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10-Tage-Durchfall gezielt behandeln

Prof. Dr. Anja Joachim, Wien; erschienen in dlz-agrarmagazin 8/2003 

Immer mehr Durchfälle bei Saugferkeln, speziell ab der zweiten Lebenswoche, sind heute auf Kokzidien zurückzuführen. Seit kurzem ist es nun möglich, parallel zu den hygienischen Maßnahmen mit einem gezielten Behandlungskonzept gegen die Dünndarmparasiten vorzugehen. Professor Dr. Anja Joachim, Wien, stellt es vor. 



Neben Viren oder Bakterien können Einzeller aus der Gruppe der Kokzidien (Isospora suis) als Krankheitserreger bei Saugferkeln erhebliche Probleme verursachen. Von diesen Parasiten verursachte Durchfälle treten meist vom Ende der ersten bis zum Ende der zweiten Lebenswoche auf (10-Tage-Durchfall), können aber auch Ferkel bis zum Alter von vier Wochen betreffen. 

Etwa vier Tage nach der Ansteckung mit den Dauerstadien des Parasiten (Oozysten), die von den Ferkeln aus der Umgebung aufgenommen werden, kommt es zum typischen Krankheitsbild: zu gelblichem, seltener zementfarbenem Durchfall, der zunächst cremig bis dünnflüssig, später pastös ist. Die Erkrankung klingt im Allgemeinen nach sechs bis zwölf Tagen wieder ab. Meistens sind die Ferkel eines Wurfes zu unterschiedlichen Zeitpunkten betroffen, so dass sich das Krankheitsgeschehen bei gleichaltrigen Tieren über mehrere Wochen hinziehen kann (siehe Abbildung „Anteil durchfallkranker Ferkel je Wurf”). Ferkel, die einmal infiziert waren, sind gegen eine erneute Infektion unempfänglich.


Kokzidien weit verbreitet
Die Kokzidiose (in Fachkreisen auch als Isosporose bezeichnet) ist in praktisch allen Ländern mit intensiver Schweinehaltung zu finden. In Deutschland sind in Studien aus verschiedenen Bundesländern bis zu hundert Prozent der Betriebe befallen gewesen, wobei durchschnittlich ein bis zwei Drittel der untersuchten Würfe positiv waren. Die Diagnose des Parasitenbefalls gelingt am besten, wenn der Kot mehrerer Tiere (Alter: zwei bis vier Wochen) untersucht werden kann, und das zweimal im Abstand von einer Woche. Auch über die Untersuchung von verendeten Tieren oder Kümmerern durch Sektion des Darmes lässt sich der mikroskopische Nachweis der Parasitenstadien erbringen. 

Welche Schäden verursacht die Kokzidiose? Akut erkrankte Ferkel zeigen Durchfall und Austrocknung bei erhaltener Sauglust. Wenn der Durchfall länger anhält, kommt es zu mangelnder Gewichtszunahme oder sogar zu Abmagerung. Die Ferkel sind verschmutzt. Oftmals beobachtet man langes, raues Haarkleid. Häufig bleiben erkrankte Tiere auch nach dem Abklingen des Durchfalls im Wachstum hinter gesunden Tieren zurück und kümmern. Todesfälle treten auf, sobald sich andere Erreger wie Colibakterien oder Clostridien zu den Parasiten gesellen und durch den geschädigten Darm in die Blutbahn gelangen. Die Zunahmen während der Säugeperiode sind durch die Kokzidiose nachweislich deutlich gemindert. Denn auch wenn der Parasit schon längst wieder aus den Darmzellen verschwunden ist, bleiben die durch die Infektion verursachten Schäden noch lange sichtbar: Die Dünndarmzotten sind verkürzt, die Oberfläche des Darmes ist stark verringert und infolge dessen können die Nährstoffe aus der Milch nur ungenügend aufgenommen werden. Beim Absetzen sind die Ferkel oft sehr auseinander gewachsen. Die Isosporose verursacht also neben dem Durchfall der Saugferkel auch empfindliche wirtschaftliche Folgeschäden. 


