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TAMNeuOG-Entwurf - Stellungnahme des Zentralverbandes der Deutschen Schweineproduktion

Dr. J. Ingwersen 

1. Problem: (Bedarfsgerechte) Verfügbarkeit von Arzneimittel
Zahlreiche Krankheiten erfordern eine sofortige Behandlung, um den Ausbruch schnell, wirksam unter Kontrolle bringen zu können und/oder um schwerwiegende Folgen abwenden zu können. Es handelt sich überwiegend nicht um Einzelfälle, sondern um Bestandsprobleme, so dass Medikamente nicht aufgrund von Einzeltierdiagnosen, sondern auf der Basis einer Bestandsdiagnose abgegeben werden müssen.

B e i s p i e l e :

Brunstinduktion zur Eingliederung der Sauen in den Produktionsrhythmus 
(= Bestandsbehandlung).
Die entsprechenden Präparate müssen jederzeit im Betrieb verfügbar sein, um die Behandlung termingerecht durchführen zu können. 

Wehenschwäche und sonstige Geburtsprobleme (= Bestandsproblem)
In größeren Beständen fallen täglich bzw. stündlich Geburten an, also auch das Risiko von Geburtsproblemen. Hilfe (z.B. zur Wehenunterstützung oder zur Geburtseinleitung) ist sofort nach dem Auftreten der Probleme erforderlich. Anderenfalls bestünden erhebliche gesundheitliche Risiken für Mutter und Ferkel (bis hin zum Tod)!

MMA (= Bestandsproblem)
In größeren Beständen fallen täglich bzw. stündlich Geburten an, damit ist – in Risikobeständen – das MMA-Risiko verbunden.
Innerhalb kurzer Zeit kommt es zur Verhärtung des Gesäuges. Die Gesundung wird durch eine verzögerte Behandlung erheblich erschwert! 
Die Ferkel erhalten keine Kolostralmilch (Problem für den Aufbau des körpereigenen Abwehrsystems).
Im Extremfall besteht die Gefahr des Verhungerns der Ferkel.

Eisenversorgung der Ferkel (= Bestandsproblem)
Die Eisenversorgung der neugeborenen Ferkel ist generell erforderlich. Entsprechende Präparate müssen also täglich verfügbar sein; anderenfalls besteht Anämiegefahr mit entsprechenden negativen Folgewirkungen für die Gesundheit der Tiere. 

Krankheitsvorsorge im Rahmen sog. Präweaningprogramme, beginnend am ersten Lebenstag (z.B. Rhinitis atrophicans), dient der Gesunderhaltung in späteren Lebensabschnitten und der Minderung des Arzneimittelbedarfes. Die entsprechenden Präparate müssen – wie für die Eisenversorgung - täglich im Betrieb verfügbar sein (= Bestandsbehandlung). 

Fiebersenkende Medikamente müssen jederzeit sofort verfügbar sein.

Wundbehandlung Für unvorhersehbare Verletzungen jeglicher Art muss jederzeit im Betrieb ein Medikament zur Wundbehandlung verfügbar sein (Einzeltierbehandlung). 

Durchfall- und Atemwegserkrankungen (= Bestandsproblem)
Die Behandlung muss in der Regel sofort bei Auftreten der ersten Krankheitserscheinungen (bei den ersten Tieren) erfolgen, um einer Ausweitung auf den gesamten Bestand und/oder einer dramatischen Verschlechterung der Lage (mit Todesfällen) entgegenwirken zu können. Das gilt insbesondere für die ersten Tage nach Einstallung zugekaufter Tiere. 

Ektoparasitenbekämpfung erfolgt letztlich permanent. Entsprechende Präparate müssen auf den Betrieben vorrätig sein (= Bestandsbehandlung).

Frage: 
Wie kann/soll die sachgerechte Behandlung der beispielhaft skizzierten Krankheitssituationen vor dem Hintergrund des geplanten Verbotes einer Arzneimittelabgabe vor der Einstallung (also auch vor der Geburt) erfolgen, ohne eine Verschärfung der Situation (durch Verschleppung der Behandlung) und ohne entsprechende tierschutzrelevante Folgen in Kauf zu nehmen? Das Problem des erhöhten Arzneimittelbedarfs zur Behandlung von Folgewirkungen sei ergänzend erwähnt.


