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Dysenterie Teil 2: Sanierung im laufenden Betrieb

Jens Jungbloot, Dr. R. Heggemann, Bahnhofstr.69, 25782 Tellingstedt 

Einleitung
Die Dysenterie (Erreger: Brachyspira hyodysenteriae) ist eine Erkrankung, die in allen Altersgruppen auftritt und somit zu erheblichen finanziellen Einbußen in Form von erhöhten Tierverlusten, verringerte Zunahmen und erhöhtem Medikamentenaufwand führen kann. Besonders betroffen sind Aufzucht- und Mastbetriebe, die über zugekaufte, klinisch unauffällige, aber latent infizierte Ferkel gefährdet werden. Da eine zeitlich befristete und nur bei vorhandener Symptomatik durchgeführte Therapie oft nur eine vorübergehende Besserung bringt, ist ein Sanierungsversuch unter Umständen sinnvoll. Dieses insbesondere deshalb, weil das therapeutische Arsenal schon jetzt sehr eingeschränkt ist (siehe auch Dysenterie-Teil 1). Ein Sanierungsversuch macht natürlich nur dann Sinn, wenn gewährleistet ist, dass zukünftig keine infizierten Tiere zugekauft werden. So ist der vorgeschaltete Lieferbetrieb u.U. mit in das Programm einzubeziehen. 


Infektionswege
Wichtig bei diesem Verfahren ist, daß Kenntnis über die Verbreitungswege des Erregers vorliegen, weil diese Wege bei der Sanierung durchbrochen werden müssen: Die Brachyspiren besiedeln den Dickdarm der Schweine in allen Altersgruppen, selbst der Saugferkel. Ausgeschieden werden sie über den Kot, in dem sie lange überlebensfähig sind (bei < 10° C über zwei Monate). In der Gülle findet bei normalen Stallbedingungen sogar eine Vermehrung statt. Als Überträger gibt es neben den Schweinen selbst lebende Vektoren wie insbesondere Mäuse und Ratten, aber auch Katzen, Hunde und Geflügel können den Erreger beherbergen und ausscheiden. Unbelebte Vektoren wie Schaufel, Stiefel und andere Gegenstände oder Geräte, die mit Kot behaftet sind, können ebenfalls Erreger verschleppen.


Sanierungskonzepte und Durchführung
Grundsätzlich gibt es drei Varianten eines Sanierungsversuches:

1: Repopulierung (komplette Räumung) des Bestandes 
2: Medikamentelle Sanierung des laufenden Bestandes ohne Räumung.
3: Medikamentelle Sanierung des laufenden Bestandes ohne Räumung inkl. durchwaschen des Tierbestandes.


Aus Kostengründen wird in der Regel der zweite Weg gewählt. Dieser soll detaillierter vorgestellt werden.


Vorbereitungsphase
Es ist sinnvoll die Sanierung in der wärmeren Jahreszeit (> 15°C) durchzuführen.
Als erster Schritt ist eine gründliche Vorbereitung notwendig! Von dieser hängt der Sanierungserfolg entscheidend ab. Zunächst ist der Erreger aus geeigneten Proben (s.Teil 1) zu isolieren, anzuzüchten und ein Resistentest zu erstellen (!!). Dieses dauert etwa drei Wochen. Die Richtigkeit des Resistenztestes wird zunächst durch Medikation einer kleinen Tiergruppe überprüft. Sehr wichtig ist ebenfalls die Schaffung eines hohen Hygienestatus, indem zunächst innerhalb und außerhalb des Betriebes gründlichst aufgeräumt wird. Die Schadnager müssen ständig und wirkungsvoll innen und außen professionell (!) bekämpft werden. Räumung sämtlicher Dung- und Güllelagerstätten innen und außen auf ein absolutes Minimum und merzen aller kranken, untergewichtigen Tiere (Kümmerer). 