Mit neuem Mittel erfolgreich gegen Darmparasit vorgehen
Im Gegensatz zur Geflügelkokzidiose sind die Kontrollmöglichkeiten bei der Saugferkelkokzidiose sehr begrenzt, da die Ferkel noch kein Futter und damit auch keine Kokzidiostatika aufnehmen können. In Beständen, in denen Isospora nachgewiesen ist, kann es jederzeit zum Ausbruch einer klinischen Kokzidiose kommen. Beim Auftreten klinischer Symptome ist es für eine wirtschaftliche Bekämpfung bereits zu spät. Daher müssen entsprechende Maßnahmen rechtzeitig eingeleitet werden. 

Die Reinigung der Abferkelbuchten, gefolgt von einer wirksamen Desinfektion, stellt ein wichtiges Mittel zur Reduktion der Parasitenbürde in der Umgebung dar (siehe unten: „So wirksam desinfizieren”). Da der Erreger jedoch sehr widerstandsfähig gegenüber chemischer Desinfektion ist und nur wenige infektiöse Stadien ausreichen, um eine Infektion des Wurfes in Gang zu setzen, sollte in Betrieben mit Kokzidioseproblemen zusätzlich eine medikamentelle Bekämpfung durchgeführt werden. 

Bis vor kurzen gab es in Deutschland kein zugelassenes, wirksames Arzneimittel, das man zur Vorbeuge oder Heilung der Saugferkelkokzidiose einsetzen konnte. Das hat sich geändert: Seit Anfang des Jahres ist ein Medikament auf dem Markt, das für die Bekämpfung der Isosporose beim Saugferkel zugelassen ist. Es handelt sich um ein Mittel mit dem Wirkstoff Toltrazuril („Baycox 5 %”), das in einer 5-prozentigen Suspension speziell zur oralen Eingabe eingesetzt wird. Im Alter von drei bis fünf Tagen, also bevor Durchfälle auftreten, werden alle Ferkel eines Wurfs einmalig mit 20 mg Toltrazuril je kg Körpergewicht behandelt – das entspricht einer Dosis von 1 ml „Baycox 5 %” für ein 2,5 kg schweres Ferkel. Das Präparat lässt sich einfach anwenden, indem man es den Ferkeln einzeln mit einer Plastikspritze eingibt.


Der Einsatz ist sehr sicher, da auch bei einer höheren Dosis (bis zum Doppelten der empfohlenen Menge) keine Nebenwirkungen auftreten.


Höhere Zunahmen und kaum noch Durchfälle
Ein einmaliges Verabreichen des Mittels genügt. Dies sollte allerdings erfolgen, bevor die Tiere Durchfall zeigen, denn wenn die Erkrankung auftritt, sind die Schäden am Darm bereits erfolgt. Das Medikament verhindert den Ausbruch der Erkrankung und reduziert ganz erheblich die Anzahl der ausgeschiedenen Oozysten. Damit wird auch der weiteren Verbreitung der Kokzidien unter den Saugferkeln ein Riegel vorgeschoben. 

In kontrollierten Studien wurde dieser Effekt untersucht und festgestellt, dass im Vergleich mit unbehandelten Kontrolltieren das Durchfallgeschehen wesentlich gemindert und die Oozystenausscheidung unterdrückt werden konnte. Die behandelten Ferkel nehmen entsprechend besser an Gewicht zu, wie die gleichnamige Abbildung zeigt. Die Tiere sind ebenso in einem besseren Allgemeinzustand. Da die durch die Kokzidien verursachten Schäden am Dünndarm ausbleiben, kann oftmals auch auf den Einsatz von Antibiotika gegen bakterielle Durchfallerreger   weitgehend verzichtet werden. 

Beim Einsatz des genannten Präparates ist zu beachten, dass es ausschließlich auf die Behandlung der Ferkel beschränkt ist. Die Wartezeit für dieses Arzneimittel beträgt 77 Tage, was bei Saugferkeln kein Problem darstellt. Für andere Altersgruppen ist das Medikament weder geeignet noch vom Gesetzgeber zugelassen. 

Natürlich kann die medikamentelle Behandlung ein gutes Hygienemanagement nicht ersetzen. In einem Bestand, in dem Isospora Probleme verursacht, muss daher zwischen den Durchgängen gründlich gereinigt und mit einem wirksamen Mittel desinfiziert werden, damit die Infektion von vorneherein eingedämmt werden kann. 