Vorschlag zur Problemlösung:
Wir sind informiert, dass z.Z. eine Ausnahmeregelung von der sog. „7-Tage-Frist“ (Verlängerung) für sog. „Anhang-II-Medikamente“ (VO EWG 2377/90) diskutiert wird. Das stellt u.E. keine ausreichende Problemlösung dar!
Vor dem beispielhaft skizzierten Hintergrund sehen wir die Notwendigkeit, eine Regelung zu schaffen, die gewährleistet, dass die erforderlichen Arzneimittel rechtzeitig auf dem Betrieb zur Verfügung stehen (zur Anwendung durch den Tierhalter, nach Anweisung des Tierarztes). Diese Möglichkeit sehen wir im Rahmen tierärztlicher Bestands-Betreuungsverträge. Hierbei muss davon ausgegangen werden, dass der betreuende Tierarzt den Behandlungsbedarf sachgerecht aus den Informationen ableiten kann, die er im Rahmen der regelmäßigen Bestandsbesuche (Bestandsdiagnose) gewinnt. Aufgrund der bestehenden Dokumentationspflicht ist jederzeit die Möglichkeit der Überwachung und der Kontrolle der sachgerechten Arzneimittelanwendung gegeben (beim nächsten Besuch). 

Dem Tierhalter muss die Sachkompetenz zugestanden werden, die Arzneimittelanwendung auf Anleitung des Tierarztes vorzunehmen. Ggf. besteht die Möglichkeit der Kopplung an eine entsprechende „Sachkundeschulung Tiergesundheit“ für den Tierhalter.

In diesem Zusammenhang wird die Notwendigkeit gesehen, den Begriff der „ausreichenden Untersuchung“ (Bestandsdiagnose) gemäß Antibiotika-Leitlinien zu definieren, und zwar praxisgerecht.

Zu den Anhang-II-Arzneimitteln sei angemerkt, dass deren Einsatz lebensmittelrechtlich unbedenklich ist. Es gibt also keinen Anlass zur Reglementierung der Abgabe dieser Medikamente. Stattdessen erscheint es angezeigt, die geplante Neuregelung (Ausdehnung der 7-Tage-Frist) auf Arzneimittel der Anhänge I (mit Rückstandshöchstwerten) und III (befristete Zulassung mit vorläufigen Rückstandshöchstwerten) anzuwenden.


2. Problem: (sofortige) Verfügbarkeit eines qualifizieren Fachtierarztes


Die moderne Tierhaltung in großen Beständen erfordert mehr denn je hochqualifizierte Fachtierärzte, die im Rahmen der Bestandsbetreuung in der Lage sind, zusätzlich zur therapeutischen Tätigkeit eine qualifizierte Beratung zu allen Fragen des Tiergesundheitsmanagements zu leisten. Diese Experten sind leider „Mangelware“ und somit stark ausgelastet. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass qualifizierte Bestandsbetreuung (Beratung!) Zeit erfordert!


Fragen

  • Wie soll es möglich sein, umfassende, qualifizierte Bestandsbetreuung zu leisten, wenn dem Betreuungstierarzt gesetzlich eine Fülle von Besuchsterminen vorgeschrieben wird, die fachlich keinen Sinn ergeben, da sie ausschließlich der Medikamentenabgabe dienen (Diagnose ist bekannt; das Behandlungsprogramm ist definiert und zeitlich festgelegt).
  • Woher soll der qualifizierte Betreuungstierarzt die Zeit für längere Beratungsgespräche nehmen, wenn er ständig auf Abruf verfügbar sein muss.
  • Wie kann angesichts einer gesetzlich vorgeschriebenen hohen Besuchsfrequenz sichergestellt werden, dass – im Falle einer tatsächlichen Bestandsbesichtigung - die erforderlichen Hygienemaßnahmen (Hygieneschleuse / Schutzkleidung usw.) systematisch eingehalten werden und der häufige Personenkontakt sich nicht zum seuchenhygienischen Risikofaktor entwickelt. Hinzu kommt der Widerspruch zur Forderung der Schweinehaltungshygiene-VO nach Minimierung des Personenkontaktes.
  • Wie wird die zuständige Behörde mit der abzusehenden Fülle von „Umgehungstatbeständen“ umgehen, also letztlich mit der Kriminalisierung von Tierärzten und Tierhaltern aufgrund der „Umgehung“ nicht praktikabler, z.T. tierschutzwidriger gesetzlicher Vorgaben?!

Vorschlag zur Problemlösung
Im Rahmen der Bestandsbetreuung muss der Fach-Tierarzt die Betriebsbesuche wie bisher nach Bedarf (nach Art des Bestandes, nach Bestandsgröße und nach Problemlage) planen können. Das erfordert die Möglichkeit, auf der Basis routinemäßig durchzuführender Bestandsdiagnosen Medikamente abzugeben, damit sie vom Tierhalter (gemäß Anweisung des Tierarztes) im konkreten Bedarfsfall ohne Zeitverlust angewendet werden können.
Damit ist die Notwendigkeit verbunden, zumindest auf der Basis von Betreuungsverträgen die Abgabefrist für Medikamente auf 35 Tage zu verlängern, um dem Tierarzt genügend Spielraum für die Besuchsplanung, also auch für die Einhaltung sinnvoller Besuchsrhythmen, zu belassen.


