Stallspezifische Impfstoffe
Dr. Dieter Mischok, Praxis am Bergweg und LVL in 49393 Lohne/Old
Unsere spezialisierte Praxis für Schweine und Geflügel blickt auf eine mehr als 15jährige Erfahrung mit der Anwendung stallspezifischer Vaccinen zurück. Anfangs haben wir diese Vaccinen über die Firma WDT, Serumwerk Bruchhausen-Vilsen, aus Material fertigen lassen, dass wir eigenständig in den für Impfmaßnahmen vorgesehenen Betrieben gesammelt haben. Seit einigen Jahren fertigen wir Autovaccinen in unserem Labor (LVL Ecopark, Emstek) selbst und sind auch mittlerweile autorisiert, diese Impfstoffe nicht nur für von uns betreute Betriebe sondern auch für Fremdpraxen aus eingesandtem Material zu fertigen.
Vorab möchte ich auf 3 Dinge hinweisen, die für den Erfolg letztlich maßgeblich sind:
- Sammeln Sie ausreichend Probenmuster aus den verschiedenen Abteilungen eines Problembetriebs und bringen Sie diese möglichst zügig zum beauftragten Institut. Dabei sollte der Probeneingang möglichst am Wochenanfang liegen. Proben, die zu lange liegen, verändern sich, werden z.B. mit Proteus sp überwuchert oder typische Keime sind nicht mehr nachweisbar. Bitte auch darauf achten, dass die Proben von unbehandelten Tieren stammen.
- Ein Impfstoff, der z.B. zur Muttertierschutzimpfung eingesetzt wurde, kann in der Zielgruppe (erzeugte Ferkel) nur wirken, wenn eine ausreichend hohe Kolostrumaufnahme gewährleistet ist. Subklinische MMA der Sauen oder lebensschwache Ferkel verhindern diese ausreichende Kolostrumaufnahme!!
- Ein stallspezifischer Impfstoff ist kein „Allheilmittel“. Letztlich ist immer die gesundheitliche Gesamtsituation des Betriebs entscheidend und diese besteht aus einer Vielzahl von Faktoren, die ein Zusammenspiel von Bakterien, Viren, Parasiten, Management, Futter- und Tränkwasserqualität, Stallklima und Belegdichte darstellen. Sinnvoll ist nur eine Kombination aus einer begrenzten Anzahl von Keimen, da sonst das Immunsystem völlig überfordert wird.
Indikationen für stallspezifischen Impfstoffeinsatz:
- Clostridieninfektionen z.B. Cl perfringens Typ A
- Streptokokkeninfektionen, die sich als Gelenks- und Hirnhautentzündungen bei den Ferkeln äußern.
- Ferkelruß (Staphylokokkus hyicus) als Bestandsproblem
- Nicht typisierbare pathogene (hämolysierende) E. Coli, die mit hartnäckigen Ferkeldurchfällen einhergehen
- Glässersche Krankheit (Hämophilus parasuis)
- Lungeninfektionen mit Pasteurellen und Bordetellen
- APP-Infektionen
Nicht jeder bakterielle Erreger ist gut anzüchtbar. Probleme zeigen sich insbesondere bei Chlamydien und Leptospiren. Hier rangiert die antibiotische Therapie mit Tetracyclinen eindeutig vor der Möglichkeit eines Impfstoffeinsatzes.
Alter der Tiere: Das Immunsystem junger Ferkel konkurriert auch immer mit den maternalen Antikörpern. Daher kann eine Ferkelimpfung von Tieren die zwischen 2 und 5 Wochen alt sind, unter Umständen einen mäßigen Erfolg haben. Impfmaßnahmen beschränken sich daher in aller Regel auf Sauen und Läufer (in einem Alter von mehr als 6 Wochen).
In einem Bestand spielt der Impfabstand für Wiederholungsimpfungen eine wichtige Rolle. Er sollte abhängig von der individuellen Situation im Bestand gestaltet werden. Erhöhte Remontierungsraten oder intensive Bestandsaufstockungen erfordern u.U. ein verkürztes Wiederholungsschema.
