PIA - Eine sich ausbreitende Erkrankung macht Schlagzeilen
Jens Jungbloot u. Dr. Reinhold Heggemann, Bahnhofstr.69, 25782 Tellingstedt
In der Schweinewelt ist in den letzten Jahren ein neues Problem aufgetreten: PIA, oder auch PorcineIntestinale Adenomatose. Dabei ist die PIA nur eine Erkrankungsform, die von dem Bakterium „Lawsonia intracellularis“ hervorgerufen werden kann. Eine ökonomische Bewertung in den USA ergab, dass durch diese Erkrankung jährlich ca. zwanzig Millionen Dollar Schaden verursacht wird.
Historie
Die Erkrankung ist keineswegs neu, sondern wurde bereits 1931 beschrieben. Die uns alarmierenden Nachrichten über diese Erkrankung stammen aus den USA. 1990 berichten Ward und Winkelmann über eine neue Darmerkrankung in 40% der Schweinebetriebe im Mittelwesten Amerikas. Zu diesem Zeitpunkt standen die Tierärzte diesem Problem noch recht hilflos gegenüber. Man vermutete als Erreger verschiedene Campylobacter-Arten. Aufgrund mangelnder Diagnostikmöglichkeiten - es konnten nur die pathologischen Veränderungen am Dünndarm von toten Tieren nachgewiesen werden - fehlten zu dieser Zeit verlässliche Daten über die Ausbreitung. 1993 wurde der Erreger entdeckt, ein gramnegatives, nicht sporenbildendes, mikroaerophiles Bakterium: Lawsonia intracellularis.
Übertragungswege
Der Erreger kann eine gewisse Zeit in der Umwelt bei günstigen Bedingungen überleben. Die Übertragung erfolgt über orale Schmutzinfektionen. Das Bakterium besiedelt die Schleimhautzellen (Enterozyten) des Dünndarmes, wobei insbesondere der hintere Abschnitt, das Ileum betroffen ist. Hier lebt es streng intrazellulär. Tierzukäufe aus infizierten, aber klinisch unauffälligen Herden spielen eine wichtige Rolle bei der Verbreitung. Neben dieser horizontalen Übertragung kann aber auch eine vertikale Infektion von der Sau auf das Ferkel stattfinden. Heute ist die Erkrankung in allen wichtigen schweineproduzierenden Ländern nachgewiesen. Ein hochgradiger Durchseuchungsgrad von 90 % und mehr besteht in den USA, England und in Dänemark. In Deutschland und in Spanien finden wir den Erreger in etwa 30% der Bestände. In Australien sind mehr als die Hälfte der Schweinebetriebe betroffen. Auch in Holland spielt diese Erkrankung eine große Rolle. Zahlen sind aber nicht bekannt.
Obwohl die Erkrankung schon 1931 beschrieben wurde, ist sie erst in den letzten Jahren zu einem Problem geworden. Mehrere Faktoren spielen dabei eine Rolle:
Zum einen sind da die intensiveren nationalen und internationalen Handelsbeziehungen zu nennen und zum anderen wurden durch zunehmend moderne und damit hygienische Haltungsverfahren andere Erkrankungen zurück gedrängt. Damit fehlten Konkurrenzerreger und somit trat keine Verschleierung des Krankheitsbildes auf. Dies ist die Erklärung, dass Betriebe mit gutem Hygiene- und Gesundheitsstatus augenscheinlich am ehesten betroffen sind. Ein weiterer Grund für das vermehrte Auftreten der PIA ist durch den verringerten Einsatz von Leistungsförderern zu begründen.
Empfänglich für diese Erkrankung ist hauptsächlich das Schwein. Es wurden aber auch bei anderen Tierarten ähnliche klinische Symptome und pathologische Veränderungen nachgewiesen. Hier sind Hamster, Frettchen, Ratte, Lamm, Kaninchen, Hund, Meerschweinchen und Fohlen zu nennen. In sofern könnten auch Schadnager als Reservoir dienen. Zahlreiche Schweinebestände sind unerkannt infiziert. Klinik ist häufig erst nach Stresssituationen zu sehen. Hier sind vor allem Umstallungen, Transporte, Überbelegungen, schlechte Futterqualität oder Futterhygiene und Futterwechsel zu nennen.
Verlaufsformen
Lawsonia intracellularis ist der Erreger für vier verschiedene Krankheitsbilder:
1. Porcine Intestinale Adenomatose ( PIA )
2. Nekrotisierende Enteritis ( NE )
3. Regionale Ileitis ( RI )
4. Proliferative Hämorrhagische Enteropathie ( PHE )
Die PIA, NE und RI sind chronische Verlaufsformen, die P.H.E. dagegen verläuft akut.
Chronische Erkrankungsformen sind besonders in Ferkel- und Vormastgruppen anzutreffen. Die Klinik ist sehr unspezifisch und lässt nur eine Verdachtsdiagnose zu. Hier stehen Durchfall, Appetitlosigkeit und schlechte Zunahmen im Vordergrund. Masttiere gleichen Alters wachsen auseinander. Der Durchfall kann im Charakter farblich wechseln von gelblich bis bräunlich - schwarz und in der Konsistenz zwischen dünnbreiig und wässrig. Teilweise sind auch Blutbeimengungen zu sehen. Einige Betriebe berichten von gehäuftem Schwanzbeißen und vermehrten Mastdarmvorfällen. Todesfälle sind eher selten und treten ohne sichtbare Anzeichen auf, so dass man an Kreislaufversagen denkt. Häufig ist das Krankheitsbild nicht von der Dysenterie zu unterscheiden, die unbedingt als Differentialdiagnose abzuklären ist. Weiterhin müssen Salmonellenerkrankungen ausgeschlossen werden.