3. Problem: Bedarfsgerechte Verfügbarkeit von Fütterungsarzneimitteln 


Mit dem TAMNeuOG ist vorgesehen, die Herstellung von Fütterungsarzneimitteln auf gezielt zugelassene Mischfutterherstellungsbetriebe zu beschränken. Die Zulassung dieser Betriebe ist mit strengen Auflagen verbunden.
Angesichts dieser Auflagen und der damit verbundenen Kosten erscheint es in höchstem Maße zweifelhaft, ob sich innerhalb der vorgesehenen Übergangsfrist von 15 Monaten ein flächendeckendes Netz entsprechender Betriebe herausbilden wird, um eine schnelle, bedarfsgerechte Versorgung aller Tierhalter sicherstellen zu können. 

Es sei auf die Notwendigkeit des unverzüglichen Behandlungsbeginns hingewiesen, um Folgeschäden eines Krankheitseinbruches minimieren zu können. Nicht zuletzt resultiert aus den Vorgaben, dass betriebsspezifische Futtermischungen bei Fütterungsarzneimitteln nicht eingehalten werden können. Mit der auf diese Weise erzwungenen Futterumstellung ist das Problem verbunden, eine zeit- und bedarfsgerechte Aufnahme sowie eine gleichmäßige Zuteilung der Fütterungsarzneimittel für alle Tiere der Gruppe zu erreichen. Nicht zuletzt ist auf das Risiko der Entmischung hinzuweisen. 

Auch mit der bestehenden Alternative, geeignete Fertigarzneimittel – sofern verfügbar – auf dem Hof über das Futter zu verabreichen, ist die Schwierigkeit der exakten Zuteilung bei verschiedenen Fütterungssystemen (trocken, flüssig, Brei, Automaten usw.) verbunden. Das gilt zumindest so lange, wie keine geeignete Dosiertechnik zur Verfügung steht. 

Frage:
Wie soll die bedarfsgerechte Versorgung kranker Tiere mit Fütterungsarzneimitteln bzw. mit geeigneten Fertigarzneimitteln sichergestellt werden

  • a) über die „Herstellung“ in speziell zugelassenen Betrieben, 
  • b) über die orale Verabreichung auf dem Betrieb?

Vorschlag zur Problemlösung
Die vorgesehene Übergangsfrist von 15 Monaten muss verlängert werden, um genügend Zeit für die Entwicklung und Etablierung geeigneter Dosiereinrichtungen zur Verfügung zu haben und um der Pharmaindustrie die Erweiterung der Angebotspalette für Fertigarzneimittel zu ermöglichen (Zulassung; Gebindegröße usw.).

Auch der Futtermittelindustrie muss genügend Zeit eingeräumt werden, ein flächendeckendes (ortsnahes) „Herstellernetz“ aufzubauen, um eine kurzfristige, bedarfsgerechte Versorgung gewährleisten zu können.


Unser Anliegen 

Um vorzubeugen, dass die geplanten Neuregelungen aufgrund einer ungenügenden Berücksichtigung der Anforderungen eines sachgerechten, wirksamen Tiergesundheitsmanagements kontraproduktiv wirken, bitten wir dringend darum, die beispielhaft skizzierten Problemfälle und die damit verbundenen Fragen konkret und verbindlich zu analysieren sowie gesetzeskonforme Lösungswege aufzuzeigen. Sofern dieses nicht möglich ist, muss eine entsprechende Korrektur des Gesetzentwurfes vorgenommen werden. 

Um nicht missverstanden zu werden, unterstreichen wir abschließend noch einmal unsere volle Zustimmung zu dem Bemühen, den Arzneimitteleinsatz sachgerecht zu optimieren. Dies muss nach dem Grundsatz geschehen: so wenig wie möglich, so viel wie nötig. Es ist Keinem geholfen, wenn Versäumnisse oder falsche Restriktionen im Frühstadium eines Krankheitsausbruches zu einer Ausweitung der Probleme - mit erhöhtem Arzneimittelbedarf – in nachfolgenden Lebensabschnitten führen.

Wir hoffen auf Ihr Verständnis und bedanken uns bereits im Voraus für Ihre Unterstützung.

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