anteil der Ferkel je Wurf mit Symptomen des Hyperöstrogenismus (> 5 Tage) ist in den beiden Versuchsgruppen verglichen mit der Kontrolle signifikant erhöht. In der Versuchsgruppe I zeigten dabei signifikant mehr Ferkel je Wurf Zearalenon-bedingte Symptome als in der mit Mycofix® Plus behandelten Versuchsgruppe II.
Für die Wirkung der Trichothecene sind Symptome wie Spreizen (Spalyleg), bärentatzige Stellung der Extremitäten, Nekrosen der Haut, Ohrspitzen und Schwänze sowie Enteritiden und Wachstumsstörungen (Kümmerer) typisch.
Das Spreizen trat in den Würfen der Versuchsgruppen I und II signifikant häufiger auf als in der Kontrollgruppe. Der Einsatz von Mycofix® Plus reduzierte ebenfalls die Anzahl der von der vorgenannten Symptomatik betroffenen Ferkel pro Wurf signifikant von 4.0 auf 1.7.
In 7 Würfen wurden von den Sauen der Versuchsgruppe I Ferkel mit Bärentatzigkeit geboren, von den mit Mycofix® Plus gefütterten Sauen hingegen nur in 2 Würfen.
Würfe mit Haut-, Schwanz- und Ohrennekrosen ließen sich bei den Kontrolltieren nicht feststellen. In 10 Würfen der Versuchsgruppe I wurden zum Teil großflächige Nekrosen im Analbereich und an den Carpalgelenken der Vorder- sowie den Sprunggelenken der Hinterextremitäten registriert. Die mit Mycofix® Plus behandelten Sauen (Versuchsgruppe II) gebaren nur in 2 Würfen Ferkel mit Hautläsionen, die nach etwa 6 Tagen komplikationslos verheilt waren.
Foto 1+2: Rötung von Vulva und Zitzen
Foto 3+4: Spreizen und "Bärentatzigkeit"
Futteraufnahme von Sauen
Besonderen Einfluss auf die Futteraufnahme von Schweinen üben von den Trichothecenen insbesondere das Deoxynivalenol aus. Tragende Sauen reagierten bei einer durchschnittlich täglichen Futteraufnahme von 2.5 kg nur vereinzelt und über eine begrenzte Zeit mit einem verminderten Futterverzehr.
Während der Laktation wurden die Futtermengen nach 6 Tagen in allen Gruppen abhängig von der Ferkelzahl bis 8 kg pro Tag gesteigert. Die Aufnahme des mit den Fusarientoxinen hochbelasteten Futters variierte bei den laktierenden Sauen der Versuchsgruppe I zwischen 3.4kg und 6.5 kg pro Tag. Sie war im 1., 2. und 3. Reproduktionszyklus bis zu 20% signifikant reduziert (Tabelle 5). Das Produkt Mycofix® Plus konnte die Minderung des Futterverzehrs auf 4 bis 5% begrenzen und damit die überwiegend durch Deoxynivalenol ausgelöste Verzehrdepression weitgehend kompensieren.
In allen 3 Reproduktionszyklen lag der Futteraufwand je kg erzeugtes Ferkel in Versuchsgruppe I deutlich über dem der Kontrolle sowie dem der Mycofix® Plus-Gruppe.
Abgesetzte Ferkel und Laktationsleistungen
Die Anzahl abgesetzter Ferkel je Wurf war infolge deutlich erhöhter Aufzuchtverluste insbesondere während der ersten Lebenswoche in der mit Fusarientoxinen belasteten Versuchsgruppe I reduziert. In allen 3 Reproduktionszyklen konnten die Aufzuchtverluste durch den Einsatz von Mycofix® Plus signifikant um 0.7 Ferkel vermindert und die Anzahl abgesetzter Ferkel gesichert um 1.1 Tiere gesteigert werden. Zur Kontrollgruppe bestand nur eine geringe Differenz von 0.2 abgesetzten Ferkeln (Tabelle 6).
Die Gewichtszunahmen und Absetzgewichte der Würfe in der mit Fusarientoxinen erheblich belasteten Versuchsgruppe I waren gegenüber der Kontrolle signifikant vermindert (Tabelle 6). Die verminderte Laktationsleistung der Versuchsgruppe I wurde sowohl von der geringeren Anzahl zu säugender Ferkel als auch von der reduzierten Futteraufnahme der Sauen verursacht. Mycofix® Plus hingegen übte über die Verringerung der Aufzuchtverluste der Ferkel je Wurf und die deutlich gesteigerte Futteraufnahme der Sauen positive Effekte aus. Die Absetzgewichte der Ferkel erreichten mit 8.0 bis 8.3 kg im Alter von 28 Tagen in allen Gruppen ein sehr einheitliches Niveau. Die Gewichtsverluste der Sauen während der Laktation unterschieden sich zwischen den Fütterungsgruppen praktisch nicht, da trotz der deutlich reduzierten Futteraufnahme in der mit Fusarientoxinen belasteten Versuchsgruppe I eine geringere Anzahl Ferkel zu säugen war.
Schlussfolgerungen
Die Verwendung von Getreiden, die hohe Konzentrationen an Fusarientoxinen enthalten, führen bei Sauen nachweislich zu Gesundheitsschäden und erheblichen Leistungsdepressionen.
Im vorliegenden Versuch an Zuchtsauen lagen im verwendeten Alleinfutter Konzentrationen von rund 2600 µg Deoxynivalenol und 180 µg Zearalenon je kg vor. ZON-bedingte Fruchtbarkeitsstörungen, die sich in einer erhöhten Umrauschrate, Aborten und Symptomen des Hyperöstrogenismus bei neugeborenen Ferkeln äußerten, traten schon nach kurzer Expositionsdauer während des 1. Reproduktionszyklus auf. Die Reaktion der Sauen auf den hohen DON-Gehalt im Futter war individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt. Äußerlich sichtbare Schädigungen von Haut, Ohren und Schwänzen in Form von Läsionen, Nekrosen und Ödemen sowie Koordinationsstörungen und Deformationen der Extremitäten traten bei Ferkeln vermehrt erst im 2. und 3. Reproduktionszyklus auf. Die Mehrzahl der in der mit Fusarientoxinen belasteten Fütterungsgruppen abgehenden Sauen zeigte Symptome bakterieller Infektionen in Niere, harnableitenden Wegen, Gebärmutter, Gesäuge, Lunge, Leber und Verdauungstrakt. Diese gehäuft auftretenden Infektionen wiesen auf eine Schwächung des Immunsystems der Sauen hin.
Mycofix® Plus reduzierte die Umrauschrate, Verzehrsdepression, Aufzuchtverluste, Organinfektionen und die pathologischen Veränderungen an der Gebärmutterschleimhaut und den Ovarien. Die an Ferkeln beobachteten Symptome des Hyperöstrogenismus, der Fehlstellungen und Koordinationsstörungen der Extremitäten, der Nekrosen an Ohren, Schwanz und Zitzen sowie die Läsionen und Ödeme der Haut traten unter dem Einsatz von Mycofix® Plus in verminderter Ausprägung und deutlich reduzierter Anzahl auf.
Unter Praxisbedingungen werden solch hoch mit Fusarientoxinen kontaminierten Alleinfutter nur sehr selten vorkommen. Bei einer der Toxinbelastung angepassten Dosierung ist zu erwarten, dass Mycofix® Plus eine deutlich nachweisbare detoxifizierende Wirkung entfalten wird.
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