Ferner sollten vor Beginn der Medikation möglichst viele geeignete Tiere der Schlachtung zugeführt werden, um den Bestand so weit wie möglich auszudünnen (Kostenersparnis u. geringerer Infektionsdruck, außerdem wird Platz in der Nachbereitungsphase benötigt ). Eventuell vorhandenes Personal muss unbedingt in die Hintergründe und Durchführung der Sanierung mental mit einbezogen werden.


Sanierungsphase
Nach diesen Vorbereitungen erfolgt dann die eigentliche Medikation des Bestandes. Die Medikation desgesamten Bestandes muß mindestens über drei Wochen erfolgen. Wichtig ist, dass eingesetzte Medikamente nicht unterdosiert werden! Die Berechnung der einzusetzenden Arzneimittelkonzentration muß immer auf Basis des Körpergewichtes (KGW) und nicht nur über die Futtermenge erfolgen (s.Beispiel 1). Eine Unterdosierung verhindert lediglich die befristete Erregerausscheidung, führt aber nicht zu einer dauerhaften Eliminierung des Erregers im Darm. Sauen sollten mit mind. 250 kg KGW angesetzt werden. Alle Tiere des Bestandes, die kein oder unzureichend Futter aufnehmen, müssen täglich(!) per Injektion behandelt werden! Dazu gehören Saugferkel, Absatzferkel 1. u. 2. Woche nach dem Absetzen, abgesetzte Sauen vor oder in Rausche, Sauen vor dem Abferkeln und kranke Tiere. 
Möglich ist auch, dass man einen Belegestopp von sechs Wochen durchführt und dann die Medikation in der abferkelfreien Zeit durchführt.
Während der Medizinierung sind alle Kotreste ständig zu beseitigen und Zwischendesinfektionen durchzuführen. Geräte dürfen nicht von Abteil zu Abteil mitgenommen werden. Für jedes Stallgebäude müssen in einer provisorischen Personenschleuse extra Overall, Stiefel und Desinfektionseimer vorhanden sein und sollten kotfrei gehalten werden. Treibewege immer gleich reinigen und desinfizieren. Gegenüber üblichen Desinfektionsmitteln und Trockenheit sind die Erreger sehr empfindlich. Die Schadnagerbekämpfung muß weiter konsequent durchgeführt werden. Gülle muß ständig abgelassen werden.


Nachlaufphase
Als dritter Schritt folgt die Nachbereitung. In der letzten Woche der Medizinierung sind die Buchten umtriebig mit Schaufel und Wasserschlauch zu reinigen und mittels Gießkanne zu desinfizieren, Gülle zu entfernen und die Restgülle im Kanal und Außenbehälter mit Alzogur (Handelsname, Schutzmaßnahmen beachten!) in einer Konzentration von 3 ltr. / m³ oder mit 1%iger Vennovet Lösung (d.h. 10l Lösung auf 1m³ Gülle) zu behandeln (s. Beispiel 2). Bevor die Tiere in die gereinigten Buchten umgetrieben werden, sind die mit dem Desinfektionsmittel in Berührung gekommen Flächen unbedingt mit reichlich klarem Wasser nachzuspülen, da aufgenommenes Alzogur oder andere Mittel für Schweine sehr toxisch sind. So ist umschichtig der gesamte Betrieb zu reinigen (deshalb Tierbestand vorher ausdünnen). Das hohe Hygieneniveau und die Schadnagerbekämpfung müssen beibehalten werden 
(siehe auch: Sanierungsfahrplan im Überblick).

Die peinlich genaue Organisation des Ablaufes bestimmt ganz wesentlich über Erfolg oder Mißerfolg. Nicht in jedem Fall ist eine einmalige Medizinierung über die drei Wochen erfolgreich. Es gab Fälle, wo die Prozedur wiederholt werden mußte. Während der Sanierung dürfen keine Tiere zugekauft werden. Nach der Sanierung sollten Remontierungssauen und Eber konsequenterweise zunächst in eine vierwöchige Quarantäne mit Medikation aufgestallt werden. Erst dann dürfen sie in den Bestand verbracht werden. 