Um welche Verlaufsform der Erkrankung es sich handelt, ist nur pathologisch zu bestimmen. Die Erkrankung beginnt mit der Adenomatose, sichtbar in Verdickung und Faltenbildung der Darmschleimhaut des Dünndarmes, der Porcinen Intestinalen Adenomatose (PIA). Treten diese Veränderungen nur lokal im Ileum, dem letzten Dünndarmabschnitt auf, spricht man von der Regionalen Ileitis (RI). Diese Veränderungen können später in Nekrose der Darmschleimhaut übergehen, das heißt die Darmschleimhaut stirbt ab und es sind käseartige Beläge im Dünndarm sichtbar. Es handelt sich um die Nekrotisierende Enteritis (NE).
Die akute Verlaufsform tritt seltener auf und ist hauptsächlich bei Tieren über dem sechsten Lebensmonat anzutreffen. Dies betrifft also besonders Endmasttiere. In den USA wurde beobachtet, dass bei Endmastschweinen in Buchten, aus denen die schwersten Tiere schon für den Schlachter geliefert wurden, plötzlich diese akute Form auftrat. Wahrscheinlich war der entstandene Stress bei der Ausstallung Auslöser der PHE. Aber auch bei zugekauften (transportierten) Jungsauen können Symptome beobachtet werden. Bei Krankheitsbeginn verweigern die Tiere die Nahrungsaufnahme, bekommen später unstillbaren, blutigen, teerartigen Durchfall und verenden dann häufig an Kreislaufversagen. Verläuft die Erkrankung nicht so akut werden die Tiere teilnahmslos und kommen zum Festliegen und verenden letztendlich an Entkräftung. Bei der Sektion lassen sich massenhafter blutiger schwarzer Darminhalt nachweisen. Im Dünndarm ist die Schleimhaut von starken Blutungen gekennzeichnet.
Diagnostik
Heute ist die Diagnostik so weit fortgeschritten, dass eine Diagnosestellung auch am lebenden Tier möglich ist. So kann durch die PCR (Polymerase-Chain-Reaction) der Nachweis aus dem Kot erkrankter Tiere erfolgen oder durch serologische Blutuntersuchung eine Diagnose gestellt werden. In jedem Fall lässt sich dadurch ein Bestandsstatus feststellen. Einzeltierdiagnostik bleibt dem Pathologen vorbehalten. Er stellt eine Verdachtsdiagnose aufgrund der oben beschriebenen Darmveränderungen. Zur Sicherung kann der Erreger durch verschiedene Färbetechniken (HE-Färbung oder Ziehl-Neelsen-Färbung) direkt in der Darmschleimhaut mikroskopisch sichtbar gemacht werden.
Prophylaxe und Therapie
Der Erreger ist bei den chronischen Verlaufsformen durch eine antibiotische Futter- bzw. Wassermedikation zu bekämpfen. Sollten mehrere Tiere Fressunlust zeigen, wäre eine Initialbehandlung mittels Injektion anzuraten. Wirksam sind i.d.R. Teracycline, Tylosin, Lincomycin und Tiamulin. Bei der akuten Form (PHE) ist die Injektionsbehandlung das Mittel der Wahl. Allerdings sind hier durch die hochgradigen Darmveränderungen die Erfolgschancen auf Heilung max. 50%. Wichtig ist, dass Tiere die noch nicht erkrankt sind, sofort mitbehandelt werden. Die Antibiotikagabe sollte mindestens zwei Wochen lang erfolgen. In anderen Literaturquellen werden sogar vier Wochen Einsatzdauer empfohlen.
Auf Grund des wirtschaftlichen Schadens ist es ratsam, in Problembetrieben eine medikamentelle Metaphylaxe zu betreiben. In der Regel wird diese als Einstallmedizinierung durchgeführt. Hier haben sich Chlortetracyclin (CTC) in einer Dosierung von 300 ppm oder Tylosin in einer Dosierung von 100 ppm / to Futter bewährt. Die Medizinierung sollte über drei bis vier Wochen erfolgen. Sanierungen sind insofern erschwert, da die Ferkel von der Sau frühzeitig infiziert werden, so dass das Frühabsetzen und Trennen der Ferkel (SEW) nicht die Erregerfreiheit garantiert. Erfahrungen über Sanierungen im laufenden Betrieb mit medikamenteller Abschirmung und begleitenden Hygienemaßnahmen liegen derzeit noch nicht vor.
Wichtigste Managementmaßnahme ist die gründliche Beseitigung des Kotes (Vollspalten), Rein-Raus Prinzip und vor der Belegung gründliche Reinigung und Desinfektion. Die Lawsonien sind gegenüber den üblichen Desinfektionsmitteln nicht sehr widerstandsfähig.
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