Die Impfung kann bestandsweise oder gruppenorientiert vor dem Abferkeln erfolgen. Bestandsimpfungen haben den Vorteil, dass recht schnell eine geschlossene Impfdecke erzielt wird, die ein Streuen von Keimen reduziert. Der Nachteil besteht u.U. darin, dass maternale Antikörper zum Zeitpunkt der Geburt eventuell schon deutlich reduziert sind, wenn die Impfung bereits länger zurückliegt.Ich rate dazu, auch Bestandsimpfungen immer als Boosterimpfungen durchzuführen, da die Immunlage hierdurch deutlich verstärkt wird.
Isolierte bakterielle Erreger werden gefriergetrocknet von uns in eine sog. „Keimbank“ eingelagert und können dort über einen langen Zeitraum aufbewahrt und bei Bedarf für neuen oder zusätzlichen Impfstoff „aktiviert“ werden. Lediglich einige Keime (besonders Salmonellen) zeigen ein erhöhtes Absterbeverhalten in der Keimbank.
Die Keimlage eines Systems stellt ein sog. „Fließgleichgewicht“ dar, d.h., sie kann sich im Laufe der Zeit wandeln, wenn z.B. über Remontetiere oder lebende Vektoren (Mäuse, Ratten, Vögel) neue Keime hinzukommen. Daneben unterliegen einige bakterielle Keime, insbesondere die Streptokokken, einer deutlichen genetischen „Drift“ d.h., ihr Erbgut verändert sich durch Mutation und Selektion sehr schnell mit der Folge, dass vorher gut wirkende Impfstoffe nicht mehr „greifen“. Daher bitte regelmäßig Neueinsendungen von Material zwecks Überprüfung der Wirksamkeit eines Impfstoffes.
Für einige Krankheitskeime ist die Art und Technik der Materialgewinnung ausschlaggebend um überhaupt einen speziellen Keim zu finden und vermehren zu können und damit für die Wirksamkeit einer Autovaccine. Vorherige Rücksprache mit dem Impfstofflabor verbessert somit die Aussichten auf erfolgreiches Arbeiten. Das Labor nennt im Einzelfall gern die entsprechende Entnahmetechnik und gibt Tips für den Versand. Nachfolgend einige Beispiele:
- APP, HPS, Pasteurellen und Bordetellen: möglichst Lungenspülproben von unbehandelten Tieren und/oder Lungen-/Lymphknoten vom Bronchusstamm (keine Brühwasserlungen!!)
- Coli/Clostridien: abgebundener (Dünn)darm, zügig entnommen und versandt, am besten aus lebendwarmem Tier oder Rektaltupfer (möglichst Pool von mehreren betroffenen Ferkeln eines Wurfs).
- Streptokokken: Gehirn oder Liquor, Lungengewebe und Gelenkspunktat. Auch Nasentupfer von betroffenen Tieren haben eine gute Findungsrate
- Staphylococcus hyicus (Ferkelruß): Hautgeschabsel von den veränderten Stellen oder ein ganzes Hautstück
Unter Beachtung dieser vorab erwähnten Faktoren sind stallspezifische Impfstoffe in der Hand des Tierarztes ein wirksames Werkzeug zur erfolgreichen Gestaltung der Produktion und mittlerweile aus unserer Praxis nicht mehr wegzudenken. Beachten Sie aber, dass die rechtliche Grundlage zur Erstellung einer Autovaccine nur dann gegeben ist, wenn eine offiziell zugelassene „Industrievaccine“ für das jeweilige Krankheitsproblem des Bestandes nicht zur Verfügung steht. Daneben sei noch erwähnt, dass die von uns für das Schwein eingesetzten und hergestellten Vaccinen ausnahmslos bakterielle Vaccinen für Injektionszwecke sind. Oralvaccinen oder Aerosole kennt man zwar beim Geflügel; für das Schwein haben sie jedoch aufgrund mangelnder Wirksamkeit hinsichtlich der o.a. Indikationen keine Bedeutung wenngleich Oralvaccinen für Schweine bei gewissen Indikationen (Lawsonien/PIA) aufgrund der Erfahrungen im Ausland (USA) gut wirksam sind.
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