Bei der praktischen Umsetzung eines solchen Vorhabens hat es sich bewährt auf erfahrene, externe Hilfe bei der Vorbereitung, Durchführung und Beaufsichtigung zurückzugreifen. Dieses ist deshalb sinnvoll, da hier ohne jegliche Vorbehalte und Betriebsblindheit nach streng veterinärmedizinischen Gesichtspunkten strategisch agiert werden muss und dieses von allen beteiligten Personen über den gesamten Zeitraum!! Viel Erfolg !!


Beispiele
Beispiel 1: Dosierungsbeispiel Wirkstoff Tiamulin, Futter für tragende Sauen

Basisdosierung: 10 mg Tiamulin / kg Körpergewicht (KGW)
Sau mit 250 kg KGW und 2,5 kg Futterverzehr pro Tag

  • In 2,5 kg Futter müssen 2,5 g Wirkstoff enthalten sein
  • In 1 to Futter müssen 1 kg Tiamulin (Wirkstoff !!) sein
  • Da z.B. Tiamutin 10 % nur 10 % Wirkstoff enthält, muss die zehnfache Menge eingemischt werden.
  • Also 10 kg Tiamutin 10% pro Tonne Futter für tragende Sauen.


(Bei Laktationsschrot ist die Dosierung kg Tiamulin / to Futter entsprechend dem Futterverzehr niedriger)

Beispiel 2: Berechnungsformel für Alzogur Dosierung:

A- Güllekanal
 Länge x Breite x Höhe der Restgülle (mtr.) x 3 = Menge Alzogur (ltr.)

Beispiel: 20 x 2,5 x 0,1 x 3 = Menge Alzogur (ltr.)

5 x 3 = 15 Liter Alzogur für Güllekanal

B- Gülleaussenbehälter: Radius² x Höhe der Restgülle (mtr.) x 9,42 = Menge Alzogur (ltr.) 

Beispiel: 5² x 0,3 x 9,42 = Menge Alzogur (ltr.)

25 x 0,3 x 9,42 = 70,6 Liter Alzogur für Gülleaussenbehälter


S
anierungsfahrplan im Überblick
Vorbereitungsphase
  • Sanierung möglichst im Sommer
  • Zeitplan erarbeiten
  • Probenentnahme, Resistenztest, Testbehandlung
  • Eventuell Belegestop (4 Monate vor Sanierung!) 
  • Aufräumen u. Entrümpeln innen u. außen
  • Schadnagerbekämpfung innen u. außen (Profi) 
  • Leerung der Güllekanäle u. Behälter
  • Kümmerer merzen
  • Ausdünnungsschlachtung
  • Personal unterrichten
  • Desinfektionsmittel, Alzogur bestellen
  • Injektionsmedikamente bestellen
  • Eventuell zusätzliche Schutzkleidung bestellen


Sanierungsphase
  • 3-wöchige Futtermedikation aller Tiere
  • Tägliche Injektion der Ferkel etc. 
  • Hohen Hygienestatus halten
  • Zwischendesinfektionen wo immer möglich
  • Gülle ablassen, Schadnager weiter bekämpfen
  • Restgüllebehandlung mit Alzogur
  • Kein Zukauf von Tieren

Nachlaufphase
  • Reinigung u. Desinfektion der Buchten 
  • Umtrieb der Tiere (evtl. mit Waschung u. Desinfektion = Variante 3) 
  • Hohes Hygieneniveau halten
  • Schadnager weiter bekämpfen
  • Zukauf nur über Quarantäne + Medizinierung
  • Tiere und Kot auf Dysenterieanzeichen beobachten
  • Evtl. Kotproben Untersuchung alle 4-6 Monate

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