Zusammenfassend lässt sich sagen: Nur durch wirksame Desinfektion, regelmäßige Behandlung und entsprechende Erfolgskontrollen (Kotuntersuchungen durch den Tierarzt) kann man der Saugferkelkokzidiose Herr werden. 

Frau Professor Dr. Anja Joachim wechselte im Frühjahr 2003 vom Institut für Parasitologie an der Universität Leipzig an das Institut für Parasitologie und Zoologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien.



So wirksam desinfizieren
Die Hygiene, sprich Reinigung und Desinfektion, spielt eine ganz entscheidende Rolle bei der Verhütung der Ferkelkokzidiose. Macht man sich den Entwicklungszyklus der Kokzidien (Isospora suis) bewusst, sind besondere Strategien für eine wirksame Desinfektion erforderlich. Wichtig ist es zunächst, auch ein Desinfektionsmittel einzusetzen, das tatsächlich antiparasitär wirkt. Auf der sicheren Seite ist man hier, wenn DVG-geprüfte Mittel mit nachgewiesener Wirkung gegen Wurmeier und Kokzidien zum Einsatz kommen. Für die Desinfektion gegen die Kokzidien-Oozysten sind nach der neuesten 12. DVG-Liste (Stand Mai 2003) nur noch zwei Präparate (Spalteneintrag 8 b) geeignet. Es handelt sich hier um „Endosan Forte” (Schaumann) sowie „Neopredisan” (Menno).

Zum Infektionsverlauf: Die Infektion der neugeborenen Ferkel erfolgt in erster Linie durch übriggebliebene Oozysten der vorherigen Würfe in der Umgebung der Tiere, weniger über die Sau. Die Parasiten durchlaufen dann im Ferkel einen Entwicklungszyklus innerhalb von etwa fünf bis sechs Tagen. Beginnend mit dem 5. Tag kann so eine verstärkte Ausscheidung und dadurch eine zusätzliche Kontamination der Flächen erfolgen, über die sich bis dahin noch gesunde Ferkel infizieren. Die so aufgenommenen Kokzidien durchlaufen wiederum ihren Entwicklungszyklus und es kommt ab dem 10. bis 14. Tag zu den typischen Ferkeldurchfällen. Durch eine Desinfektion in der belegten Abferkelbox werden die erneut ausgeschiedenen Kokzidien bekämpft. Die Desinfektion zu einem späteren Zeitpunkt erscheint nicht sinnvoll, weil die Kokzidien innerhalb von zwei Tagen sporolieren und wieder zu Infektionen führen. 

Um Kokzidien (und Spulwürmer) in einer kombinierten Desinfektion zu erreichen, ist das folgendeHygienekonzept zu empfehlen: 
  1. Beginn der Entwurmung der Sauen im Wartestall 8 bis 10 Tage vor dem Umstallen in die Abferkelbox. 
  2. Desinfektion der gründlich gereinigten Abferkelbox mit einem antiparasitär wirkenden Produkt (siehe oben).
  3. Sauen im Wartestall am Tag des Umtriebs waschen. 
  4. Ab dem 5. Tag nach Geburt der Ferkel Desinfektion im belegten Abteil. Hierbei sind folgende Punkte zu beachten: 
    • stark verschmutzte Flächen besenrein vorreinigen, 
    • Desinfektion der Flächen mit der Gießkanne oder mit Desinfektionsspritzen, die einen Schaum ausbringen.

    Merke: 

    • Die Rückenspritze oder Düsentechnik sind ungeeignet, weil der entstehende Sprühnebel die Tiere trifft oder eingeatmet wird. 
    • Die Desinfektionsmittel sind nur auf die Stallflächen auszubringen. 
    • Eine direkte Behandlung der Tiere ist nicht erlaubt!

In mehreren Feldstudien und Praxisversuchen wurden diese Empfehlungen für die derzeit DVG-gelisteten Produkte mit Wirksamkeit gegen Kokzidien überprüft. Es waren keine negativen Effekte zu beobachten. Auch war in keinem Fall eine verzögerte Milchaufnahme der Ferkel am Gesäuge der Sau festzustellen. 

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